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ADB:Wenzel (deutscher König)

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Artikel „Wenzel, deutscher König und König von Böhmen“ von Theodor Lindner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 726–732, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wenzel_(deutscher_K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:37 Uhr UTC)
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Band 41 (1896), S. 726–732 (Quelle).
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Wenzel (der sich in deutschen Urkunden: Wenczlaw, in lateinischen: Wenceslaus schreiben ließ), deutscher König und König von Böhmen († 1419), wurde als ältester Sohn Karl’s IV. am 26. Februar 1361 in Nürnberg geboren. Seine Mutter war Anna von Schweidnitz-Jauer, die dritte Gemahlin Karl’s. Unzweifelhaft wählte der Vater zum Ort der Niederkunft absichtlich Nürnberg, damit der erhoffte Thronerbe, den er sich gleich als künftiges Reichsoberhaupt dachte, auf deutschem Boden das Licht der Welt erblicken sollte. Darum wurde auch die am 11. April in der Sebalduskirche vollzogene Taufe mit unerhörter Pracht gefeiert, in Gegenwart aller zu Gaste geladenen Kurfürsten. Schon am 15. Juni 1363 ließ Karl das Kind in Prag zum Könige von Böhmen krönen; am [727] 29. September 1370 wurde der siebenjährige Knabe in Nürnberg mit Johanna, der Tochter des Herzogs Albrecht von Baiern-Holland vermählt, nachdem Karl zwei frühere Eheverabredungen aufgehoben hatte. Ueber die Erziehung des Prinzen ist wenig bekannt, jedenfalls verwandte der Vater auf sie die größte Sorgfalt. Um W. frühzeitig für seine künftige Thätigkeit vorzubereiten und zugleich in Deutschland bekannt zu machen, nahm ihn der Kaiser auf seinen Fahrten durchs Reich mit und zog ihn zu allen wichtigen Sachen heran. Nachdem Karl die Mark Brandenburg erworben hatte, begann er, die Wahl Wenzel’s zum deutschen Könige zu betreiben, und es gelang ihm durch großartige Vergabungen an die Kurfürsten und eine sehr gewandte Politik, sein Ziel zu erreichen. W. wurde einhellig am 10. Juni 1376 in Frankfurt gewählt und am 6. Juli in Aachen gekrönt, ohne daß der Papst seinen Anspruch auf vorherige Approbation durchsetzen konnte. Im folgenden Jahre ernannte Karl den jungen König zum Reichsverweser und ließ ihn den Frieden mit dem schwäbischen Städtebunde abschließen. W. begleitete später den kaiserlichen Vater auf der Reise an den französischen Hof. Schon am 29. November 1378 machte der Tod Karl’s IV. W. zum selbständigen Regenten Deutschlands und Böhmens.

W. war ein stattlicher starker Jüngling von leidlicher Begabung. Er besaß mancherlei Wissen und Interesse für Kunst und Litteratur. Davon zeugen die Reste der Bibliothek, welche er sich anlegen ließ, Handschriften theologischen, juristischen, naturwissenschaftlichen und poetischen Inhalts, geschmückt mit prachtvollen Miniaturen, deren Vorwürfe meist mit vielem Humor aus Sage und Dichtung geschöpft sind. Auch die von Karl IV. begonnenen Bauwerke führte W. weiter. Nicht ohne Witz faßte er schnell und gab schlagfertigen Bescheid. Doch früh regte sich in ihm die Neigung zu müssigem Umherschweifen auf der Jagd und zu fröhlichen Gelagen.

