Zum Inhalt springen

ADB:Vischer, Wilhelm (Historiker)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Vischer, Wilhelm der Jüngere“ von August Bernoulli in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 70–71, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vischer,_Wilhelm_(Historiker)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Visscher, Jan de
Band 40 (1896), S. 70–71 (Quelle).
Wilhelm Vischer bei Wikisource
Wilhelm Vischer (Historiker) in der Wikipedia
Wilhelm Vischer in Wikidata
GND-Nummer 117436828
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|40|70|71|Vischer, Wilhelm der Jüngere|August Bernoulli|ADB:Vischer, Wilhelm (Historiker)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117436828}}    

Vischer: Wilhelm[WS 1] V. der Jüngere, Historiker, geboren am 4. August 1833, † am 30. März 1886, war des ältern W. Vischer Sohn. Nachdem er in Basel, Bonn und Berlin studirt, und bereits den Doctorgrad erlangt hatte, zog V. 1856 noch für einige Zeit nach Göttingen, zu Georg Waitz, von dem er für sein ganzes Leben bleibende Anregungen empfing. Nach Basel zurückgekehrt, wo er sich als Privatdocent habilitirte und zugleich als Bibliotheksecretär thätig war, zog es ihn bald neuerdings nach Göttingen, und dort setzte er seine Docentenlaufbahn fort, bis er 1866 als a. o. Professor und Oberbibliothekar wieder nach Basel berufen wurde. Hier nahm ihn vorzugsweise das letztere Amt in Anspruch; denn es handelte sich vor allem um eine durchgreifende Reorganisation der Universitätsbibliothek. Nachdem aber diese schwierige Aufgabe in der Hauptsache gelöst war, trat V. 1871 von der Bibliothek zurück, um sich desto mehr der Geschichtsforschung widmen zu können. Schon 1862, während seines Göttinger Aufenthalts, war in den „Forschungen zur deutschen Geschichte“ seine „Geschichte des schwäbischen Städtebundes“ erschienen, und 1867 folgte als selbständiges Werk „Die Sage von der Befreiung der Waldstädte“. Die altes Streitfrage, in wie weit dieser Sage geschichtliche Thatsachen zu Grunde liegen, wird in dieser Schrift nirgends zu entscheiden versucht. Wol aber weist V. an der Hand der sorgfältig von ihm gesammelten Quellen nach, wie die Sage im Laufe der Zeit sich entwickelte, und damit hat er für jeden Forscher, der sich mit der genannten Frage befassen will, eine sichere und bleibende Grundlage geschaffen. Dieses Buch fand denn auch sofort seine volle Anerkennung, und in der „Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz“ nahm der Verfasser bald eine sehr geachtete Stellung ein, die ihm bis zu seinem Tode verblieb. In gleicher Weise widmete sich V. auch der Historischen Gesellschaft seiner Vaterstadt, die er lange Jahre hindurch als Präsident leitete. Wiewol er bei jeder Unternehmung dieser Gesellschaft nicht nur anregend, sondern meist auch selbstthätig mitwirkte, so ist hier doch vor allem das bändereiche Werk der „Basler Chroniken“ zu nennen, dessen eigentlicher Begründer und Leiter er war, und [71] dessen drei erste Bände zum größten Theil von ihm selber bearbeitet sind. Hatte er bei dieser Arbeit reichliche Gelegenheit, seine Treue auch im Kleinen und Kleinsten zu bewähren, so verlor er darüber die allgemeinen und höchsten Ziele der Geschichtswissenschaft doch nie aus den Augen. Davon zeugt namentlich seine Rede „Ueber die Grenzen des historischen Wissens“, welche er 1877 als Rector der Universität hielt, nachdem er schon 1874 zum ordentlichen Professor war befördert worden. Diese tief durchdachte Rede, welche nachher in den „Preußischen Jahrbüchern“ erschien, gehört wol zum Besten, was über die Grundsätze historischer Forschung je ist gesagt worden. Seine wissenschaftliche Höhe hinderte ihn jedoch keineswegs, die Schätze seines Wissens auch den weitesten Kreisen zugänglich zu machen, indem er mehrere „Basler Neujahrsblätter“ mit populären Darstellungen aus der Schweizergeschichte schrieb. Auch seine sonstigen Schriften, die wir nicht alle hier aufzählen können, lassen es nur bedauern, daß er zu noch ausgedehnterer litterarischer Thätigkeit die nöthige Muße nicht fand. Jedoch V. war eben nicht nur ein vorzüglicher Gelehrter, sondern vor allem ein musterhafter Bürger, dem die Pflichten gegen das Vaterland und die Vaterstadt noch höher standen als seine Wissenschaft, und der deshalb jederzeit mitwirkte, so oft es galt, verderbliche Strömungen zu bekämpfen. Er war ein entschiedener Gegner der herrschenden radicalen Richtung, welche namentlich seit der Verfassungsrevision von 1874 sich in der eidgenössischen Gesetzgebung immer fühlbarer machte, und deshalb wurde er 1875 einer der Begründer des „Eidgenössischen Vereins“, welcher für die Conservativen der protestantischen Schweiz einen Mittelpunkt bilden sollte, und dem er später bis zu seinem Tode als Präsident vorstand. Ebenso hatte er einen hervorragenden Antheil an der Gründung der „Allgemeinen Schweizerzeitung“. Noch in höherem Maße, als die eidgenössischen Angelegenheiten nahmen ihn jedoch die gleichzeitigen Parteikämpfe in Basel in Anspruch, wo gerade damals, infolge der Reformbewegung, zu den politischen Gegensätzen noch die kirchlichen sich gesellten. Schon 1874 in den Großen Rath (gesetzgebende Behörde) und auch in den Kirchenrath gewählt, vertrat er jederzeit, so oft es Noth that, der radicalen und reformerischen Mehrheit gegenüber mit mannhaftem Muthe seine Ueberzeugung. Ein bleibender Sieg war bei den gegebenen Verhältnissen für seine Anschauungen kaum zu hoffen, und er selber verhehlte sich das auch keineswegs. Jedoch hielt er es für seine Pflicht, im Kampfe auszuharren und so seine beste Zeit und Kraft dem Gemeinwohl zu opfern. Dieser hingebenden Pflichttreue in den öffentlichen Angelegenheiten entsprach auch sein ganzes sonstiges Thun und Lassen. Strenge mit sich selber, war er milde und schonend im Urtheil über Andere, und auch dem Gegner war er jederzeit bemüht, gerecht zu werden und das Gute an ihm anzuerkennen. Sein Benehmen gegen Hohe und Niedere trug das Gepräge schlichter Humanität und von den reichlichen Mitteln, über die er verfügte, machte er den edelsten Gebrauch. Von allem luxuriösen Prunke sich fern haltend, hatte er für wohlthätige und gemeinnützige Zwecke jeder Art stets eine offene Hand, so daß z. B. die Basler Universität ihn zu ihren größten Donatoren zählt. Mit einem Worte: V. war nicht nur hervorragend durch seine Leistungen in Wissenschaft und Politik, sondern eben so sehr durch seinen edlen, von ächt christlichem Geiste getragenen Charakter.

Vgl. Achilles Burckhardt, Worte der Erinnerung an W. Vischer, in den Basler Beiträgen zur Vaterl. Geschichte, Bd. XII, wo auch ein vollständiges Verzeichniß von Vischer’s Schriften.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wihelm