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Abergläubische Meinungen und Gebräuche in der Altmark

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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Abergläubische Meinungen und Gebräuche in der Altmark
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aus: Die Volkssagen der Altmark
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Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Scans auf Commons
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[73]
Abergläubische Meinungen und Gebräuche.

In der Altmark hat man auf dem Lande einige besondere Hochzeitsgebräuche, mit denen Meinungen über das künftige Schicksal der jungen Eheleute enge verbunden sind. Die Ausrichtung der Hochzeit z. B. geschieht auf demjenigen Hofe, auf dem das Brautpaar künftig seinen Wohnsitz nehmen wird, also in der Regel auf dem des Bräutigams. Kommt nun die Braut auf diesem an, welches zu Wagen geschehen muß, so wirft sie, über die Leitern des Wagens hinweg, sich dem Bräutigam in die Arme, der sie, um den Leib gefaßt, schwebend, ohne daß ihre Füße die Erde berühren dürfen, ins Haus, bis an den Feuerheerd tragen muß. Dort steht eine Suppe fertig, in welche von Allem, was in der Wirthschaft vorkommt, von der Pferde-, Kuh- und Schaafkrippe etwas hineingemischt sein muß. Wenn diese Suppe nun gut „mündet“ (mundet), so gedeihet die künftige Wirthschaft gut. Im anderen Fall sieht es schlecht damit aus.

Wenn die Suppe verzehrt ist, zieht man mit voller Musik in die Kirche, wo die Trauung vollzogen wird. Während derselben bemühet sich die Braut, zwar so unmerklich als möglich, aber doch aus allen Kräften, den Bräutigam auf den Fuß zu treten; glückt ihr dieß, so ist sie sicher, daß sie künftig die Herrschaft im Hause bekommen [74] wird. Doch ist sie dessen auch schon sicher, wenn es ihr nur glückt, daß sie beim Wechseln der Ringe die Hand oben bekömmt. Daher sucht denn auch der Bräutigam Beides nach Kräften zu verhindern. So lange sie bei der Trauung vor dem Altare stehen, müssen sie so dicht bei einander stehen, daß man nicht zwischen ihnen durch sehen kann, weil sonst künftig böse Leute zwischen sie kommen und ihnen etwas anthun werden.

In den Schuhen müssen sie während der Trauung einige Körner Getreide tragen, weil dieß die Fruchtbarkeit des Feldes bewirkt. -

Ueber die Altmark. I. S. 124 folg.

Bei einem neugeborenen Kinde muß beständig Jemand wachen, bis es getauft ist, damit die Dickköpfe (unterirdische Geister) nicht kommen und es austauschen. Deswegen eilt man auch mit der Taufe soviel als möglich.

Am Tage der Taufe dürfen die Taufpathen von ihrem Eintritt ins Haus an bis nach geschehener Taufe nicht ein Naturbedürfniß befriedigen, weil sonst das Kind nie würde das Wasser halten können.

Bei dem Taufmahle muß die Wöchnerin von Allem, was aufgetragen ist, etwas genießen, wenn das Kind gedeihen soll.

Auf der Höhe, nicht aber in der Wische, wird auch der Kirchgang der Wöchnerin gefeiert; die Pathen kommen dann zusammen, und bescheeren dem Kinde ein Pathenkleid, schenken ihm auch Gevattergeld; dabei haben sie, obgleich nicht Katholiken, den Gebrauch, über die Stirn und Brust des Kindes dreimal das Zeichen des Kreuzes zu machen.

Daselbst, S. 128. 129.

In der Altmark hört man häufig das Wort „böten“; es bedeutet: Feuer anmachen, aber auch das Vertreiben [75] der Rose durch Sympathie. Das Böten in diesem letzteren Sinne geschieht besonders auf dreifache Art. Einige böten die Rose durch Räuchern, Andere durch bloßes Blasen mit dem Munde; am sichersten hilft aber, wenn man einen Junggesellen, der dabei nichts sprechen darf, dreimal über dem leidenden Theile mit einem Feuerstahle Funken schlagen läßt. Bei allen diesen Mitteln darf aber, wenn sie anschlagen sollen, der Kranke nicht wissen, daß sie mit ihm vorgenommen werden.

