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ADB:Weigand

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Artikel „Weigand“ von Friedrich Leitschuh in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 442–445, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weigand&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:55 Uhr UTC)
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Wigand: W. (Weigand) von Redwitz, Bischof von Bamberg, geboren 1476, † am 20. Mai 1556. Die Erziehung Wigand’s bewegte sich in den in adeligen Familien jener Zeit üblichen Bahnen. Seine ausgesprochene [443] Frömmigkeit fand in einer Wallfahrt nach Jerusalem verheißungsvollen Ausdruck; auch sonst äußerte W., der seit 1490 Domherr war, deutlich das Bestreben, sich durch streng conservative Haltung in kirchlichen Fragen hervorzuthun. Als er am 18. Juni 1522 als Bischof von Bamberg erwählt wurde, hoffte man in ihm vor allem einen Charakter zu erküren, der der neuen reformatorischen Strömung, die im Hochstifte Bamberg bis jetzt ohne ernstlichen Widerstand geblieben war, ein entschiedenes Halt gebieten würde. Man verlangte nach einem Manne, der weniger Schöngeist und weniger Humanistenfreund sei, als dies Georg von Limpurg war, dafür aber um so entschiedener zur alten Kirche stehe. W. wurde denn auch von Papst Adrian VI. am 7. Januar 1523 als Bischof bestätigt und von Karl V. mit den Regalien belehnt. Seine ersten Regierungsjahre werden aber ohne Zweifel die Erwartungen, welche die Partei, die ihn erwählt hatte, in ihn setzte, enttäuscht haben. Der Abfall von der alten Kirche nahm unter dem neuen Fürstbischof bedenkliche Dimensionen an, ohne daß auch nur der Versuch der Bekämpfung der „eingedrungenen Wölfe“ unternommen worden wäre. Man ist heute geneigt, den Einfluß J. v. Schwarzenberg’s (s. A. D. B. XXXIII, 305) verantwortlich zu machen für die Lethargie, die erschlaffte Thatkraft Wigand’s. Auf dem Reichstage in Nürnberg 1523 nahm Bamberg noch keineswegs eine Haltung ein, die eine Bekämpfung der Lehre Luther’s bedeutet hätte, ja es genehmigte die 100 Beschwerden, centum gravamina Nationis Germaniae, in welchen die Reichsversammlung ihrem bedrängten Herzen gegenüber dem päpstlichen Stuhle Luft machte. Und noch länger herrschte in Bamberg eine Gewissensfreiheit, wie sie in den angrenzenden Gebieten längst entschwunden war. Selbst das päpstliche Breve vom 7. Januar 1523 war nicht im Stande, die lutherischen Anhänger unter der Geistlichkeit zu bekehren; des Bischofs Hofkaplan, Ulrich Burkard, sprach sich in demselben Jahre in einer kleinen Druckschrift für die neue Lehre öffentlich aus. Was bedeuteten demgegenüber die Mandate, welche der Fürstbischof 1523 „der neuen Lere halb“, 1524 „den Predigern auf der Kanzel nicht einzureden“, und „etlicher gedicht und lieder halben“ erließ! Mit der Umwälzung auf kirchlichem Gebiete ging auch das Streben, in nationalpolitischer und socialer Beziehung andere Zustände zu schaffen, Hand in Hand. Zuerst brach der Aufruhr in Forchheim aus, und eine gefahrdrohende Gährung zeigte sich alsbald in verschiedenen Gegenden des Hochstifts. Erst jetzt raffte sich W. zu energischerem Einschreiten auf. Unterm 11. Juni 1524 ordnete er in einem gedruckten Ausschreiben die strengste Beobachtung des Wormser Edicts von 1521 bezüglich der neuen Lehre und der Buchdruckereien an, und in demselben Monat sandte er den Weihbischof Andreas Hanlin zum Convent nach Regensburg, auf welchem die Maßregeln zur Aufrechterhaltung des katholischen Glaubens berathen werden sollten. Als aber W. im Vollzug eines von Vertretern einiger Fürsten des fränkischen Kreises gefaßten Beschlusses seine Landsassen aufbieten wollte, da brach im Hochstift die Städter- und Bauernrevolution aus. Auf das bloße Gerücht hin, daß die Ritter mit ihren Knechten am 11. April 1525 in Bamberg erscheinen würden, rotteten sich die zur Empörung geneigten Bürger zusammen und beschlossen, den Rittern den Einzug in die Stadt zu verwehren