W. trat in arg verwirrte öffentliche Verhältnisse ein. Noch bei Karl’s Lebzeiten hatten die Kardinäle das große Schisma hervorgerufen, indem sie dem erstgewählten Papste Urban VI. einen zweiten in Clemens VII., der später nach Avignon ging, entgegenstellten. W. erklärte sich für Urban, suchte dessen Anerkennung im Reiche durchzusetzen und auch die auswärtigen Mächte für ihn zu gewinnen. Daher vermählte er 1381 seine Schwester Anna mit dem englischen Könige Richard II., eine Verbindung, die dann eigene Folgen hatte. Die Mehrheit im Reiche folgte dem Könige. Erzbischof Adolf von Mainz, der sich zu Clemens geschlagen hatte, wurde durch große Zugeständnisse zum römischen Papste zurückgeführt, allein Herzog Leopold III. von Oesterreich hielt zu Avignon, und da W. aus mancherlei politischen Gründen auf ihn Rücksicht nehmen mußte, kam keine völlige Kircheneinheit zu Stande. Doch trat die Frage eine Zeit lang in den Hintergrund, weil das Schisma selbst versumpfte.

W. wollte nach dem Beispiele des Vaters die Reichssachen möglichst im Einvernehmen mit den Kurfürsten regeln und leiten. Aber die rheinischen, welche allein in Betracht kamen, hielten W. bald für zu nachlässig und verlangten daher, weil der König in seinem böhmischen Sitze dem Reiche zu fern war, schon 1380, er möge mit ihrem Beirathe einen Reichsverweser bestellen. Immer wieder tauchte später diese Idee auf. Es handelte sich also von Anfang an nicht darum, den König abzusetzen, sondern die Kurfürsten wollten neben ihm eine kräftigere Regierungsgewalt im Reiche haben. Diese hätte allerdings unter ihrem Einflusse gestanden, dennoch ist es nicht zutreffend, in dem Verhalten der Kurfürsten lediglich nackten und gemeinen Eigennutz zu erblicken. Sie erstrebten in ihrer Weise das Wohl des Reiches; daß freilich der König auf diese Wünsche nicht einging, ist leicht verständlich.

W. wandte bald sein vornehmliches Interesse den Dingen außerhalb des Reiches [728] zu. In Verflechtung mit der Kirchensache hatte er sich dem Könige Ludwig dem Großen von Ungarn-Polen genähert und die schon früher angebahnte Verlobung seines jüngeren Bruders Sigmund (s. A. D. B. XXXIV, 267 ff.) mit dessen ältester Tochter Maria vollzogen. Als Ludwig 1382 starb, dauerte es geraume Zeit, ehe Sigmund seine Braut zur Gemahlin und dann auch 1387 die ungarische Krone gewann. W. hat ihn reichlich unterstützt und zog 1386 in Person mit Heeresmacht nach Ungarn. Darüber versäumte er, den lange gehegten Plan auszuführen, durch eine Romfahrt die Kaiserkrone zu erwerben und seiner Würde die rechte Weihe zu geben. Von seinem Bruder erntete er gleichwol schlechten Dank; Sigmund und noch mehr der Vetter, der schlimme Markgraf Jodocus oder Jost von Mähren (s. A. D. B. XIV, 106 ff.) wurden die bösen Geister des Königs und verschuldeten später hauptsächlich seinen Niedergang.

W. bewahrte ähnlich dem Vater, aber nicht mit dessen weitschauendem Blick, eine friedliche Haltung. Mit Frankreich hielt er gute Freundschaft, obgleich dieses Reich eine andere Kirchenpolitik verfolgte. So stellte er sich auch zu den Gegensätzen innerhalb Deutschlands. Ihr hauptsächlicher Grund waren die Städtebündnisse. Die schwäbischen Reichsstädte, Ulm an der Spitze, hatten in der Furcht, die Kosten der Wahl Wenzel’s tragen zu müssen, bald nach ihr einen Bund geschlossen zur Vertheidigung ihrer Freiheit und zur Abwehr ungerechter Beschatzung. Karl hatte diese Einigung nicht unterdrücken können; sie wuchs weiter an Stärke und Zahl der Mitglieder. Ihr trat eine andere am Rhein zur Seite. Im März 1381 verbündeten sich die Städte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau und Weißenburg zu gegenseitiger Hilfe in ihren Kriegen. Sie trieb die Sorge vor den großen Ritterbündnissen, welche sich damals in weitester Ausdehnung bildeten. Schon im Juni desselben Jahres schlossen die beiden Städtebündnisse einen Vertrag miteinander und gelobten sich Beistand gegen Angriff und Raub, auch gegen jeden, der die Städte von ihrem Bunde trennen wollte. In der That brach bald der Krieg mit den Rittern aus, doch Herzog Leopold beschwichtigte ihn durch die sogenannte Ehinger Einigung vom April 1382. Der Oesterreicher spielte auch in diesen Dingen eine gewichtige Rolle, denn sein Streben war darauf gerichtet, in Schwaben die Vorherrschaft zu erlangen.