Daselbst, S. 138.

In dem Dorfe Königstädt unweit Arendsee wird am Palmsonntage des Nachmittags ein Paar Stunden lang geläutet, indem man allda glaubt, daß, so weit der Schall der Glocken fällt, das ganze Jahr hindurch das Wetter keinen Schaden thun werde.

Beckmann histor. Beschr. v. Brandenburg. Th. 5. Buch 1. S. 42.

In dem Städtlein Calbe an der Milde und in dem Calbeschen Werder findet man fast unter allen Thorhäusern bei den Ackerleuten ein Pflugrad hängen; von demselben hat man den Glauben, wenn das Vieh unter solchem Rade aus- und eingehe, so können weder der Teufel, noch dessen Handlanger, die Zauberer, ihm irgend einigen Schaden zufügen.

Beckmann a. a. O. S. 64.

Einige ganz besondere Gebräuche haben sich in der Altmark noch aus jener Zeit erhalten, in welcher unsere Vorfahren den Mond verehrten, den sie Ostera, Ostra nannten, woher auch wahrscheinlich unser Osterfest diesen Namen erhalten hat. Bekannt ist es namentlich, wie von den alten Sachsen der Göttin Ostra zu Ehren am Harze die Osterfeuer angezündet wurden. So geschieht ein Aehnliches noch jetzt in den Dörfern bei Salzwedel. In der Osternacht wird nämlich auf einer Anhöhe neben dem Dorfe [76] ein großes Freudenfeuer angezündet, um welches die jungen Bursche, so lange es brennt, unter lautem Singen herumtanzen. Wo viel Holz ist, besteht dieses Feuer aus einem großen Scheiterhaufen; an anderen Orten wird ein leerer Bienenkorb dazu genommen, der inwendig mit Werg gefüllt und auswendig mit Theer bestrichen ist, und an einer hohen Stange aufgerichtet wird; an der Stange hängen zuweilen noch einige Theerbütten. Man hat den Glauben, daß, soweit der Schein von diesem Feuer reiche, in diesem Jahre keine Feuersbrunst entstehen werde. In der Regel muß Alles, was zu solchen Osterfeuern gebraucht wird, entwendet sein, damit die Wirkung des Feuers desto sicherer eintrete.

Ein anderer, auf die Göttin Ostra sich beziehender Gebrauch ist folgender: Ein Brand von dem dieser Göttin geheiligten Osterfeuer verhütete, so wie er dem Mißwachs vorbeugte, namentlich auch die Krankheiten des Viehes; insbesondere war dieß mit den Schweinen der Fall, die jeglichem Uebel enthoben wurden, wenn man sie durch ein der Göttin zu Ehren angezündetes Feuer jagte. Davon hat man noch heutiges Tages an mehreren Orten in der Altmark den Gebrauch, wenn man kranke Schweine hat, ein sogenanntes Nothfeuer zu machen. Dieß geschieht auf folgende besondere Weise: Vor Aufgang der Sonne, und ohne daß ein Wort gesprochen werden darf, werden zwei Pfähle von trockenem Holze in die Erde gegraben, so daß die oberen Enden hervorragen. Um diese Enden werden alsdann hanfene Stricke so lange hin- und hergezogen, bis das Holz sich entzündet und die Pfähle in Brand gerathen. Durch dieses Feuer nun werden die kranken Schweine hindurchgetrieben.

Ueber die Altmark. I. 129. II. 247.

[77] In der Gegend von Hindenburg (im Kreise Osterburg) glaubt man stark an Doppelsauger (Vampyre). Damit sie nicht aus dem Grabe wiederkommen, steckt man den Todten ein Stück Geld in den Mund.

In derselben Gegend wird, wenn bei Beerdigung einer Leiche die Schaufeln auf das Grab geworfen werden, genau danach gesehen, in welche Richtung die zuletzt hingeworfene Schaufel zu liegen kommt. Diese Richtung giebt den Hof im Dorfe an, aus dem der nächste Todte kommen wird.

