Zum Inhalt springen

ADB:Warsberg, Alexander Freiherr von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Warsberg, Alexander Freiherr von“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 182–184, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Warsberg,_Alexander_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 09:30 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Warrens, Rosa
Nächster>>>
Jakob von Warte
Band 41 (1896), S. 182–184 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Alexander Freiherr von Warsberg in der Wikipedia
Alexander Freiherr von Warsberg in Wikidata
GND-Nummer 117145165
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|182|184|Warsberg, Alexander Freiherr von|Hyacinth Holland|ADB:Warsberg, Alexander Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117145165}}    

Warsberg: Alexander Freiherr v. W., Schriftsteller und Tourist. Derselbe, aus einer uralten, schon 1150 florirenden Familie stammend, wurde am 30. März 1836 zu Saarburg bei Trier geboren; sein Vater war der preußische Kammerherr Jos. Alexander Freiherr v. W., seine Mutter eine Freie v. Wyttenbach; ihrem feinen Sinn verdankte unser Autor, wie alle wahren Poeten für ihre Begabung immer die Mutter ehren, die Begeisterung für alles Edle, Schöne und Große. Der Vater übersiedelte bald nach Oesterreich und kaufte sich in Graz an, wo Alexander das Gymnasium und die Universität, auch ein Jahr lang zu München, besuchte. Obwol von Jugend auf kränklich, drängte es ihn die Welt zu sehen; frühzeitig mit den classischen Autoren vertraut, lernte er viele Sprachen, las gerne geschichtliche Werke und Reisebeschreibungen und erwarb eine enthusiastische Liebe zum Orient, insbesondere durch das fast unausgesetzte Studium des Homer, insbesondere der Odyssee, welche zu verherrlichen, er niemals ermüdete. Auch oblag er den einschlägigen Naturwissenschaften, namentlich der Botanik und Geologie und cultivirte die Kunstgeschichte. Schon während seiner Praxis an der Statthalterei zu Graz befaßte er sich mit kleineren, schriftstellerischen Arbeiten und der Zusammenstellung seiner Tagebücheraufzeichnungen. Im J. 1858 wurde W. zur Statthalterei nach Venedig versetzt, dann 1859 wieder nach Graz zurückgerufen. Hier wurde er 1863 mit dem Botschafter Anton Freiherrn v. Prokesch-Osten bekannt, welcher den ihm vielfach geistverwandten Jüngling wiederholt zum Begleiter auf seinen Urlaubsreisen durch Italien, die Schweiz, Frankreich und endlich auch nach Constantinopel wählte. Seine schriftstellerischen Versuche brachte er zuerst in die Grazer „Tagespost“, dann in verschiedene Wiener Blätter und insbesondere in die Augsburger „Allgemeine Zeitung“, in welcher die meisten seiner nachfolgenden Bücher zuerst in einer Reihe von Reiseberichten erschienen, die durch Form und Inhalt ein dankbares Publicum weckten und fesselten. Insbesondere aber war es Venedig, welches unseren Autor entzückte. Mit der überhaupt sein ganzes Sein und Walten kennzeichnenden Glückseligkeit pries er die Lagunenstadt, wo es ihm so wohl war, wo er so gern verweilte, die „schöne Stadt, die ihm nie ein Leid gethan“. Hier faßte er ein lebhaftes Interesse für die Handelsbeziehungen Oesterreichs zum Orient. In desto größere „leidenschaftliche Verzweiflung“ brachten ihn die Verhältnisse des Jahres 1866. Herr v. W. trat als Concipist ins Handelsministerium zu Wien. Den volkswirthschaftlichen, insbesondere commerciellen Fragen blieb sein Augenmerk zugewendet; mit dem Orient aber und Oesterreichs Verhältniß zu demselben beschäftigte er sich nun lebhafter als zuvor. Nun unternahm er seine ersten Reisen dahin; als erste Frucht erschien sein „Sommer im Orient“ (Wien 1869 bei Gerold). Durch die Unmittelbarkeit seiner farbensprühenden Darstellung erwarb er sich schnell den geachteten Namen eines Schriftstellers, obwol er sich immer nur als einen „Dilettanten mit der Feder“, einen „Photographen, einen Skizzenzeichner nach der Natur“ betrachtete. Seit er dann – nach kurzem Dienst im Ministerium des Auswärtigen – aus Gesundheitsrücksichten als Consul nach Corfu sich versetzen