ADB:Weichert, Jonathan August
Lobeck’s Einfluß wendete er sich bald ausschließlich der classischen Philologie und der Vorbereitung für das höhere Schulamt zu, wurde auf die Empfehlung seines Lehrers und Gönners hin, der zugleich Rector der lateinischen Schule war, 1809 Conrector an dieser Anstalt und, als Jener sein Amt niederlegte, dessen Nachfolger. Wie sein Vorgänger suchte er durch persönliche Anregung und Nachhülfe auch außerhalb der Schulzeit die Schüler für die classischen Studien zu begeistern und führte sie so weit, daß er mit ihnen Homer lesen konnte, was längere Zeit in Wittenberg nicht möglich gewesen war. Als die Drangsale der Freiheitskriege hereinbrachen und namentlich die Belagerung der von den Franzosen besetzten Stadt über Wittenberg eine schwere Zeit heraufführte, wurde das Schulhaus von den französischen Behörden behufs Bewahrung preußischer Kriegsgefangener mit Beschlag belegt und die Schüler blieben weg. W. ging nach Beucha bei Leipzig, wurde 1814 zum sechsten Professor an die Meißner Landesschule berufen und 1819 als Rector adjunctus des alternden Sturz an die Landesschule zu Grimma versetzt, wo er die Rectoratsgeschäfte, die Wochenaufsicht und die Emendation in Prima übernahm. Er trat in schwierige Verhältnisse ein, aber die vorgesetzte Behörde hatte ihm bei seiner Berufung erklärt, daß sie ihm die nöthige Kraft, Einsicht, Gewandtheit und Festigkeit zutraue. Namentlich galt es, die durch die Berufung des 31jährigen Mannes verstimmten älteren Lehrer zu versöhnen und für eine strengere Auffassung des Unterrichtsbetriebes und der Disciplin zu gewinnen. Dazu hatte der in Angriff genommene Umbau der Anstalt mancherlei Unbequemlichkeiten und Hindernisse im Gefolge. W. wußte sie durch seine Thatkraft, seinen Eifer, seine Umsicht und seinen praktischen Blick zu überwinden. Der von ihm 1820 entworfene Organisationsplan wurde die Grundlage für den Schulbetrieb in den nächsten Jahrzehnten. Die Schüler verstand er für das von ihm hoch verehrte classische Alterthum zu begeistern und mit Ehrfurcht vor ihrem Rector, dem diese Würde 1823 in voller Ausdehnung übertragen worden war, zu erfüllen, um so mehr, als er den Grundsatz verfolgte, daß auf pädagogischem Wege gewöhnlich [443] mehr ausgerichtet werde, als durch disciplinarische Strafen. Auch suchte er tüchtige Lehrer heranzuziehen und festzuhalten. Im Zusammenhange damit standen seine Bemühungen für Erweiterung und bessere Dotirung der Lehrerstellen, wie er auch der Verwaltung des Schulvermögens seine besondere Sorgfalt zuwendete. Bei den vorgesetzten Behörden genoß er das größte Vertrauen, weshalb er als einer der ersten unter den sächsischen Schulmännern 1838 zum Ritter des Civilverdienstordens ernannt wurde. Seine Verwaltung war mustergültig, seine Erziehungsweise in sich geschlossen, sein Unterrichtsbetrieb von großem Erfolge begleitet, so lange die auf den sächsischen Fürstenschulen seit Jahrhunderten vertretenen Grundsätze ihre Herrschaft behaupteten. Mit strenger Beharrlichkeit hielt er an der Ueberlieferung fest, und so ist er geradezu als der letzte Vertreter der Anschauungen eines alten Fürstenschulrectors bezeichnet worden. Als aber die Forderungen einer neuen Zeit an die Thore der sächsischen Fürstenschulen anklopften und er sich zu denselben in einen, vielleicht durch seine Kränklichkeit noch gesteigerten Widerspruch setzen zu müssen glaubte, da ließ die Leitung die frühere Sicherheit und Einheitlichkeit vermissen. Die Abnahme seiner Körper- und Geisteskräfte veranlaßte ihn, um seine Versetzung in den Ruhestand einzukommen. Die Bitte wurde ihm unter ehrender Anerkennung seiner Verdienste Ende 1842 gewährt. Er starb am 23. Juli 1844. Seine Schüler ehrten sein Andenken, indem sie sein Grab mit einem Denkstein schmückten. – Seine wissenschaftlichen Arbeiten erfreuten sich bei seinen Zeitgenossen wegen des fließenden Lateins, der Quellenkenntniß und der gesunden Kritik großen Ansehens. Der größere Theil beschäftigt sich mit lateinischer Litteraturgeschichte, andere haben die Bedürfnisse des Unterrichts im Auge. Von seinen Beiträgen zur sächsischen Schulgeschichte sei die Rede „De antiqua scholarum provincialium disciplina“ (Grimma 1828) genannt. Diese Schriften sind fast ausschließlich in den Programmen der Landesschule Grimma enthalten, deren Abfassung damals noch dem Rector ausschließlich oblag.
Weichert: Jonathan August W., angesehener sächsischer Schulmann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, war zu Ziegra bei Waldheim als Sohn des dortigen Pfarrers am 18. Januar 1788 geboren. Von seinem Vater vorbereitet, wurde er im Herbste 1801 in die Landesschule zu Meißen aufgenommen und bezog im October 1806 die Universität Wittenberg, um Theologie zu studiren. Unter- Die bei Weichert’s Tode als wünschenswerth bezeichnete Lebensbeschreibung ist nicht erschienen. Vgl. Ch. G. Lorenz, Series praeceptorum illustris apud Grimam Moldani. Grimae 1850, p. 14 sq. – F. Spitzner, Gesch. d. Gymn. zu Wittenberg. Leipzig 1830, S. 165–171. – Schulze (Geh. Kirchenrath), Rede in Grimma gehalten, abgedruckt im Programm der Landesschule Grimma 1843, dort auch die sonstigen Mittheilungen, wie namentlich die lateinische Abschiedsrede Weichert’s. – E. Wunder, Miscellanea Sophoclea (Grimma 1843), p. III–VI. – Derselbe im Programm von 1844. – Brockhaus’ Conversationslexikon der Gegenwart. Leipzig 1841, 4. Bd., 2. Abth., S. 362 f. – Brockhaus’ Conversationslexikon, 9. Aufl. Leipzig 1848, 15. Bd., S. 186 f. Hier befindet sich auch ein Verzeichniß seiner Schriften. – Jahn, Philol. und pädagog. Annalen. 45. Bd., 1. Heft (Leipzig 1845), S. 84 ff. – Neuer Nekrolog der Deutschen. 2. Bd., S. 1017, Nr. 994. – K. J. Rößler, Geschichte der Königlich Sächsischen Fürsten- und Landesschule Grimma. Leipzig 1891, S. 121, 164–166, 193–209, 320–323.