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ADB:Wiener, Paul

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Artikel „Wiener, Paul“ von Ludwig Theodor Elze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 420–422, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wiener,_Paul&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:35 Uhr UTC)
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Wiener: Paul W., Mitreformator in Krain, Gebundener des Evangeliums in Wien, erster evangelischer Bischof in Siebenbürgen. Ueber P. Wiener’s Familie, Abkunft und Jugend ist fast nichts bekannt. Er stammte aus Laibach (in Krain) und hatte einen Bruder, der 1536 in k. ungarischen Diensten vor Clissa seinen Tod fand. Paul W. war bereits 1520 Domherr, Generalvicar und bischöfl. Rath in Laibach, 1530 Mitglied des geistlichen Standes im krainischen Landtag und Einnehmer der Landschaft, 1531 auch Mitglied mehrerer wichtiger Special-Commissionen der krainischen Landstände. Schon frühe der evangelischen Richtung zugethan, wie mehrere Laibacher Domherren, trat er doch erst 1536, obschon im selben Jahre von den krainischen Ständen zum Verordneten gewählt, mit evangelischen Predigten dem krainischen Reformator öffentlich zur Seite, jedoch mit aller Vorsicht und Milde, alle Polemik vermeidend und mehr die erbauliche, heiligende Seite des Christenthums hervorhebend. Doch ward seine katholische Rechtgläubigkeit bald anrüchig. Auch scheint er um diese Zeit sich (heimlich) verheirathet zu haben. Noch 1544 übertrug ihm der neue, als K. Ferdinand’s Beichtvater, Hofcaplan und Almosenier in Wien lebende Bischof von Laibach, Urban Textor, die deutschen Predigten im Dom, wie Trubern die windischen. Als der Bischof aber erfuhr, daß diese beiden Domherren heimlich das Abendmahl unter beider Gestalt austheilten, daß Paul W. nach dem Tode seiner ersten Frau zum zweiten Male geheirathet habe, [421] daß der Dompropst Leonh. Mertlitz seine Köchin geehelicht u. dgl. m., erwirkte er 1547 den Befehl den Dompropst, den Generalvicar Georg Dragolitz, die Domherren P. Wiener und Pr. Truber u. A. zu verhaften. Pr. Truber entging der Verhaftung, da er gerade von Laibach abwesend war. Leonh. Mertlitz, ein alter, schwächlicher, podagristischer Mann, ward seines Amtes entsetzt, seiner Pfründen beraubt und excommunicirt. Dem Domherrn Paul W. wurden seine Einkünfte gesperrt, seine Wohnung und seine darin befindlichen Habseligkeiten mit Beschlag belegt, seine Güter versiegelt und seine Bücher und Schriften weggenommen; er selbst und der Generalvicar Georg Dragolitz wurden auf das Laibacher Schloß ins Gefängniß gebracht. Der Bischof kam selbst nach Laibach den Verhören beizuwohnen, aus welchen natürlich klar hervorging, daß die Angeschuldigten evangelisch waren, aber sich enthielten über specifisch katholische Glaubenslehren zu sprechen. Dann sandte der Bischof die Acten der Zeugenaussagen und der Verhöre mit seinem eigenen Berichte an König Ferdinand nach Augsburg. Dadurch wurde Wiener’s Lage bedenklich. Die bisher noch erträgliche Haft des Mannes, der noch in der letzten Zeit die angesehensten kirchlichen und staatlichen Würden in seinem Vaterlande bekleidet hatte (er war 1541 und 1543 ständisch Verordneter, 1542 einer der krainischen Verordneten zum Ausschußtage der inner- und nieder-österreichischen Lande in Wien gewesen, und noch im vorigen Jahre (1546) von K. Ferdinand selbst zu einem der landesfürstlichen Commissäre beim krainischen Landtage ernannt worden), ward jetzt, namentlich nach einer von der krainischen Landschaft bei K. Ferdinand für ihn eingelegten Fürbitte, verschärft und streng. Die Untersuchung schien eine sehr schlimme Wendung zu nehmen. Seine Freunde fürchteten, daß der Feuertod, oder gnädigen Falles Enthauptung sein Schicksal sein werde. Der bekannte Nürnberger Prediger Veit Dietrich schrieb ihm am 10. Mai 1548 einen Trostbrief für diese schwere