Auf die Städtebündnisse sahen die Fürsten mit großer und nicht ungerechtfertigter Besorgniß. Sie verlangten vom Könige ihre Auflösung, aber W., in dem Bewußtsein, daß er alsdann einem schweren Kriege entgegenginge, dessen Last er schließlich allein zu tragen gehabt hätte, hatte wenig Neigung zu dem gefährlichen Unternehmen. Doch besaß seine Politik keine Festigkeit; je nach den wechselnden Verhältnissen und dem Einflusse, den einzelne Persönlichkeiten und namentlich Herzog Leopold auf ihn ausübten, war er den Fürsten mehr oder weniger willfährig. Da die Kurfürsten hofften, durch Landfrieden die Städte zu binden und in ihrem Verhalten zu bestimmen, errichtete W. im März 1383 zu Nürnberg einen großen Landfrieden für das ganze Reich und die Dauer von zwölf Jahren, der zwar die Städte nicht grundsätzlich ausschloß, aber ihnen wie ein gegen sie gerichtetes fürstliches Bündniß erschien. Die herrschende Spannung veranlaßte die Erweiterung der Städtebünde; dem schwäbischen traten außer anderen Städten Basel und Nürnberg, letzteres freilich in friedlicher Absicht bei. W., ohnehin verstimmt, weil die Absicht, einen Reichsverweser in deutschen Landen zu erlangen, wieder verlautete, brachte daher im Juli 1384 in der Heidelberger Stallung einen Waffenstillstand zwischen beiden Parteien zustande. Er erkannte zwar die beständig an Mitgliedern zunehmenden Städtebündnisse nicht öffentlich an, aber suchte bereits Verständigung mit ihnen. [729] Das einzige Ergebniß war jedoch eine Ausplünderung der Juden, bei denen der König auch ein freilich nicht allzu großes Geschäft machte.

Während der rheinische Bund über den eigentlichen Zweck, die Vertheidigung gegen kriegerische Angriffe, nicht hinausschreiten wollte und eine sehr vorsichtige, kühne Pläne ablehnende Haltung einnahm, ging der schwäbische entschlossener vor und vereinbarte im Februar 1385 einen Vertrag mit den Schweizern, mit Bern, Solothurn, Zürich, Zug und Luzern: die Länder Schwiz, Uri und Unterwalden nahmen jedoch nicht Theil. Beide Parteien fürchteten den Herzog Leopold, mit dem damals auch der König zerfallen war. Als jedoch im Sommer 1386 die Schweizer mit dem österreichischen Herzog in Kampf geriethen, blieb ihnen allein überlassen, den Streit auszufechten. Sie errangen am 9. Juli 1386 den berühmten Sieg bei Sempach, wo Leopold mit zahlreichen Rittern fiel.

W. gerieth bald nachher in große Aufregung. Einer Aufforderung der Kurfürsten folgend kam er im März 1387 nach Würzburg und gab dort am 21. März den schwäbischen Städten das mündliche Versprechen, ihren Bund nie abzuthun noch zu widerrufen, und sicherte ihnen schriftlich zu, sie mit einander bei sich und dem Reiche zu erhalten und sie gegen alle Beeinträchtiger ihrer Rechte und Freiheiten zu unterstützen. Die Städte gelobten dafür schriftlich, ihm innerhalb Deutschlands beizustehen, wenn sich jemand gegen ihn als römischer König aufwerfen und ihn vom Königreiche drängen wolle. Die vier rheinischen Kurfürsten dagegen verabredeten am 23. April in Oberwesel, nur gemeinsam zu genehmigen, wenn W. das Reich an jemand anders wenden wolle. Wahrscheinlich handelte es sich auch jetzt um die Einsetzung eines Reichsverwesers in Deutschland; die in ihrem Verlaufe ziemlich dunkle Angelegenheit, in die auch die Kirchenfrage hineinspielte, hatte keine Folgen.