und sonstige Vorkehrungen zu treffen. Bischof W. wurde nun von Seite des Rathes der Stadt ersucht, den Aufruhr zu stillen, und trat auch durch seine Räthe in Unterhandlungen mit den Aufrührern, die aber in ihrem Verlangen immer kecker wurden, so daß die fürstbischöflichen Räthe unverrichteter Sache heimkehren mußten. W. hielt es unter solchen Umständen für das Gerathenste, sich auf die zwar feste, aber schwach besetzte Altenburg zurückzuziehen. Inzwischen hatte der Haufen der Rebellen noch Zuwachs erhalten durch die aus Flecken und Dörfern herbeiströmenden [444] Bewaffneten; ein aus Städtern und Landleuten gebildeter Ausschuß richtete jetzt an den Bischof die Aufforderung, unter sicherem Geleit in die Stadt zu kommen. W. erfüllte dieses Begehren, vermochte aber die Forderungen der ungemein anspruchsvoll auftretenden Bewaffneten nicht zu befriedigen. Die wiederholt ausgesprochene Bitte war vor allem die: er möge hinfort ihr alleiniger Herr sein und alle Güter der Geistlichkeit und des Adels in seine Hand nehmen, weil nur auf diese Weise der gemeine Mann zu beruhigen sei. Als W. die Erfüllung dieser Bitte nicht zusicherte, schwebte er wol einen Augenblick in Lebensgefahr, aber die Besonneneren wußten doch dafür zu sorgen, daß der Bischof unverletzt wieder auf seine Altenburg zurückkam. Die Wuth des Volkes richtete sich nun gegen die Domherrnhöfe und gegen die Klöster, in welchen übel gehaust wurde. Am Charsamstag aber gelang es, einen urkundlich ausgefertigten Vertrag zu Stande zu bringen, der dem Hochstift wieder Frieden zu bringen schien. Zur Beseitigung der von den Unterthanen vorgebrachten Beschwerden sollte ein Ausschuß gebildet werden, zu welchem Rath, Gemeinde und Muntäten der Stadt Bamberg drei, die Landschaft sechs und der Fürstbischof neun Vertreter zu entsenden hatte. Mit Wissen Wigand’s wurden in diesen Ausschußverhandlungen Beschlüsse gefaßt, welche u. A. die „freie Predigt des Wortes Gottes“ gewährleisteten, aber sie kamen gar nicht zu einem vertragsmäßigen Abschluß, denn es brach nun aufs neue die Empörung im Hochstift aus und zwar in weitaus bedrohlicherer Weise. Die Dörfer in der Umgebung Bambergs, wie Hallstadt, waren der Sitz der aufrührerischen Bewegung. Innerhalb zehn Tagen wurden die meisten festen Rittersitze im Hochstifte von den Bauern ausgeplündert und ausgebrannt; 73 Schlösser fielen insgesammt der Zerstörung anheim, und auch in den Klöstern feierte die blinde Zerstörungswuth der Rebellen ihre Orgien. Bürgermeister und Rath zu Nürnberg boten nun der Stadt Bamberg ihre Vermittelung an, und der Fürsibischof verhielt sich, obgleich ihm offenbar das Vertrauen auf einen günstigen Erfolg der Verhandlungen fehlte, wenigstens nicht ablehnend, sondern bedingungsweise zustimmend. Aber das siegreiche Vordringen des Bundesfeldherrn, Georg Truchseß von Waldburg, trug die Schuld, daß nur ein vorläufiger Vergleich zu Stande kam, der im wesentlichen in der Bewilligung eines Waffenstillstandes von Seite der Bauernschaft gipfelte. War nun auch die darauf bezügliche Vertragsurkunde, weil das Capitel und die Ritterschaft nicht dabei mitgewirkt, eine mangelhafte, so läßt sich doch damit der Vertragsbruch nicht entschuldigen, dessen sich W. offenbar dadurch schuldig machte, daß er die Hülfe des schwäbischen Bundes verlangte. Die Stadt Bamberg mußte sich in des Bunds und auch des Fürstbischofs „Gnaden und ungnad“ ergeben, als der Bundesoberst in die Stadt einritt; sie mußte sich zu einer Reihe von Artikeln durch eidlich bekräftigten Vertrag verpflichten – aber damit nicht genug, wurden auch 8–12 der Rebellen (die Angaben schwanken) auf dem Marktplatze enthauptet. Ferner sollen neun der reichsten und angesehensten Bürger festgenommen und deren eingezogene Güter an fünf Günstlinge aus der Umgebung des Truchseß vertheilt worden sein. Nach Abzug des bündischen Heeres begab sich W. nach Forchheim, um die Angelegenheiten bezüglich des Schadenersatzes, den die Landschaft der Ritterschaft zu