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ADB:Wilhelm von Honstein

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Artikel „Wilhelm von Honstein“ von Wilhelm Wiegand in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 205–207, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_von_Honstein&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:18 Uhr UTC)
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Wilhelm von Honstein, Bischof von Straßburg 1506–1541, war der Sproß eines alten thüringischen Grafengeschlechtes. Um 1470 geboren empfing er seine erste Erziehung und grundlegende Ausbildung bei seinem Großoheim, dem Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg, dem bekannten Führer der deutschen Reichsstände zu Kaiser Maximilian’s Zeit. In den Jahren 1486 bis 1495 widmete er sich humanistischen und juristischen Studien an den Universitäten Erfurt, Padua und Freiburg im Breisgau und an beiden deutschen Hochschulen bekleidete er das Amt eines Rectors. Nach Mainz zurückgekehrt und in das Domcapitel aufgenommen gewann er unter dem Einfluß seines Verwandten eine Reihe von Pfründen und eine angesehene Stellung. 1499 Domcustos wurde er von Berthold’s Nachfolger, dem Erzbischof Jakob von Liebenstein, 1505 zum Generalvicar ernannt. Als der Straßburger Bischofsstuhl durch den Tod Albrecht’s von Baiern 1506 vacant geworden war, wurde W. nach hartem Kampf gegen die pfalzbairische Partei im Domcapitel wesentlich durch die Umtriebe seines Oheims, des Domscholasticus Heinrich von Henneberg, zum Bischof gewählt. Ueber seine Wahl und seinen spätern feierlichen Einritt in die Stadt Straßburg im October 1507 haben wir einen eingehenden zeitgenössischen Bericht, der höchst wahrscheinlich aus der Feder des Straßburger Stadtschreibers Sebastian Brant stammt. Obschon derselbe durch ein sehr reges Mißtrauen gegen den neuen Bischof beeinflußt ist, so wird doch seinem ehrlichen Eifer für kirchliche Reformen die Anerkennung nicht versagt. Dieselben hielten sich ganz in dem Ideenkreise, den Geiler’s Predigten und überhaupt die elsässischen Humanisten, Wimpheling an der Spitze vertraten. Abschaffung der in der Kirche eingerissenen Mißbräuche, sittliche Besserung des Clerus erstrebten sie, ohne irgendwie den Kern der kirchlichen Ueberlieferung antasten zu wollen. So versuchte auch Bischof W. durch das gute Beispiel seiner activen Betheiligung am Gottesdienste, durch Visitationen und ernste Ermahnungen des Clerus, die vor allem einen priesterlichen Lebenswandel, die Residenzpflicht, die Heilighaltung der kirchlichen Ceremonien einschärften, durch Purification der liturgischen Bücher u. A. zu wirken und mit besonderer Energie wandte er sich gegen die Concubinarier; aber er mußte die gleiche Erfahrung machen wie die elsässischen Humanisten, daß die Zustände auf dem Grunde der alten Kirche schlechterdings unverbesserlich waren. Die bischöfliche Autorität reichte nicht weit genug, um tief eingreifen zu können, gegen einzelne Bestimmungen des Bischofs appellirten die Collegiatstifter Alt und Jung St. Peter sogar nach Rom und W. wurde zum Widerruf aufgefordert. Bis zum Jahre 1524 etwa führte er den fruchtlosen Kampf, dann legte er mit der gleichen müden Resignation wie seine humanistischen Streitgenossen die Hände in den Schoß, namentlich als die Bewegung der [206] Reformation seine Ziele weit überholend sein Werk ihrerseits aufnahm. Immerhin darf es ihm zum Ruhme angerechnet werden, daß er vor den sittlichen Nothständen der Kirche und des Clerus sich nicht verschloß und daß es ihm in einzelnen Stiftern und Klöstern seiner Diöcese wie Gengenbach, Maursmünster u. A. auch gelang, dem reißenden Verfall kirchlichen Lebens Einhalt zu thun.

Gegen die Reformation verhielt er sich völlig ablehnend und auf seinem Sterbebette bekannte er sich noch einmal schroff zu dieser Haltung, die er während seines ganzen Episcopats festgehalten hat; aber auch in seinem Widerstande gegen die neue Bewegung findet man nirgends die rücksichtslose Energie, die seinen Reformbestrebungen gefehlt hatte. Ueberall wich er vor den entschlossen auftretenden Gegnern zurück, so gab er bei dem Zell’schen Handel, der zuerst das „reine Evangelium“ im Münster predigte, in der Frage der Ehepriester, obschon er sie mit dem Bann belegte, in dem Streit mit der Stadt Straßburg um die Gleichstellung der Bürger und Geistlichen, endlich in der Cardinalfrage, der Abschaffung der Messe in Straßburg, gegenüber dem maßvollen und besonnenen Vorgehen des Rathes nach. Er beschränkte sich auf papierne Proteste und Appellationen an das rechtlose Reichsregiment, zu einem feindseligen Bruch mit der Stadt ließ er es nicht kommen. Man darf dabei freilich nicht außer Acht lassen, daß ihm vielfach der feste Rückhalt an seinem Clerus mangelte, so namentlich beim Straßburger Domcapitel, und wesentlich mitbestimmend für seine Haltung war jedenfalls dieselbe Rücksicht, die auch den Straßburger Rath bei seinem reformatorischen Vorgehen beeinflußte, die Scheu vor der gährenden Aufregung der Volksmassen. Auf ein von den Straßburger Predigern wiederholt angebotenes Religionsgespräch ließ er sich nicht ein, aus einer Instruction für ein solches vom Jahre 1527, das nicht zu Stande kam, ersehen wir, daß er an den alten Dogmen, vor allem an den sieben Sacramenten unverbrüchlich festgehalten, daß er nur die bei ihrer Spendung eingerissenen Mißbräuche abgeschafft wissen wollte. Es war ein Reformentwurf, der die Bestrebungen weiterführte, welche er auch auf dem Regensburger Convente 1524 vertreten hatte, der jedoch gegenüber der immer stärker anschwellenden religiösen Bewegung völlig kraft- und haltlos war. Fortan beschränkte sich sein Widerstand gegen dieselbe vor allem darauf, daß er durch Einlösung verpfändeter Besitzungen der Straßburger Kirche, wie Benfeld, Ettenheim, Kochersberg, Wanzenau, dem Protestantismus das noch zu erobernde Terrain möglichst zu schmälern suchte und daß er innerhalb des Gebiets seines Bisthums den alten Glauben schützte und vertheidigte.