Der so lange hingehaltene Krieg kam zum Ausbruch, als die Herzöge Stephan und Friedrich von Baiern im November 1387 den Verbündeten der schwäbischen Städte, Erzbischof Pilgrim von Salzburg, treulos gefangen nahmen. W. sagte zwar den Friedensstörern Krieg an, doch ließ er es bei einem Drohbriefe bewenden und sah unthätig dem Gange der Dinge zu. Nachdem die schwäbischen Städte im Juni 1388 die Niederlage bei Döffingen erlitten hatten, nahmen auch die rheinischen mit größerer Anstrengung am Kampfe theil, so daß nun ganz Süddeutschland in Waffen stand. Auch sie fochten im Felde mit Unglück, die Fürsten dagegen konnten keine Stadt erobern; beide Theile begnügten sich hauptsächlich mit schwerer Verwüstung des offenen Landes. Allmählich wandte sich W. den Fürsten zu. Er heirathete damals, nachdem er vergebens um eine portugiesische Prinzessin geworben hatte, Sophie (in Böhmen auch Euphemie, Offney genannt), die Tochter des Herzogs Johann von Baiern-München, da seine erste Gemahlin 1386 an der Pest gestorben war. W. knüpfte auch mit dem ihm bisher feindlichen Erzbischof Adolf von Mainz an, unter dem Vorwande, dem Throne entsagen zu wollen, vermuthlich, um sich den drohenden Reichsvicariat eines deutschen Fürsten fernzuhalten.

Auf dem Reichstage zu Eger, Anfang Mai 1389, gebot W. allen Reichsstädten, ihre Bündnisse aufzugeben und in den von ihm gleichzeitig verkündigten allgemeinen Landfrieden einzutreten. Die Städte gehorchten, die einen gleich, die anderen zögernd. Der große Kampf, der nicht als ein grundsätzlicher zwischen Bürgerthum und Fürstenschaft zu betrachten ist, sondern sich auf die Reichsstädte beschränkte und mehr aus einzelnen Streitfällen und der allgemeinen feindseligen Stimmung herausgewachsen war, ging damit zu Ende.

Der König kam lange Jahre nicht mehr ins Reich. Ihn übermannten Trägheit und Trunksucht, seine Verwandten boten alles auf, ihm in Böhmen Schwierigkeiten zu machen, um dabei ihren Vortheil zu suchen. W. wurde [730] darüber gereizt und leidenschaftlich; vergaß er sich doch soweit, daß er 1393 bei Gelegenheit eines schweren Streites mit dem Prager Erzbischof Johann von Jenzenstein (s. A. D. B. XIV, 321) den Generalvicar Pomuk grausam foltern und den Halbtodten in die Moldau stürzen ließ. Schließlich kam es dahin, daß Markgraf Jost und die mit ihm verschworenen böhmischen Barone W. am 8. Mai 1394 in Beraun gefangen nahmen und später in Haft nach dem österreichischen Schlosse Wildberg bei Linz brachten. Das war den Deutschen zu arg; Pfalzgraf Ruprecht II. bewirkte als Reichsverweser die Freilassung des Königs. In Böhmen dauerten die Unruhen weiter; der jüngste Bruder des Königs, Herzog Johann von Görlitz (s. A. D. B. XIV, 216), starb darüber und erst Sigmund von Ungarn, dann, als dieser gegen die Türken zu Felde zog, Jost von Mähren rissen die führende Stelle an sich. Schließlich richteten die Kurfürsten im October 1395 an W. die Aufforderung, endlich ins Reich zu kommen, „sonst würden sie gedenken, was sie dazu zu thun hätten“. Als W. nicht erschien, hielten sie im Mai 1397 eine Reichsversammlung in Frankfurt ab und erreichten damit thatsächlich, daß W. sich nunmehr aufmachte, um die Einsetzung eines Reichsvicars gegen seinen Willen zu hintertreiben.