Will der Pferdeknecht (in derselben Gegend) das ganze Jahr hindurch gut genährte Pferde haben, so muß er in der Neujahrsnacht Kohl stehlen und damit die Pferde füttern.

Böse Leute (ebenfalls in der Gegend von Hindenburg), die eine schlecht melkende Kuh haben, gießen etwas von der Milch dieser Kuh in den Brunnen des Nachbars. Jene Kuh wird dann geheilt, und auf die Kuh des Nachbars geht ihr Uebel über.

Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.

In der Gegend von Salzwedel wird auf dem Lande, damit der Todte nach der Beerdigung nicht spuken soll, beim Heraustragen der Leiche aus der großen Thüre Wasser hinter ihr hergegossen; auch werden ein Löffel, eine Schüssel, ein Kamm und die zuletzt ausgekämmten Haare mit in den Sarg gelegt. Man steckt auch dem Todten einen Zehrpfennig in den Mund.

Wer am Neujahrstage Geld zu sich steckt, hat das ganze Jahr Geld.

In der Gegend von Mellin werden die jungen Gänse (Gänseküken) in einem Siebe geräuchert; zu dem Räuchern wird genommen etwas von dem Schwanze eines jeden Kükens, etwas aus dem Neste, worin sie ausgebrütet sind, und etwas von den Dunen der alten Gänse. Nach dem [78] Räuchern werden sie durch die natürliche Oeffnung irgend eines Gegenstandes gesteckt; am liebsten nimmt man dazu das Skelett eines Pferdekopfes, oder ein Stück Eichenholz, das sich rings um den Ast abgeringelt hat. Auf diese Weise werden die Gänse vor dem Fuchs verwahrt; denn wenn dieser sie künftig sieht, so hält er sie für den Gegenstand, durch dessen Oeffnung sie gesteckt sind, für ein Pferd, eine Eiche o. d. g.

(Daselbst.) Wenn es am Vitus-Tage regnet, so gedeihet der Hafer nicht.

(Daselbst.) Bei der Taufe eines Kindes müssen die Gevattern sämmtliche von dem Prediger beigebrachte Bibelstellen nachbeten, sonst kann das Kind nachher nicht ordentlich lernen.

(Daselbst.) Wenn das Feuer bullert, und man spuckt hinein, so entsteht Zank, aber nicht für den, der gespuckt hat.

(Daselbst.) Wenn beim Brodbacken das Brod in den Ofen geschoben ist, so werden mit der Schüssel drei Kreuze vor der Mündung des Ofens gemacht, damit das Brod gedeihen soll. Dabei werden folgende Verse gesprochen:

Dat Brod is in Oven,
Unser Herrgott is boven;
Wenn’t keen Brod will werden,
Loat’t luter Stuten werden.

(Daselbst.) Wenn im Herbst der Kohl mit Raupen besetzt ist, so nimmt der Herr oder die Frau einen Birkenstrauch, der aber einer von denen sein muß, welche am Pfingstabend im Hause aufgestellt waren, und welche deshalb sorgfältig aufbewahrt werden. Damit umgeht man dreimal den Platz, auf dem der Kohl steht, und spricht dabei die Worte:

Rupen packt ju,
De Moan geit weg,
De Sunne kümmt.

[79] (Daselbst.) Damit Erbsen von Tauben und Sperlingen nicht aufgefressen werden, muß man beim Pflanzen derselben drei Erbsen in den Mund nehmen, und sie darin, ohne ein Wort zu sprechen, so lange behalten, als das Pflanzen dauert. Ist dieses vorbei, so spuckt man sie in ein offen gelassenes Loch aus.




Hexereien in Mellin.

Ein gekauftes Rind muß das Erstemal, wenn es in den Stall geführt wird, rücklings ins Haus gezogen werden, damit es nicht behext werden kann.

Wenn man in einem fremden Dorfe ein Pferd kauft, so muß man aus der ersten Hufspur des Pferdes auf der Mellinschen Feldmark etwas Erde nehmen, und diese rückwärts über die Grenze werfen; dann kann das Pferd nicht behext werden.