Lage. Da traf unerwartet ein königlicher Befehl in Laibach ein, daß P. Wiener gefänglich nach Wien gebracht und seine Sache dort nochmals von einer vom König zu ernennenden Commission untersucht und entschieden werden solle. Infolge davon ward er gefesselt nach Wien geführt und dort im Minoritenkloster als Gefangener untergebracht. Unter dem Vorsitze des Bischofs von Wien, Friedrich Nausea, der früher Wiener’s freundliche Bekanntschaft gesucht und gepflegt hatte, wiederholte eine aus drei Bischöfen und fünf Doctoren bestehende Commission die Untersuchung gegen W. Aus seinen Antworten ward eine Art Bekenntniß, ein „kurz Summarium“ aufgesetzt, das jedoch fast nichts von Wiener’s Worten, sondern ein arglistig zusammengeworfenes Truggewebe enthielt. W. weigerte sich dasselbe zu unterschreiben und richtete deshalb eine „Bittschrift“ an König Ferdinand. Auf dessen Befehl verhörte die Commission den Verklagten über seine Beschwerden und überredete denselben durch die Versicherung einer genauen mündlichen Berichterstattung an den König zuletzt das aufgesetzte, ungeänderte Bekenntniß zu unterzeichnen. Bald darauf ließ die Commission ihm einen dem Bekenntniß entsprechenden Widerruf vorlegen, den er öffentlich ablegen sollte. Nun mochte W. einsehen, wie unvorsichtig er durch seine Unterzeichnung des Bekenntnisses gehandelt hatte, und er schrieb daher abermals einen „Bericht“ an den König, worauf ihm noch eine weitere „Erläuterung“ seines Berichts und insbesondere seiner Ablehnung der vorgehaltenen Revocation befohlen wurde. W. gehorchte gern und fügte der gebotenen „Erläuterung“ – einer an Gelehrsamkeit, eingehender Gründlichkeit, Klarheit der theologischen Ausführung und würdevoller Offenheit hoch hervorragenden Schrift, in der er sich auch auf das eben ergangene kaiserliche Interim beruft –, noch ein „Memorial“ an den König bei. Im letzteren, das mit ebenso viel freimüthiger Würde als Unterthänigkeit geschrieben war, klagte er, daß er [422] den ganzen Winter schwer krank gewesen, auch jetzt noch nur am Stock gehen könne, daß sein Gedächtniß noch schwach sei und er zur Abfassung seiner Erläuterung der nöthigen Bücher ermangelt habe, und bittet zugleich, daß ihm (bis zur Erledigung seiner Sache) ein anderer Aufenthaltsort gestattet werde, an dem er seinen nothdürftigen Unterhalt finden könne, da ihm dieser schon seit Monaten nicht gereicht werde, und er, weil seine Güter gesperrt, sich mit entlehntem Gelde erhalten müsse. Demzufolge ward W., wie seiner eigenen Bitte entsprechend, unter Auferlegung der Auswanderung nach Siebenbürgen vom Könige begnadigt (1548). Ein armer Verbannter kam er im selben Jahre nach Hermannstadt, wo der Stadtrath ihm sofort eine Stellung als Lehrer und Prediger gab, und wo er am 11. Mai 1552 zum Stadtpfarrer gewählt wurde. Und als die evangelischen Siebenbürger im folgenden Jahre zur Leitung ihrer Kirche und Synode die Aufstellung eines Bischofs (oder Superintendenten) beschlossen, wählte die Synode am 6. Februar 1553 als den geeignetsten, würdigsten und geehrtesten den Hermannstädter Stadtpfarrer Paul W. zum ersten Bischof der evangelischen Kirche in Siebenbürgen, in welcher damals die beiden Nationen sich noch nicht getrennt hatten. Als solcher starb W. leider schon am 16. August 1554 an der Pest.

Raupach, Histor. Nachricht von den Schicksalen der evang. Kirche in Steiermark, Kärnten und Krain (in Winckler’s Anecdota hist. novantiqua, Leipzig 1770, S. 233 ff.). – Waldau, Gesch. der Protestanten in Oesterreich, Steiermark, Kärnten und Krain, 2 Bde., Anspach 1784. – Mittheil. des histor. Vereins für Krain, 1864. – Teutsch, Die Bischöfe der evang. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen (in Prot. Blätter für das evang. Oesterreich, 2. Jahrg., Wien 1864). – Th. Elze, Paul Wiener, Wien u. Leipzig 1882, (Sonderabdruck aus: Jahrb. der Gesellschaft f. d. Gesch. d. Protestantism. in Oesterreich, 1882).