Nachdem am Prager Hofe eine blutige Tragödie, der vier königliche Räthe zum Opfer fielen, vorangegangen war, erschien W. im September 1397 in Nürnberg und zog dann Ende des Jahres zu den Kurfürsten nach Frankfurt. Zahlreiche Beschwerden wurden gegen ihn erhoben, unter ihnen besonders lebhaft die um Mailands willen. W. hatte nämlich 1395 den dortigen Gewalthaber, Giovanni Galeazzo, vom Reichsvicar zum Herzoge erhoben. Die Florentiner, die Todfeinde des Visconti, arbeiteten daher in Deutschland gegen W.; seine Handlungsweise galt als eine Entgliederung und Beraubung des Reiches. Auch Unthätigkeit in der großen Kirchenfrage, Versäumniß der Reichsinteressen in mancherlei Beziehungen wurden W. vorgeworfen. Er half sich durch, so gut er konnte, und zog dann nach Reims zu einer Zusammenkunft mit dem französischen Könige Karl VI., um über die Kirchensache zu verhandeln.

Die Unfähigkeit des Königs trat grell zu Tage; Freunde im Reiche hatte er nicht, und so war es nicht zu verwundern, wenn endlich der Gedanke, seinem schmählichen Regimente durch Absetzung ein Ende zu machen, als einzig mögliche Ausflucht aus der Zerrüttung erschien. Insbesondere der neue durchtriebene Erzbischof von Mainz, Johann, griff ihn auf, freilich mehr in seinem eigenen Interesse, als in dem des Reiches. Er war eng verbündet mit dem Pfalzgrafen Ruprecht III., bei dem neben persönlichem Ehrgeiz auch redlicher Wille für den allgemeinen Nutzen obwaltete. Immerhin ging es langsam genug, ehe der Entschluß, der zuerst zu Boppard im April 1399 festere Gestalt gewann, zur That wurde, und Erzbischof Johann hatte viel zu thun, um noch andere Fürsten heranzuziehen. Allmählich wurden die fünf Kurfürsten, die in Betracht kommen konnten, gewonnen, dagegen machte die Frage, wer zum neuen Könige gewählt werden sollte, große Schwierigkeiten. Auf dem Tage, der Ende Mai 1400 zu Frankfurt zusammentrat, zogen sich der Kurfürst von Sachsen und die Braunschweiger von der Verschwörung zurück, wahrscheinlich, weil sie nicht den Pfalzgrafen zum Könige wollten; auf der Heimreise wurde Herzog Friedrich von Braunschweig von dem Waldecker Grafen Heinrich überfallen und erschlagen, ein Vorfall, der größtes Aufsehen machte und dem Mainzer Erzbischofe die übelste Nachrede eintrug. Die vier rheinischen Kurfürsten erließen an König W. die Mahnung, auf den 11. August nach Oberlahnstein zu kommen und dort die Gebrechen des Reiches abzustellen, widrigenfalls sie sich der geleisteten Eide für entbunden betrachten würden. Natürlich erschien W. nicht und so wurde er am 20. August vor den Thoren von Lahnstein als „unnützlich, träg und für das [731] römische Reich durchaus ungeschickt“ als abgesetzt erklärt; am folgenden Tage wählten die Kurfürsten auf dem Königsstuhl zu Rense den Pfalzgrafen Ruprecht zum Könige.