Ein eben geborenes Kalb muß gegen Hexerei mit Salz und Dille bestreut werden.

Wenn der Viehstall ausgemistet ist, so wird ein Pulver von Dille dreimal rückwärts in den Stall gestreut, gegen Hexerei.

Beim Anspannen der Pferde wird der eine Strang rechts, der andere links übergehakt, gegen Hexerei.

Wenn ein Brautpaar zur Trauung in die Kirche geht, so geht zuerst die Braut mit ihrem Gefolge; hinter ihr geht der Bräutigam mit dem seinigen. Auf dem Rückwege ist die Ordnung umgekehrt. Alle müssen aber so dicht hinter einander gehen, daß Niemand zwischen ihnen durchgehen kann, sonst wird das Ehepaar zu stetem Unfrieden behext.


Wenn in dem Dorfe Rohrberg ein neuer Dienstbote ins Haus kommt, so muß seine erste Arbeit darin bestehen, [80] daß er einen Eimer mit Wasser holt; sonst kann er sich nicht an das Haus gewöhnen. Ein Dienstmädchen wird dann auch noch dreimal um den Heerd gejagt, sonst läuft sie wieder aus dem Dienst.



Gewohnheiten in Thüritz.

Am Abend vor Weihnachten wird Eisen und Stahl in den Häckerling, auch in die Krippe der Kühe gesteckt. Es kann dann das ganze Jahr hindurch dem Viehe kein Schade geschehen, und wer den Häckerling stiehlt, hat keinen Nutzen davon.

Am ersten Weihnachtsmorgen werden Feuerbränder in den Brunnen und in den Wassertrog geworfen, gegen Hexerei.

Die Tage zwischen Weihnachten und Heiligen drei Könige werden die Zwölfe genannt. In diesen Tagen darf kein Mist aus den Ställen gebracht oder vom Hofe gefahren werden; und in den ersten 6 Tagen der Zwölfe darf man nicht spinnen; Alles, damit die Wölfe nicht einbrechen.

Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.

In der ganzen Altmark auf dem Lande glaubt man an ein Gespenst, „die Rockenmöhr“, das den faulen Mägden um Heiligen drei Könige allerlei Possen spielt, wenn sie ihren Rocken nicht abgesponnen haben.

Wenn die Sonne am Neujahrstage auf den Altar scheint, dann geräth in dem Jahre der Flachs gut.

Irrlichter, in der Altmark „Tückbolde“ genannt, werden für die Seelen von Kindern gehalten, die vor der Taufe gestorben sind.

Ueber die Altmark. I. 147. 149.

Mutterplage und Brustbeschwerden heißen „die Moger“. Diese ist ein häßliches Thier, das im Leibe sitzt und [81] durch den Hals herauskriechen will; dadurch verursacht es die großen Schmerzen und Beängstigungen.

Das Alpdrücken, hier „Mohrdrücken“ genannt, rührt von einem Thiere her, das ungefähr wie ein Marder aussieht; es legt sich dem Menschen im Schlafe auf die Brust und verschluckt dessen Athem.

Daselbst S. 141. 142.


Besondere Gebräuche und Meinungen im Hans Jochen-Winkel.

Der Strich Landes der Altmark, welcher zwischen Salzwedel und Disdorf liegt, heißt schon von alten Zeiten her der Hans Jochen (Joachim)-Winkel. Es ist dies ein Spitzname, dessen Entstehung und Grund man mit Gewißheit nicht angeben kann, der aber vielleicht daher rührt, daß die Mehrzahl der männlichen Einwohner hier seit undenklichen Jahren die Vornamen Hans Joachim führt. In diesem Winkel haben sich eine Menge ganz eigenthümliche Meinungen und Gebräuche erhalten, von denen hier folgende einen Platz finden mögen:

Eine Frau darf während ihrer Schwangerschaft sich keine Speise versagen, zu der sie Lust verspürt; denn alle Speisen, die sie sich so entzieht, würde das Kind künftig, wenn es erwachsen ist, nicht essen können.

