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Afrikaner über Eis und Schnee

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: M.
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Titel: Afrikaner über Eis und Schnee
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 496
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[496] Afrikaner über Eis und Schnee. Im Jahre 1846 wurde zum ersten Male durch einen speculativen Amerikaner eine Schiffsladung Eis nach Batavia gebracht. Da die amerikanischen Schiffe sonst großentheils in Ballast nach Ostindien gingen und auch die Zurichtung des Eises zur Verpackung nicht mit großen Kosten verbunden ist, so konnte es zu ziemlich billigen Preisen in den Handel gebracht werden und ist in Folge dessen auf Java rasch von einem Luxusartikel zu einem Bedürfniß geworden. In den Krankenhäusern bewirkte die Anwendung des Eises zum Theil glänzende Erfolge, und es wurde in Folge dessen sehr bald regelmäßig eingeführt. In größeren Hotels, sowie in jedem bedeutenderen Haushalte spielt Eis eine wichtige Rolle: die sonst halbflüssige Butter steht auf Eis, zu jedem Glase Wasser gehört ein Stückchen Eis, mit einem Worte: Eis ist ein unentbehrlicher Artikel geworden. Man kann begreifen, daß die Ankunft des erstes Eises zu manchem Spaße und zu mancher komischen Scene Anlaß gab. Denn in diesem heißen Tropenlande kennt man selbst auf den Gipfeln der höchsten Berge nie Schnee oder auch nur Reif. Am überraschendsten erschien der erste Eindruck der Eiskälte auf die dort zu Lande Geborenen, sowohl Javanen und Malaien als Halbblütige und Kinder von Europäern, indem Alle diese ohne Ausnahme bei der ersten Berührung des Eises ausriefen: „es brennt!“

Einen der gelungensten Scherze führte aber Herr K–r nebst einigen Freunden aus, indem diese ein paar eingeborene Diener gegen Mittag nach dem Magazine in Batavia schickten, um eine Quantität Eis nach Weltevreden zu holen. Mit dem Unternehmer des Magazines war es vorher verabredet, daß er den Leuten einen Block Eis gab, der bloß fest umschnürt an die Mitte eines Bambus gehängt wurde. Die Enden des Bambus nahmen zwei Träger nach inländischer Sitte auf die Schultern, ein inländischer Aufseher ging nebenher, und so ging es in der brennenden Mittagssonne fort nach dem etwa eine Stunde entfernten Weltevreden. Natürlich brachten sie nichts mit, als den Bambus und die leeren Stricke. Eine der possirlichsten Scenen wurde nun durch ein ernsthaftes Verhör über den Verbleib der seltsamen Waare hervorgerufen, die trotz mehrmaligen festen Schnürens verschwunden war. Sie war nicht gestohlen, auch nicht verloren, und die verdutzten Javanen konnten nicht erklären, was vorgegangen war, und auf alles Befragen mir immer wiederholen, das Eis habe sich heimlich, ganz heimlich entfernt, mit unbegreiflicher Heimlichkeit sei es fortgeschlichen.

Als ich nach etwa siebenjährigem Aufenthalte in Indien nach Europa zurückkehrte und in der strengen Winterkälte des Februars 1853 im Depot zu Harderwyk in Holland ankam, hatte ich Gelegenheit, die Eindrücke zu beobachten, die Schnee und Eis auf einen Schwarzen machten, der sie in seinen alten Tagen zum ersten Male kennen lernte. Die Holländer haben nämlich in früherer Zeit eine Anzahl von Negern als Soldaten von ihren afrikanischen Besitzungen in Delmina nach Java ausgeführt. Da aber keine directe Fahrt von Java nach Delmina besteht, so werden die ausgedienten Afrikaner zunächst nach Holland gebracht, von wo sie dann gelegentlich nach der Westküste von Afrika befördert werden. Mein Afrikaner, Kütjo Kobena, war nun ebenso wie ich im strengen Winter angekommen, hatte es aber noch übler als ich getroffen, indem das Schiff, auf dem er sich befand, bei der Insel Urk in der Zuider-See einfror; hierdurch wurde er genöthigt, dreißig Tage auf dieser armen Fischerinsel in der Winterkälte zu verleben. Höchst interessant waren die Beschreibungen, die er von der Kälte daselbst machte, besonders durch die Weise, wie er sich bemühte, Begriffe auszudrücken, die ihm neu und bis dahin gänzlich fremd gewesen, deren Natur er jedoch nun genügend erkannt hatte. So erzählte er mir unter Andern, daß es hier so kalt sei, daß alles Wasser von Kälte todt sei. „See ist todt,“ sagte er, „Fluß ist todt; Wasser ausgießen, ist auch gleich todt.“ Als ich, auf seine Ideen ganz nach Möglichkeit eingehend, ihm erwiderte: „Nein, Kütjo Kobena, todt ist es nicht –“ ließ er mich in seinem Feuereifer zunächst gar nicht ausreden, sondern unterbrach mich: „sungoh mati! (Wahrhaftig, bei meinem Leben!) es ist Alles todt; ich habe es selbst gesehen.“ Endlich zu Worte kommend erklärte ich ihm, daß es nicht todt sei, sondern nur schlafe. Ebenso rasch begriff er dieses und setzte mit gleichem Eifer hinzu: „sungoh! (wahrhaftig!) Sie haben Recht; auch ich, habe gesehen, Wasser warm werden, Wasser wieder laufen.“ – Dann erzählte er mir, wie eines Tages, als er aus der Hütte auf Urk trat, sein Mantel weiß geworden sei, ganz weiß; aber Farbe war es nicht, es konnte abgewischt werden; doch wenn er es abwischte, kam es wieder. Schließlich habe er dann begriffen, daß es hier so kalt sei, daß, wenn tuan allah, der Herrgott, es regnen lasse, sei der Regen, ehe er zur Erde komme „von der Kälte verdorben und ganz weiß geworden“. Er hatte demnach den Vorgang ganz wohl begriffen und drückte sich auch recht bezeichnend aus. Gefrieren ist ja für diese Tropenbewohner ein ganz fremder Begriff.

M.