leisten hatte, zu ordnen. Auf seiner Reise durch die Landschaft ließ W. noch verschiedene Urtheile vollziehen, im großen und ganzen aber ging er auf dem Lande schonend und menschlich zu Werke. Die Revolution hatte ihn aber zum entschiedensten Bekämpfer der reformatorischen Strömung gemacht, weil er in ihr die einzige Ursache des Aufstandes erblickte. Es vollzogen sich nun am Hofe sehr wesentliche Veränderungen; die zur neuen Lehre Hinneigenden wurden entfernt und durch glaubenstreue Männer ersetzt; Joh. v. Schwarzenberg war bereits in [445] die Dienste des Markgrafen Kasimir von Ansbach-Kulmbach getreten. Es läßt sich nicht leugnen, daß Bischof W. gleichzeitig von dem ehrlichsten Bestreben erfüllt war, eine strammere Zucht in seiner Geistlichkeit herbeizuführen, daß er die hauptsächlichsten Schäden erkannte und auf Heilmittel sann. Aber die Zeitverhältnisse ließen ihn zu keiner Ruhe kommen, und die Erregtheit, die sich durch seine Regierungszeit zieht, läßt auch manchen groben Mißgriff verzeihlicher erscheinen. Abgesehen von dem widrigen Handel, in den W. 1528 mit dem Landgrafen Philipp von Hessen verwickelt wurde (s. A. D. B. XXV, 770), ist es der Markgräflerkrieg, der dem Bischof großes Ungemach bereitete. Die sich allmählich herausbildende Uebermacht der protestantischen Stände und Reichsritter, der W. rathlos gegenüber stand, fand in den Schwierigkeiten, welche ihm die Markgrafen Georg und Albrecht Alcibiades bezüglich der Abtei Kitzingen und verschiedener Rechte in Velden und Schornweisach bereiteten, bereits einen schroffen Ausklang. Doch war das ja nur ein Vorspiel für größere Ereignisse. Als Markgraf Albrecht 1552 seine Feindseligkeiten gegen W. in kriegerische Form kleidete und einen Reiterhaufen in das Bambergische Gebiet schickte, wurde der Bischof von einem solchen Schrecken ergriffen, daß er die maßlosen Forderungen des Markgrafen ohne den Versuch eines Widerstandes erfüllte. Mehr als die Hälfte des Gebietes des Fürstbisthums Bamberg mußte nun an Brandenburg-Kulmbach abgetreten werden. Außerdem mußte der Fürstbischof 50 000 Gulden sofort und 30 000 Gulden später an die Gläubiger des Markgrafen zahlen. Zwar erklärte der Kaiser diesen Bamberg abgepreßten Vertrag für nichtig und befahl den fürstlichen Kreisständen, ein Bündniß zu Schutz und Trutz gegen den Markgrafen zu schließen, aber diese Nichtigkeitserklärung wurde später, als Albrecht für das kaiserliche Belagerungsheer gewonnen werden sollte, widerrufen. Zur Aufrechterhaltung der Verträge forderte Albrecht seinen Parteigänger Landgraf Georg von Leuchtenberg auf, mit einem Heerhaufen in das Bambergische Gebiet einzufallen. Das Reichskammergericht, welches W. anrief, gebot zwar solchen friedensbrecherischen Einfällen Halt, aber der Markgraf ließ sich dadurch nicht beirren. Und als der Kaiser selbst die frühere Nichtigkeitserklärung von neuem aussprach, brach der sog. Markgräflerkrieg aus. Albrecht besetzte einen Theil des Hochstifts und nahm ohne Gegenwehr die Stadt Bamberg ein. W. flüchtete mit seinem Capitel nach Forchheim, während Albrecht die Altenburg verwüstete und sengend und brennend durch das bambergische Gebiet zog. Doch bald genug sollte Albrecht seine unheilvolle Rolle ausspielen. W. sollte noch die Besiegung seines schlimmsten Feindes und den Augsburger Religionsfriedensschluß erleben. Wegen seiner Altersschwäche war W. in den beiden letzten Jahren seines Lebens ein Coadjutor beigegeben. Das nach Wigand’s Tode von seinem Nachfolger ihm errichtete Marmordenkmal (früher im Dom, jetzt in der Kirche St. Michael) rühmt ihn als „einen frommen, klugen, sittenreinen Mann“. Und in der That ist damit kein Wort zu viel gesagt! Die Regierungszeit Wigand’s ist, wie bemerkt, eine unheilvolle für das Hochstift, aber die Persönlichkeit des Regenten steht doch, inmitten der schlimmsten Wirren, im wesentlichen makellos da. Auch eine stärkere Hand als die des W. v. Redwitz wäre machtlos gewesen gegenüber den stürmischen Zeitverhältnissen.