Mit einer Leiche darf sich eine Schwangere nichts zu schaffen machen, weil sonst das Kind zeitlebens eine Todtenfarbe behalten würde.

Sobald das Kind geboren ist, wird ihm Honig oder Zucker in den Mund gegeben, damit es künftig süß aus dem Munde rieche.

Wenn das neugeborne Kind viel schreit, so sagt man: es hat Herzspann, und nun wird es dreimal durch die [82] Sprossen einer Leiter gezogen; dadurch bekommt es Erleichterung.

Der Glaube, daß das Kind ausgetauscht werden könne, ist besonders in diesem Winkel sehr stark. Man fürchtet, daß die unter der Erde wohnenden kleinen verwachsenen Zwerge, die man hier nicht Dickköpfe, sondern die Unterirdischen nennt, und die nichts lieber als hübsche, wohlgestaltete Menschenkinder zu haben wünschen, das neugeborne Kind wegnehmen und ihre eigenen verwachsenen Kinder, die man Wechselbälge nennt, dafür hinlegen würden. Deshalb wird hier ganz besonders mit der Taufe geeilt, und bis zu derselben Mutter und Kind keinen Augenblick allein gelassen; auch muß bis dahin immer ein Licht bei ihnen brennen, selbst am hellen Tage, weil vor dem Lichte die Unterirdischen sich fürchten.

Bei dem Einwickeln des Kindes zum Taufen wird ein beschriebenes Stück Papier mit eingewickelt. Was darauf geschrieben steht, ist gleichgültig, aber fehlen darf es nicht, weil sonst leicht bei der Taufe eine Hexerei vorgehen könnte.

Eine Wöchnerin, die zum ersten Male niedergekommen ist, darf ja nicht zu früh die Wäsche wechseln, weil sie sonst alle Jahre ein Kind bekommen würde.

Herangewachsene Kinder dürfen nicht ans Wasser gehen, denn darin sitzt die Wassernix, die auf sie lauert und sie herunterholt.

Auch an das Korn dürfen die kleinen Kinder nicht kommen, denn darin sitzt die alte Roggenmöhr (Muhme); die hat eine schwarze Brust, daran legt sie die Kinder, wovon sie leicht sterben können. -

Bei Krankheiten wird besonderes Gewicht auf den Abgang gewisser Thiere gelegt. Gegen die Rose hilft der Abgang einer schwarzen Katze; gegen den Husten der Abgang von einem schwarzen Hunde; der Abgang selbst muß [83] aber weiß sein. Wenn Jemand Kopfweh hat, das nicht weichen will, so nimmt man einen Faden, der wird dreimal um den Kopf des Kranken gewunden, und dann in Form einer großen Schlinge in einen Baum gehangen; wenn nun ein Vogel hindurch fliegt, so nimmt dieser das Kopfweh hinweg.

Es giebt viele Leute, welche das Blut und das Feuer besprechen können, so daß jenes augenblicklich aufhört zu fließen, dieses aber sich nicht weiter verbreiten kann, sondern sich in sich selbst aufzehren muß. -

Wenn Jemand gestorben ist, so wird sofort das Kopfkissen unter ihm weggezogen und ein Fenster in der Stube geöffnet, damit die Seele herausfliegen kann. Wenn die Leiche beerdigt ist, so gehen zuerst die Angehörigen und sodann die übrigen Begleiter dreimal um das Grab herum und von da in die Kirche; ein Grund dieses Gebrauches ist nicht bekannt.

Nach der Gegend von Salzwedel hin hat man auch noch folgende besondere Leichengebräuche:

Dem Todten wird, wenn er in den Sarg gelegt wird, ein Pfennig in den Mund gesteckt, damit er einen Zehrpfennig nach dem unbekannten Lande hin habe. - Beim Zunageln des Sarges muß man sich wohl in Acht nehmen, daß der Todte nichts von seinem Anzuge in den Mund bekomme; denn sonst „zehrt er nach“, und Einer nach dem Andern muß ihm im Tode folgen. - Sobald die Leiche aus dem Hause getragen ist, wird ein voller Eimer mit Wasser hinter ihr her gegossen, damit der Todte nicht wiederkommen und spuken möge. -

An einzelnen besonderen Tagen des Jahres hat man noch folgende merkwürdige Gebräuche:

Am Neujahrstage wird vor Sonnenaufgang im Garten geschossen, damit die Obstbäume in dem Jahre reichlich tragen. [84] Von Neujahr bis Heiligen drei Königstag darf kein Dünger ausgefahren werden; denn um diese Zeit sind die Wölfe gerade am schlimmsten, und sie würden durch den Geruch frischen Düngers herbeigelockt werden.