Ueber seinen Antheil an der großen politischen Bewegung jener Zeit sind wir eingehend nicht unterrichtet. Wir wissen, daß er allzeit gut kaiserlich war sowol unter Maximilian wie unter Karl V., für dessen Wahl er sich gegen Frankreich erklärt hatte, bei beiden bekleidete er die Würde eines kaiserlichen Rathes. Wir sehen ihn auf dem Reichstage zu Constanz 1507, zu Augsburg 1510, zu Trier und Köln 1512, zu Worms 1521, wo er vom Kaiser die Privilegienbestätigung für sein Bisthum, vom Legaten Aleander ein Wohlverhaltungszeugniß erhielt und zum Mitsitzer beim Reichsregiment eingesetzt wurde. Wir finden ihn im Auftrage des Kaisers 1522 auf der Züricher Tagsatzung, um die Eidgenossen Frankreich abwendig zu machen, und weiter auf dem Nürnberger Reichstage von 1522, während er bei dem Regensburger Convent 1524 sich durch Gesandte vertreten ließ; aber über seine intimeren Beziehungen zu Karl V. fehlt uns jede Kunde und auch ihn umhüllt jenes Dunkel, das noch immer über dem Thun und Streben der katholischen Fürsten Deutschlands in jener entscheidungsvollen Zeit liegt. Ein wenig genauer können wir ihn während des Sturmjahres 1525 verfolgen. Im October 1524 hatte W. im Erzbisthum [207] Mainz für den abwesenden Erzbischof Cardinal Albrecht von Brandenburg die Statthalterschaft angetreten und hier überraschte ihn völlig unvorbereitet im Frühjahr der große Volksaufstand des Bauernkriegs. Das obere Erzstift am Main und Neckar gerieth ebenso in Aufruhr wie der Rheingau, die Städte Mainz, Frankfurt u. A. Es blieb dem Bischof nichts anderes übrig als die Forderungen der Bürgerschaft und der Bauern zu bewilligen, in Aschaffenburg trat er selbst der großen Bruderschaft der Bauern bei; aber als sich binnen zweier Monate das Spiel vor den Mauern von Würzburg völlig wandte, die Bauern unter den Streichen des schwäbischen Bundesheeres und der pfalz-bairischen Truppen zusammensanken, war dies zugleich für ihn die Erlösung aus einer ungemein peinlichen Situation. Wenn er nun auch freilich diesen Rückschlag die Empörer nicht mit barbarischer Härte wie andere Fürsten empfinden ließ, so stellte er doch hier ebenso wie in seiner Straßburger Diöcese, wo inzwischen während seiner Abwesenheit der Aufruhr durch Anton von Lothringen im Blute der elsässischen Bauern erstickt worden war, die alten Verhältnisse mit unnachgiebiger Hand wieder her. Mit doppelter Schärfe wandte er sich gegen die religiöse Neuerung, welche den Ausbruch des Bauernkriegs mit verschuldet zu haben schien, doch blieben seine politischen Schritte, wie der Versuch 1526 die oberdeutschen katholischen Fürsten zu einigen, erfolglos. Er nahm an den Reichstagen von Speier 1526 und 1529 wie an dem Augsburger Reichstage 1530 theil, ohne dabei eine markante Rolle zu spielen. Im J. 1531 wurde der Plan, ihn zum Coadjutor von Mainz zu machen, sehr ernstlich erwogen und emsig gefördert, schon waren alle dabei betheiligten Factoren einig, als W. selbst verzichtete, wie es scheint, aus Mangel an finanziellen Mitteln. In den dreißiger Jahren sehen wir ihn besonders eifrig bei der Verfolgung der Wiedertäufer, im übrigen tritt er mehr und mehr zurück. An dem Hagenauer Tage im J. 1540 und an seinen Vergleichsverhandlungen nahm er noch lebhaften Antheil, wobei er zu den hitzigsten Anhängern des alten Glaubens gerechnet wurde, dagegen ließ er sich auf dem Regensburger Reichstag 1541 vertreten. Am 29. Juni 1541 verschied er nach langen gichtischen Leiden in seiner Residenz Zabern, wo er auch beigesetzt wurde. Er war ein Kirchenfürst im alten und guten Sinne, aber seiner großen Zeit war er nicht gewachsen.

Code historique et diplonmatique de la ville de Strasbourg I, 2, 239 bis 299. – A. Baum, Magistrat und Reformation in Straßburg. 1887. – Besondern Dank schulde ich Herrn Dr. Jos. Gaß für seine mir zur Verfügung gestellte noch ungedr. Würzb. Dissertation über Wilhelm v. Honstein.