W. kam in seiner Erbärmlichkeit nicht dazu, den Gegner zu bekämpfen, und zerfiel auch vollends mit Sigmund, der die Nothlage des Bruders ausbeuten wollte. Hauptsächlich dieser Schwäche und Uneinigkeit der gesamten luxemburgischen Familie hatte es Ruprecht zu verdanken, wenn er sich nicht nur behaupten, sondern auch größeren Anhang erwerben konnte, obgleich der Osten des Reiches weiter W. als König anerkannte. Ruprecht durfte sogar eine Zeitlang hoffen, mit W. eine friedliche Auseinandersetzung zu finden. Sie kam jedoch nicht zustande, denn W. trat wieder eng zu Sigmund, der für sich den Reichsvicariat, für W. noch jetzt die Kaiserkrone zu erreichen gedachte. Aber der Ungarnkönig nahm 1402 W. in Haft und übergab ihn dem österreichischen Herzoge Wilhelm, worauf Jost wieder seine listigen Pläne schmiedete, sich zum Herrn der Lage zu machen. Sigmund nöthigte indessen W., die Regierung Böhmens völlig abzutreten, und raubte dessen Schatz, bis ihn Unruhen in Ungarn nöthigten, dort zum Rechten zu sehen, und die wandelbaren Oesterreicher im November 1403 W. aus Wien entweichen ließen. Es gelang ihm nun, in den nächsten Jahren seine Herrschaft in Böhmen wiederherzustellen und mit seinen Widersachern Frieden zu schließen.

Erst als durch den Abfall der beiden Kardinalcollegien von ihren Päpsten Gregor XII. und Benedict XIII. die Kirchensache ein ganz neues Wesen annahm, trat W. wieder bedeutsamer hervor. Er schlug sich im Gegensatz zu König Ruprecht auf die Seite der Kardinäle und erklärte sich zur Beschickung des nach Pisa berufenen Concils bereit. Aus dieser Wendung ergab sich großes Unheil für die Prager Universität. W. war ganz zum Böhmen geworden und den Deutschen abgeneigt. Da die deutschen Professoren gegen das Concil waren, gab W. den Vorstellungen der böhmischen Partei nach und veränderte im Januar 1409 mit einem Schlage die Verfassung der Universität zu jener Gunsten derartig, daß die deutschen Lehrer und Studenten Prag verließen. W. hatte dann die Genugthuung, daß das Pisaner Concil ihn als rechtmäßigen römischen König anerkannte. Der Tod Ruprecht’s am 18. Mai 1410 erweckte in ihm die eitle Hoffnung, wieder allgemeiner König zu werden, doch ließ er schließlich seine Abgesandten bei der Wahl in Frankfurt am 1. October für Jost stimmen, da die andere Partei der Kurfürsten vorher Sigmund auf den Schild erhoben hatte. Bald wurde er wieder wankend und trat als römischer König auf. Erst nachdem Jost am 18. Januar 1411 gestorben war, verglich sich W. mit Sigmund, der ihm die kaiserliche Würde versprach, und gab dem Bruder am 17. Juli 1411 seine Stimme. Den Titel eines römischen Königs behielt er bei. Für das Reich hatte W. fortan keine Bedeutung mehr.

Mittlerweile hatte der bei Hofe wohlgelittene Universitätsprofessor Johannes Hus seine Predigten gegen die entartete Kirche begonnen und zugleich die meisten Sätze des Oxforder Gelehrten John Wiclif zu seinen eigenen gemacht. Die steigende Aufregung in Prag und der üble Ruf, in den Böhmen dadurch kam, beunruhigten W., so daß er Hus aufforderte, er möge die Stadt für einige Zeit verlassen. Daher war W. ganz einverstanden, als Sigmund Hus auf das Concil nach Konstanz einlud. Er hat dann nichts gethan, um den Magister aus dem Gefängniß zu befreien und vom Tode zu retten. Als die Böhmen im wilden Zorn über die Verbrennung ihres geliebten Landsmannes die Geistlichkeit antasteten und feierliche Proteste erließen, schwankte W. furchtsam hin und her, und nur seinem Bruder Sigmund hatte er es zu verdanken, daß das Concil nicht gegen ihn einschritt. Da der Aufruhr stieg, drängte Sigmund W. zu scharfen [732] Maßregeln gegen die Husiten. Dadurch wurde nur Oel ins Feuer gegossen. Die Husiten, gereizt durch die Verhöhnung eines feierlichen Aufzuges, stürmten das Rathaus der Neustadt Prag und warfen sieben Ratsherren zum Fenster hinaus unter die tobende Menge. Die furchtbare Erregung zog W. einen Schlaganfall zu, dem er am 16. August 1419 erlag. Da er keine Kinder hinterließ, wurde Sigmund sein Erbe.