ließ, ging wol kaum ein Jahr vorüber, in welchem er nicht über das Mittelmeer fuhr; 1868, 1869 und 1871 bereiste W. Aegypten; 1870 verbrachte er zur Pflege seiner Gesundheit mehrere Monate in Corfu, 1880, 1883 und 1884 bereiste er Attika, Thessalien, Epirus, den Peloponnes und die griechischen Inseln; 1868 Syrien und 1881 Libyen. Ueberall fand er sich schnell heimisch. Sein Führer auf diesen Fahrten wurde ihm – ebenso wie dem beinahe gleichzeitigen Schliemann – der alte treue Homer! Im J. 1878 trat er dann mit seinen „Odysseeischen Landschaften“ (Wien bei Gerold, drei Bände) hervor, welchen er mit Recht das Motto „Wer den Dichter will versteh’n, muß in Dichters Lande geh’n“ voraus setzte. Der erste Band [183] schildert das „Reich des Alkinoos“, der zweite die Colonial-Länder des alten Korkyra-Dyrrhachium und Epidamnus und das Vorgebirge von Actium (dabei auch die classische Schilderung dieser berühmten Schlacht!), der dritte handelt vom „Reich des Odysseus“, dessen siebentes Buch die Idylle Ithaka enthält. Diese glänzenden Reisebriefe über Ithaka erschienen zuerst 1878 und 1879 in den Beilagen der „Allgemeinen Zeitung“ und später noch als Prachtwerk mit 5 Farbendrucken und 40 Phototypieen nach Originalzeichnungen von Ludwig Hans Fischer (Wien 1887 bei Gerold). Im J. 1884 folgte der erste Band der „Homerischen Landschaften“ (Wien bei C. Graeser), enthaltend: das Reich des Sarpedon, Rhodos und die Inseln des Aegäer-Meeres. An der Vollendung des zweiten Bandes mit trojanischen, thrakischen und bithynischen Scenerien hinderte ihn leider der Tod. W. folgte auf seinen Wanderfahrten den Spuren des antiken Lebens; er glaubte sie nicht nur in Namen und Ruinen, sondern auch in den Menschen, ihren äußeren Formen und innerem Wesen nach in Fülle zu finden. Dann aber zog ihn auch das Orientalische an, das er der antiken Welt näher und verwandter wähnte, als unsere moderne, abendländische Cultur: „So oft sich die Menschheit dort (im Orient) schon erfrischt, neue Religionen und Ideen geholt hat, leichter noch wird es dem Einzelnen auf jenem geschichts- und gottesgeheiligten Boden, seine Seele wiederzugebären im Geiste der Wahrheit und des Glaubens.“ So haben seine Reisen ein gewisses pietätvolles, heiliges Ziel, gleichsam wie die eines Pilgers nach Mekka oder Jerusalem: die Erbauung und Wiedergeburt der Seele. Was bei Titus Tobler oder Fallmerayer unter den Dornen der Kritik und Philologie verwucherte, loderte bei gleich gründlicher Gelehrsamkeit im andächtigen Feuer von Warsberg’s Begeisterung freudig belebend und erwärmend empor. Der Leser bekommt hohe Achtung für sein Forschen und Wollen. Was dabei am meisten mitwirkt, ist die frische, knappe Unmittelbarkeit des Forschers, Denkers und Malers. Was er schreibt sind keine nach der Rückkehr am stillen Pult aus Notizen und Erinnerungen regelrecht zusammengestellten, verschönten Berichte, sondern meist wahre Tagbuchblätter, im Zelt auf den lykischen Bergen, oder auf einem Segelboot, etwa zwischen Kephalonia und Ithaka hingeworfen, wie die Skizzen eines Landschaftsmalers, aphoristisch und fragmentarisch, immer aber das Ergebniß ernster Geistesarbeit und in fesselnder, weihevoller Stimmung. Bisweilen hat er dann wol noch in seinem Garten zu Corfu oder auf einer der Villen am Comersee, eine letzte Feile an seine Gebilde gelegt, aber nur selten und ausnahmsweise; verübelte er ja seinem Vorgänger und Lehrer Prokesch-Osten (welchem er übrigens bei dessen Ableben ein so meisterhaftes biographisches Denkmal in der „Allgemeinen Zeitung“ setzte), daß derselbe gar zu viel geformt und gebessert habe. Das Beste in allen Büchern war ihm – „und selbst wenn es das Fehlerhafte ist“ – das Subjective, das allein neu ist. Wo ihm die Historie den Griffel führte, waltete W. immer mit dem ganzen Bewußtsein seines Wissens und Gefühles; er gab immer Alles, wie er es erforschte, kannte und sah; seiner Meisterschaft in der Darstellung und Nachempfindung scheint er nie inne geworden zu sein. Die Schriftstellereitelkeit kannte er nicht; sie blieb zeitlebens seinem ganz naiven Charakter ferne und fremd.

