ADB:Wepler, Emilie
[1] zu Kassel, wo ihr Vater Assessor am Criminalgericht, später Landrichter war. Von großem Einflusse erwies sich das Interesse, das ihre geistreiche Mutter der Poesie und Kunst, sowie allem Schönen und Edlen entgegenbrachte und ihr von früh an einzuflößen suchte. Selbige war nämlich die Tochter des rühmlich bekannten Historien- und Porträtmalers Johann August Nahl, Kasseler Akademiedirectors und Zeitgenossen Goethe’s, der ihn gelegentlich eines von Weimar ergangenen Preisausschreibens lobt, Enkelin des gleichnamigen berühmten Bildhauers daselbst. Emilie empfing jede in jener Periode energischer Frauenemancipation zugängliche geistige Ausbildung, sogar mit ihren Brüdern gemeinsam durch Hauslehrer den wissenschaftlichen Unterricht; nach der Confirmation besuchte sie eine gutkirchliche Pension. Bald darauf glücklich verlobt, verlor sie den geliebten Bräutigam. Insbesondere aber traf sie der Tod ihrer Mutter, an der sie über alles hing, aufs schwerste. Dazu gesellten sich herbste Prüfungen materieller Art: der Vater, eine Persönlichkeit in Kassel, verlor beim Sturze des Lombards (Leihhaus), dessen Director er nebenbei war, das beträchtliche Vermögen der Gattin und mußte mit seinem Gehalte Verbindlichkeiten decken. Durch diese Schicksalschläge gestaltete sich ihr Dasein vorerst äußerst trübselig und einsam, stählte sich aber anderntheils ihre Willens- und Geisteskraft und ward ihr jene Festigkeit eingeimpft, die später in der Wahl eines männlichen Pseudonyms – „Emil Wepler“ – begründeten Ausdruck fand. Außerdem richteten ihr für ernstes, besonders religiöses Denken empfängliches Gemüth der seelsorgerische Trost des Dechanten, nachherigen Domcapitulars Hahne, sowie eifriges Studium der altgriechischen Moralphilosophie empor. Ersterer Verkehr [742] hatte noch anfangs ihrer Fünfziger Jahre den Uebertritt zum Katholicismus zur späten Folge, letztere Beschäftigung das verdienstvolle Werk „Platon und seine Zeit“ (1866), worin freilich mehr zustimmende Begeisterung in ethischen Fragen als fördernde Gelehrsamkeit steckt. Ihr Herz aber gehörte, seitdem ihre Jugendliebe verglüht war, den angestammten althessischen Ueberlieferungen – war doch jener Großvater mütterlicherseits hoher kurfürstlicher Beamter, der Urgroßvater Urheber des Kasseler Standbilds von Landgraf Friedrich II. gewesen –, daher dann auch dem abgesetzten Regentenhause. In unermüdlicher Wirksamkeit verfocht sie, der Mittelpunkt eines engern Kreises, dessen Ansprüche, publicistisch in den „Hessischen Blättern“ des Pfarrers Hopf und in der „Freien hessischen Zeitung“, oft leidenschaftlich. Demselben Zwecke dienten die lebendige Schrift „Wilhelmshöhe und sein Erbauer“ (2. Aufl. 1870), ein Buch über „Kurfürst Friedrich Wilhelm“ (1875), den im Exil stolz der verflossenen Herrlichkeit gedenkenden letzten der langen Ahnenreihe, endlich „Hessische Erzählungen und Gedichte“ (1882, nicht 1880, wie Brümmer [s. u.] sagt), welch letztere auch bei Gegnern ihrer deutlichen Tendenz Anklang fanden. Sie hat bis zuletzt ihre Gesinnung in keiner Silbe, die sie der Druckerpresse übergab, verleugnet. Ihre äußere Lage war günstiger geworden, seitdem sie von 1869 an infolge eines Gedichts auf den Geburtstag des in Prag weilenden entthronten Kurfürsten eine Jahrespension bezog, die nach dessen Hinscheiden seine Kinder einhielten. Sie starb am 24. Mai 1893 zu Kassel.
Wepler: Emilie W., hessische Patriotin und Schriftstellerin, wurde geboren am 8. Februar 1818- Directe Mittheilungen der Oberförsterswittwe Auguste Wepler in Kassel; auch „Casseler Tageblatt u. Anzeiger“ v. 25. Mai 1893, S. 2. – Kürschner’s Litteraturkalender, der sie schon Jhrg. 1891 nicht mehr verzeichnet (und „Platen und seine Zeit“ nannte) und Brümmer, Lex. d. dtsch. Dcht. u. Pros. d. 19. Jhhs. II, 613b geben 1826 als Geburtsjahr an.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 741. Z. 26 v. o. Wepler: Während die Familie nach dem Tode Emilie’s 1818 als Geburtsjahr mittheilte, bezeichnete W. selber dem von mir citirten Brümmer 1826 als solches. „Platon und seine Zeit“ erschien unter dem bezeichneten Pseudonym „Emil Welper“, das sie nicht überall braucht, wie Brümmer annimmt. [Bd. 44, S. 574]