Der schlechte Ruf, in den W. frühzeitig gerieth, war leider nur zu wohl begründet, obgleich viele der schlimmen Geschichten, die von ihm erzählt werden, auf Erfindung oder Sage beruhen. Ein Bösewicht war W. nicht, aber träg, trunksüchtig, jähzornig, unselbständig und deshalb unvermögend, eine stetige Regierung zu führen. Das von seinem Vater Karl begonnene Werk hat er nach allen Seiten hin zu Grunde gerichtet.

F. M. Pelzel, Lebensgeschichte des Königs Wenceslaus. Zwei Bände. Prag 1788/90. – Th. Lindner, Geschichte des deutschen Reiches unter König W., 2 Bde., Braunschweig 1875–1880; Das Urkundenwesen Karl’s IV. und seiner Nachfolger, Stuttgart 1882; Deutsche Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern II, Stuttgart 1893. – Fr. Palacky, Geschichte von Böhmen III, IV. – Jul. v. Schlosser, Die Bilderhandschriften Königs W. (im Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Wien 1893. XIV, vgl. auch XV: Die Elfenbeinsättel). – A. Vahlen, Der deutsche Reichstag unter König W. Leipzig 1892. – W. Vischer, Geschichte des Schwäbischen Städtebundes (in Forschungen zur deutschen Gesch. II. vgl. III., XV, XIX). – E. Ebrard, Der erste Annäherungsversuch König Wenzel’s an den Schwäbisch-Rheinischen Städtebund. Straßburg 1877. – C. Wutke, Beiträge zur Gesch. des großen Städtebundkrieges (in Mittheil. Salzburg. Landeskunde XXVIII). – G. Tobler, Die Beziehungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu den deutschen Reichsstädten 1385–1389. Zürich 1879. – L. Quidde, Der Schwäbisch-Rheinische Städtebund 1384. Stuttgart 1884. – P. Eschbach, Die kirchliche Frage 1378–1380. Gotha 1887. – Kneebusch, Die Politik König Wenzel’s – 1379. Dortmund 1889. – K. Wenck, Die Wettiner im 14. Jahrh., insbes. Markgraf Wilhelm u. König Wenzel. Leipzig 1877. – H. Mau, König Wenzel und die Rheinischen Kurfürsten. Rostock 1887. – A. Leroux, Nouv. recherches – sur les relations politiques de la France avec l’Allemagne 1378–1461. Paris 1882. – N. Valois, Le grand schisme en Allemagne 1378–1380 (in Röm. Quartalschr. VII). – Moranville, Relations de Charles VI. avec l’Allemagne 1400 (in Bibl. de l’école des chartes XLVII). – H. Haupt, Das Schisma – in seiner Einwirkung auf die oberrheinischen Landschaften (in Ztschr. – Oberrhein XLV). – Erler, Das Gutachten des Pfalzgr. Ruprecht – 1398 (in Zeitschr. Oberrhein N. F. X.). – J. Weizsäcker, Die Vorgeschichte der Revolution 1400 (in Deutsche Ztschr. für Geschichtswissenschaft VII); der Pfalzgraf als Richter, Göttingen 1886; Rense als Wahlort, Berlin 1891. – Lindner, Ueber die bei der Absetzung Wenzel’s gelesenen Artikel (in Mittheil. österr. Inst. VII); – M. G. Schmidt, Die staatsrechtliche Anwendung der Goldenen Bulle. Halle 1894. – Deutsche Reichstagsacten, hrsg. von Jul. Weizsäcker, I–III. – Fr. Palacky, Ueber Formelbücher. Prag 1843/48 – J. Loserth, Beiträge zur Husitischen Bewegung I–V (in Archiv für Oesterreich. Gesch. LV, LVII, LX, LXXV, LXXXII); Urkunden und Tractate betr. die Verbreitung des Wiclifismus in Böhmen (in Mitth. – Gesch. der Deutschen in Böhmen XXV).