Auf Lichtmessen, wie überhaupt an jedem Marientage, darf kein altes Zeug geflickt werden, weil sonst die Hühner Windeier legen.

Wenn auf Lichtmessentag die Sonne auch nur einen Augenblick hell am Himmel scheint, so gedeihen das Jahr die Bienen gut. Scheint sie aber gar nicht, so ist das für die Bienenzüchter ein schlimmes Zeichen.

Die Bauern haben für Lichtmeß folgenden Vers:

Lichtmessen hell und klar,
Giebt ein gutes Kornjahr,
Lichtmessen dunkel,
Macht den Bauern zum Junker!

(d. h. er hat dann nichts zu thun, zu dreschen.

Auf Fastnacht darf nicht gesponnen werden; das an diesem Tage gesponnene Garn würde doch nur wieder verschwinden.

Am Charfreitag muß der Hofhund ein Butterbrod bekommen, worin ein Kreuz geschnitten ist. (Eine Bedeutung dieses Gebrauchs ist nicht zu ermitteln gewesen.)

Wenn an den drei hohen Festtagen, Ostern, Pfingsten und Weihnachten, Jemand in der Nacht aufwacht, so nimmt er ein Gesangbuch, schlägt es auf, und legt es offen wieder fort. Am anderen Morgen sieht er nach, was für einen Gesang er aufgeschlagen hat, um daraus sein künftiges Schicksal zu ersehen. Ist der Gesang ein Sterbelied, so muß man noch in demselben Jahre sterben; ist es ein Tauflied, so läßt man noch in demselben Jahre taufen oder steht Gevatter. Ist der Gesang von anderem [85] Inhalte, so sucht man danach das Schicksal des Jahres zu bestimmen.

Am Ostermorgen muß man früh aufstehen und einen Eimer mit Wasser auf den Hof setzen. Wenn man in diesen hineinblickt, bis die Sonne aufgegangen ist, so kann man darin das Osterlamm erblicken. Man sieht sogar seine Bewegungen in dem Wasser.

Am Walpurgisabend werden alle Thüren an Häusern und Ställen bekreuzt, um das Vieh vor den vorüberziehenden Hexen zu bewahren.

Wenn man in der Walpurgisnacht die abziehenden Hexen sehen will, so muß man sich unter eine Hechel oder Egge setzen, deren Stacheln und Zacken aber rückwärts stehen.

Wenn am ersten Maitage die Kühe ausgetrieben werden, so legen einige Leute Ketten und Stricke vor die Schwelle des Stalles, andere aber ein frisches Ei mit einem Beile, welches beides mit einem frischen Rasenstücke bedeckt wird. Wenn nun das Vieh über diese Sachen hinwegschreitet, so wird es sich gut halten und es kann ihm nichts angethan werden.

Am Abend vor Pfingsten werden junge Birkensträuche, Maien genannt, geholt, womit die Stuben und besonders die große Diele (Tenne) ausgeschmückt werden. Später werden diese Maien sorgfältig aufbewahrt und beim Röthen auf den Flachs gelegt, wodurch dieser fester wird.

Zum Theil mündlich, zum Theil aus den Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.

[86]
Besondere Gebräuche bei Entbindungen und Kindtaufen in der Gegend von Lagendorf (einem Theile des Hans Jochen-Winkels.)

Sobald das Kind dem Mutterschooße entwachsen ist, wird es von der Hebamme in ein Laken gewickelt. In eine Schürze oder in ein Tuch darf man es nicht legen, weil es sonst, wenn es ein Knabe ist, in späteren Jahren zuviel hinter den Frauensleuten herlaufen, wenn es aber ein Mädchen ist, sich ebenfalls zuviel mit den Mannspersonen abgeben würde.

