Aachener Stadtrechnungen aus dem XIV. Jahrhundert/Lesung der heiligen Messe
Ehe wir diese Rechnung verlassen, müssen wir noch zwei Posten erwähnen, die für uns Aachener ein besonderes Interesse bieten. Nachdem nämlich von den Kosten für die Rathsversammlungen gesprochen worden, folgt: „nuncio portanti litteram de celebracione misse super domum consilii. Dem Böten, der einen Brief brachte über die Feier der Messe auf dem Rathhause.“ Und unter den Weinspenden wird Herr Gerhard v. Boerck mit 3/4 Sextar beschenkt für eine Petition, die er an den Dechanten Hoynen wegen Lesung der h. Messe auf dem Rathhause richtete: „It. domino Gerado de Boerck pro littera supplicatoria missa decano Hoynen, de missa celebranda super domum consilii.“
Das Messelesen bei den Rathsversammlungen hat nicht erst mit dem großen Saale und der dortigen Kapelle seinen Anfang genommen. In dem kleinen Bruchstück einer Rechnung von 1353 sehen wir schon einen Boten nach Lüttich zum dortigen Fürstbischof, zu dessen Diözese Aachen gehörte, reisen um die Erlaubniß zur Feier der h. Messe bei der Rathsversammlung zu erhalten. It. Clos Stergin misso Leodii pro littera licenciatoria celebrandi missam in consilio. Der fromme Brauch war also nichts Neues, aber er wurde doch erst konstant in dem neuen Saale mit seiner zierlichen Erkerkapelle. Der darin errichtete fixe Altar wurde nach Noppius zugleich mit dem Münsterchor erst im Jahre 1413 und zwar zu Ehren der heiligen Apostel Philippus und Jakobus geweiht. Bis dahin muß man sich also eines kleinen Altarsteines, sogenannten altaris portatilis, Tragaltars, bedient haben. Denn schon elf Jahre vor der Altarweihe, im Jahre 1402, erlaubte [45] Papst Bonifacius IX. durch ein eigenes Breve[1] alle Groß- und Kleinrathsversammlungen, deren wir am Ende des 14. Jahrhunderts gewöhnlich in jedem Monate 4 aufgezeichnet finden, mit einer h. Messe zu beginnen. Am 1. Mai, dem Feste der Patronen der Kapelle, hielten die Minderbrüder darin feierliches Amt, dem die ganze Bürgerschaft auf dem Saale beiwohnen durfte. Deshalb verlieh Papst Alexander VII. im Jahre 1667 am 18 März für die Frist von fünf Jahren allen Gläubigen, welche am Tage des h. Philippus und Jakobus die Rathhauskapelle oder den Altar derselben besuchten, unter den gewöhnlichen Bedingungen vollkommenen Ablaß. (Diese Urkunde ist im Stadtarchiv vorhanden).
Während seiner Nuntiatur hatte Fabius Chigi, der spätere Papst Alexander VII., einige Zeit in Aachen zugebracht, bei den Regulirchorherren gewohnt und die Stadt lieb gewonnen. Nach dem schrecklichen Brande vom Jahre 1656 hatte der Magistrat sich um Unterstützung an den h. Vater gewandt und von demselben ein baares Geschenk von 4000 Scudi erhalten. Zur dankbaren Erinnerung an diese Wohlthat wurde oberhalb der Rathhauskapelle das Bildniß des Papstes, auf Leinwand gemalt, mit einem Lorbeerkranz von Gyps auf der Wand befestigt mit folgender Inschrift[2]: „Alexandro VII., pontifici maximo, quod nuntii apostolici olim munere hic diffungens regalem hanc sedem coluit, dilexit, eandem mox summo admotus fastigio anno 1656. secunda Maji fatali incendio penitus ferme consumptam misereque affictam eximia liberalitate sua erexit, recreavit, senatus populusque Aquensis in perpetuam tanti beneficii memoriam hoc monumentum erigi curavit anno 1657.“ „Dem Papste Alexander VII., – weil er einst das Amt eines apostolischen Nuntius hier bekleidend diesen königlichen Sitz ehrte und liebte, bald darauf zur höchsten Würde erhoben denselben, als er 1656 am 2. Mai durch eine verhängnißvolle Feuersbrunst beinahe ganz verzehrt und jämmerlich zugerichtet worden, durch seine außerordentliche Freigebigkeit wieder aufrichtete [46] und ermuthigte, – hat der Senat und das Volk von Aachen zum ewigen Andenken an solche Wohlthat dieses Denkmal setzen lassen.“
Bei der jetzigen Restauration des Sales hat dieses zum ewigen Andenken errichtete Denkmal wie so viele seines Gleichen erfahren müssen, daß es auf Erden kein dauerndes Andenken und keine dauernden Denkmäler gibt. Indessen ist doch Sorge getragen worden, die historische Erinnerung an die beiden Päpste nicht untergehen zu lassen, und wurde deshalb an dem Spitzbogen der Kapelle folgende Inschrift angebracht: Super ara in hoc sacello sanctis Apostolis Philippo et Jacobo olim dedicata Bonifacius P. P. IX. s. missae sacrificium ante senatus sessiones a. 1402do gratiose concessit, celebrari. – Alexander autem P. P. VII. ut nuncius Apostolicus hic commoratus, qui regalem hanc sedem coluit, dilexit, eandem a. 1656o 2o Maji incendio penitus fere consumptam eximia liberalitate recreavit. – Quorum benefactorum in gratam memoriam utriusque Pontificis effigiem ad latus patronorum restaurata curia depingi curavit a. 1864o S. P. Q. A.
„Auf dem in dieser Kapelle den hh. Aposteln Philippus und Jakobus sonst geweihten Altare hat Papst Bonifacius IX. im Jahre 1402 das h. Meßopfer vor den Rathsversammlungen zu halten gnädig bewilligt. – Papst Alexander VII. aber, der als apostolischer Nuntius hier verweilend diesen königlichen Sitz ehrte und liebte, hat denselben, als er 1656 am 2. Mai schier ganz von einer Feuersbrunst verzehrt worden, mit außerordentlicher Freigebigkeit unterstützt. – Zur dankbaren Erinnerung an diese Wohlthaten hat der Aachener Senat und die Bürgerschaft die Bildnisse der beiden Päpste zur Seite der Patronen bei der Herstellung des Sales malen lassen im Jahre 1864.“
Man sieht, die alte Inschrift ist in der neuen so viel möglich wörtlich beibehalten. In den 3 Fensterchen der Kapelle sollen in der Mitte die Mutter Gottes, als Königin der Apostel, thronen, an den Seiten die Patronen der Kapelle, die hh. Philippus und Jakobus. Neben diesen stehen auf den schmalen Wandflächen die Bildnisse der beiden Päpste, die freilich auf Portraitähnlichkeit ebensowenig wie Karl der Große in den Fresken Anspruch machen. Man wollte nur in dieser Weise das Historische, was sich an die Kapelle knüpft, der Vergessenheit entreißen, und diese Absicht dürfte so, wenigstens theilweise, erreicht sein.
- ↑ Diese Urkunde wurde nebst vielen andern während der französischen Occupation nach Paris geschleppt und ist leider nicht zurückgebracht worden. Den Inhalt derselben kennen wir aus Meyers Chronik S. 362 § 28.
- ↑ Schreiber dieses kam, als im Jahre 49 das Portrait von der Wand entfernt wurde, noch eben zur rechten Zeit, um die Inschrift zu retten, die für uns um so werthvoller ist, als sich kein Breve über das Geschenk vorfindet.