ADB:Weiß, Christian
Beck, Heydenreich, Morus, Platner, Rosenmüller. Doctor philosophiae wurde er 1795 und hielt von 1796 an, nachdem er sich in der philosophischen Facultät zu Leipzig habilitirt hatte, Vorlesungen über philosophische und philologische Gegenstände. Im Herbst 1797 wurde er Erzieher eines Jünglings in Holland, kehrte aber 1799, nachdem sich seine Hoffnungen, weitere Reisen mit seinem Zögling zu machen, nicht erfüllt hatten, von da nach Leipzig zurück, um seine Vorlesungen wieder aufzunehmen. Im J. 1801 wurde er daselbst außerordentlicher Professor, folgte dann 1805 einem Rufe als Professor der Philosophie an das Lyceum in Fulda, das an Stelle der Universität dort neu errichtet worden war. Als diese Gegend 1808 durch die Franzosen eingenommen wurde, nahm er die Stelle des Directors an der neu errichteten Bürgerschule in Naumburg a. d. Saale an, die er verwaltete, bis er 1816 als Regierungs- und Schulrath an die Regierung in Merseburg versetzt wurde. Hier starb er 1853. Seine Schriften, die sich meist auf philosophische Gegenstände beziehen, zeigen zuerst den Kantischen Standpunkt, dann suchen sie eine Vermittelung zwischen den Ansichten Kant’s und Jacobi’s etwa in der Fries’schen Weise. Zunächst erschien von ihm: „De cultu divino interno et externo recte iudicando“ (Leipzig 1796), Habilitationsschrift. Hierauf folgten: „Fragmente über Sein, Werden und Handeln“ (Leipzig 1796); „Resultate der kritischen Philosophie, vornehmlich in Hinsicht auf Religion und Offenbarung“ (Leipzig 1799), anonym, veranlaßt durch den Streit über Fichte’s Atheismus; „Ueber die Behandlungsart der Geschichte der Philosophie auf Universitäten“ (Leipzig 1799); „De scepticismi causis atque natura commentatio philosophica“ (Leipzig 1801); „Lehrbuch der Logik, nebst einer Einleitung zur Philosophie überhaupt und besonders zu der bisherigen Metaphysik“ (Leipzig 1801). In dieser Schrift spricht er von einer neuen Wendung, die sein philosophisches Denken genommen habe: der Charakter des Menschen sei das Streben nach dem Unbedingten und Absoluten; so sei sein Denken und Handeln auf das Absolute gerichtet. Er könne sich ihm nähern, wenn er seinem Denken eine solche Richtung gebe, daß er danach vernünftig handeln könne, und wenn er so handle, wie er nach der eingeschlagenen Richtung vernünftiger Weise denken müsse. Durch diese von ihm hervorzubringende Einheit seines Wesens werde in sein Denken Wahrheit und in sein Handeln Güte kommen. Sein Denken heiße wahr und real, wenn es in fester Beziehung stehe zu etwas außer allem Denken, sein Thun heiße gut, wenn es auf keinen willkürlichen Zweck, sondern auf den nothwendigen praktischen Vernunftzweck gerichtet sei. Freilich wolle der Mensch den Grund einsehen, der ihn zu Denken berechtige, daß er sein Leben mit Erfolg auf das Wahre und Gute verwenden werde, falls er nur wolle. Dieses Leben sei für ihn aber eine zusammenhängende Erfahrung, und auf diese beziehe er zunächst alle Philosophie, die ihm gleichsam Vorsteherin der Erfahrung werden solle dadurch, daß sie ihm zeige, wie er sich ihrer sicher bedienen könne als eines Mittels zur Erreichung des für die Vernunft allein absolut Werthvollen. Hierzu müsse die Erfahrung und der Zusammhang in ihr wissenschaftlich erforscht werden. Demnach könne das Problem der gesammten materiellen Philosophie so ausgedrückt werden, daß sie die Wissenschaft sei von den Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung als eines Studiums für die Vernunft. Sodann ließ W. noch erscheinen: „Winke über eine durchaus praktische [562] Philosophie“ (Leipzig 1801), die sich auf eine Schrift von Joh. Rückert beziehen; „Lehrbuch der Philosophie des Rechts“ (ebd. 1804); „Beiträge zur Erziehungskunst, zur Vervollkommnung sowohl ihrer Grundsätze als ihrer Methode“, mit E. Tillich herausgegeben (2 Bde., Leipzig 1804); „Untersuchungen über das Wesen und Wirken der menschlichen Seele. Als Grundlegung zu einer wissenschaftlichen Naturlehre derselben“ (Leipzig 1811). Die Psychologie als wissenschaftliche Selbsterkenntniß ist ihm hier die Grundlage aller Philosophie. Die Elemente des Seelenlebens sind Sinn und Trieb, von denen der erstere das Vorstellungsvermögen begründet, der letztere das Begehrungsvermögen, während das Gleichgewicht zwischen beiden die Grundlage des Gefühlsvermögens bildet. Das Seelenleben entwickelt sich in Sinnlichkeit, Verständigkeit, Vernünftigkeit, welche letztere auf das Unendliche gerichtet ist und die Ideen in sich faßt. Die Philosophie ist das Wissen, die Religion das Glauben des vernünftigen Lebens. – Auf die Lehre Frdr. Heinr. Jacobi’s und dessen Streit mit Schelling bezieht sich die Schrift: „Von dem lebendigen Gott und wie der Mensch zu ihm gelange“ (Leipzig 1812), in welcher er die Philosophie als Metaphysik, als äußere und innere Erfahrung überschreitend betrachtet und einen übersinnlichen Realismus lehrt. Seine letzten Schriften erschienen viel später: „Ueber Grund, Wesen und Entwicklung des religiösen Glaubens; Beiträge zur Würdigung der rationalen Ansicht von Christus“ (Leipzig 1845), und „Betrachtungen über Rationalismus und Offenbarung, ein Versuch zur Verständigung“ (ebd. 1846). Eine bedeutende Wirkung ist der ausgedehnten schriftstellerischen Thätigkeit Weiß’s nicht zuzuschreiben.
Weiß: Christian W., Philosoph und Schulmann, geboren am 26. Mai 1774 in dem Städtchen Taucha bei Leipzig, als Sohn des dortigen Pfarrers D. Christian Samuel W., besuchte die Nicolaischule in Leipzig, deren Conrector damals Forbiger war, und studirte von 1791 an daselbst Philologie, Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften. Zu seinen akademischen Lehrern zählte er u. a.- Krug’s Encyclopädisch-philosophisches Lexikon. – Philosophie-geschichtliches Lexikon von Ludw. Noack.