Wenn das Kind nun so gewickelt ist, so wird es von der Hebamme stillschweigends unter den Tisch auf die bloße Erde gelegt, wo es so lange liegen bleibt, bis die Wöchnerin zu Bette gebracht ist; dadurch wird es ruhiger und frommer, und es wird nicht soviel schreien.

Ist die Mutter ins Bett gebracht, so wird das neugeborne Kind gebadet und dann ordentlich gewickelt. Bei diesem ersten Wickeln und Anziehen darf aber keine neue Mütze und kein neues Hemdchen gebraucht werden, weil sonst das Kind später zuviel Zeug zerreißen würde. Zum zweiten Anziehen kann man ohne Schaden neues Zeug gebrauchen.

In der ganzen Zeit bis zur Taufe muß das Kind sorgfältig vor Verwechselung durch die Unterirdischen gehütet werden; deshalb wird das sogenannte „Wort Gottes“, d. i. ein Blatt aus der Bibel oder aus dem Gesangbuche, entweder mit in die Windeln gewickelt, oder in die Wiege gelegt.

Damit nun aber auch dann, wenn die Mutter das Kind zu sich ins Bette nimmt, die Unterirdischen nicht Gewalt über dasselbe bekommen, muß in der ganzen Zeit bis [87] zur Taufe unter dem Kopfkissen der Wöchnerin ein Gesangbuch liegen.

Wenn Nachbarinnen oder Anverwandte die Wöchnerin besuchen, so müssen sie zuerst zu der Wiege gehen, dem Kinde das Gesicht aufdecken und zu ihm sprechen: Gott segne es! Erst dann dürfen sie zu dem Bette der Mutter gehen und mit dieser sprechen.

Wenn bei einem solchen Besuche eine Nachbarin zufällig ihre Regel haben sollte, so muß sie es ja gleich der Wöchnerin sagen; denn wenn diese über den Platz der Nachbarin schreiten würde, so würde sie sicher gefährlich krank werden.

Wenn die Mutter während der Taufe des Kindes recht fleißig in der Bibel und im Gesangbuche lieset, so wird auch künftig das Kind leicht lesen lernen.

Eben dasselbe wird auch der Fall sein, wenn es dem ältesten Taufpathen, während er das Kind über die Taufe hält, gelingt, einige Worte aus der Agende des Predigers über den Kopf zu lesen.

Werden zwei Kinder zugleich in der Kirche getauft, so darf dies mit demselben Taufwasser nur dann geschehen, wenn beide von gleichem Geschlechte sind. Sind sie dies nicht, und es wird nicht jedes mit seinem besonderen Taufwasser getauft, so würde der Knabe künftig den Frauensleuten nachlaufen, das Mädchen aber einen Bart bekommen.

Wenn das Kind während der Taufe und so lange es in der Kirche ist, sich ganz ruhig verhält und kein einziges Mal schreit, so ist das ein schlimmes Zeichen, und das Kind wird bald sterben.

Nach der Taufe, wenn die Hebamme und die Gevattern mit dem Kinde nach Hause zurückkehren, nimmt es an der Hausthüre der jüngste Gevatter, und läuft damit, [88] so schnell er kann, über die große Diele nach der Stube der Wöchnerin; dadurch wird das Kind tüchtig flink werden.

Gleich nach der Taufe dürfen die Gevattern ihre Nothdurft nicht verrichten, sonst wird das Kind unrein liegen.

Die Mutter darf bis zu ihrem Kirchgange nicht spinnen; denn da sie dabei die Finger mit ihrem Speichel nässen müßte, so würde dies zur Folge haben, daß das Kind aus dem Munde geifert.

In dem Hause, in welchem ein Kind geboren ist, darf ein ganzes Jahr lang kein junger Hund und keine junge Katze aufgezogen werden; denn es kann nur Eins gedeihen, entweder das Kind oder das Vieh. Kälber, Ferkel und Lämmer schaden aber nicht.

Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.