Im Herbst 1887 wurde W. zum k. k. Generalconsul in Venedig ernannt, erlag aber schon am 28. Mai 1889 einem ihn lange verfolgenden Brustübel. So hat ihm die überaus geliebte Lagunenstadt zuletzt doch ein „Leid“ gethan, er wollte ja noch leben, war noch immer voller Hoffnungen und Pläne. Er gedachte nicht nur die „Homerischen Landschaften“ fortzusetzen und zu vollenden, sondern auch die in Venedig entdeckten Briefe von Gentz an die Gräfin Fuchs, „einen herrlichen Schatz“ herauszugeben. Und Anderes mehr! Seine pflichtbewußte, [184] patriotische Gesinnung, seine glänzende Begabung und sein ausgebreitetes Wissen, sein humaner Sinn und die edle Denkweise, welche er in Wort und That immer bewies, erwarben ihm viele Freunde, welchen er Gönner, Vorbild und Aneiferer verblieb. Aus seinem Nachlasse erschien noch ein stattlicher Band – (Wien 1892, bei W. Braumüller) mit drei Aufsätzen über „Die Kunstwerke Athens“, über den Maler Gaudenzio Ferrari, dessen stilles Schaffen er von Mailand, über den Comersee und Lago Maggiore, über Vercelli, Novara und Turin verfolgte und das Capriccio „Ein Sommernachtstraum in der Walhalla“ (bei Donaustauf), wo W. durch Zufall eingeschlossen eine Nacht verbracht haben will; was dabei durch seine Gedanken spielte, ist eine in kunstvollendeter Prosa erzählte anmuthige Dichtung. – Das gleichfalls sehr schöne Buch „Eine Wallfahrt nach Dodona“, hat Joh. Frischauf (Graz 1893 bei Leuschner und Lubensky) herausgegeben. W. verbreitet sich in seiner Weise über die Lage, über die Geschichte des Orakels, die Inschriften und Ruinen. „Alle diese Schriften sind“, wie Dr. Ludwig Steub sagt, „in einer Weise geschrieben, die man wohl nirgends wieder findet und daher unbedingt als originell bezeichnen darf. Sie liegt darin, daß der Dichter alles was ihm als Wanderer, als Touristen vorkommt, zuerst in poetischem Geiste beschreibt, dann aber dieser Beschreibung einen Sinnspruch, ein Epigramm, eine Glosse, Gnome oder Scholie folgen läßt, die fast wie der Chor in der Tragödie das Erlebte deutet, erklärt und dessen tiefere Beziehungen offen legt. Diese unerläßlichen Epiloge sind oft sehr schlicht und einfach.“

Vgl. Ludwig Steub, Aus dem Morgenlande, in Beilage 236 u. 237 der „Allgemeinen Zeitung“ vom 25. u. 26. August 1884. – Wurzbach, 1886, LIII, 98 ff. u. der Nekrolog in Beilage 162, „Allgemeine Zeitung“ vom 13. Juni 1889.