Zum Inhalt springen

ADB:Walthard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Walthard“ von Karl Uhlirz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 28–30, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walthard&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:32 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Walter, Piers
Band 41 (1896), S. 28–30 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Waltard in der Wikipedia
Waltard in Wikidata
GND-Nummer 140080554
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|28|30|Walthard|Karl Uhlirz|ADB:Walthard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=140080554}}    

Walthard: (Waltherd, auch Dodico, Duodecho genannt) 984 bis Juni 1012 Dompropst, 15. Juni bis zu seinem Tode am 12. August 1012 Erzbischof von Magdeburg. Er war der Sohn eines in der Stadt und im Burgwarde Magdeburg begüterten Edelherrn Namens Erp und der Amulred. Die Eltern übergaben den Knaben der Schule des h. Moriz zu Magdeburg, wo er sich unter einer Schar begabter und vornehmer Genossen, wie Gisiler, Adalbert, Wicpert und Otto durch seine Frömmigkeit und den reifen Ernst seiner Sitten auszeichnete und die Zuneigung des Erzbischofs Adalbert gewann. Dieser scheint in dem trefflichen Jünglinge den geeignetsten Nachfolger gesehen zu haben, doch trat W. nach des Gönners Tod, obwol er mit ihm die Abneigung gegen den Candidaten des Domcapitels, den gefeierten Lehrer Otrich, theilte, nicht als Bewerber auf, vielmehr bestieg sein älterer Studiengenosse Gisiler den erzbischöflichen Stuhl. Unter dessen Regierung erhielt W. im J. 984 das ansehnliche Amt eines Dompropstes, in welcher Stellung er die Vortheile, die ihm die edle Geburt und reiches Erbe gewährten, in vollem Maße verwerthen konnte. Strenge im äußern Auftreten, wortkarg, aber doch voll innerer Güte und Milde, fromm und wohlthätig, ein Vater der Armen und Waisen, den Juden günstig gesinnt, erwarb er sich große Beliebtheit im Volke wie unter den Mitgliedern des Capitels. Bei aller Frömmigkeit führte er den Haushalt eines vornehmen Mannes, einen Theil seines Reichthumes verwendete er auf das Sammeln von Büchern, zum Baue einer Rundkirche in Magdeburg, an der er ein Stift für Kanoniker errichtete, und zur Anfertigung zahlreicher, prächtiger Ornate sowie eines kostbaren Reliquienschreines. Im April 1000 fiel ihm die Aufgabe zu, das Verhalten seines Erzbischofs in der Merseburger Sache zu Quedlinburg vor dem Kaiser zu vertheidigen. Nach Gisiler’s Tod (25. Januar 1004) wurde W. mit einem Schlage in einen allgemeinen und wichtigen Zusammenhang gebracht. König Heinrich II., der die freie Bethätigung geistlichen Wahlrechts zu verhindern suchte, beabsichtigte auch in Magdeburg unter Mißachtung des feierlich verbrieften Rechtes dem Manne seiner Wahl, seinem Capellan Tagino (s. A.D.B. XXXVII, 353) zur erzbischöflichen Würde zu verhelfen, da ihm dieser geeigneter erschien, die Pläne für die Wiederherstellung Merseburgs auszuführen, als der mit Gisiler einverstandene und im Magdeburger Interesse aufgewachsene Dompropst, auf den das Domcapitel seine Stimmen vereinigt hatte. Dieser aber, den seine Frömmigkeit und seine Unabhängigkeit nicht minder vor dem Verdacht selbstsüchtigen Strebens sicherten, wie ihn sein starkes Rechtsgefühl aneiferte, die Würde seiner Kirche vor jedem Schaden zu bewahren, trat muthig und mannhaft dem vom Könige abgesandten Bischof Arnulf von Halberstadt entgegen und bestand auf [29] der Wahrung des dem Capitel verliehenen und vom Erzbischof Adalbert noch besonders mit feierlichem Banne bekräftigten Wahlrechtes mit Worten, welche an die edle Ansprache erinnern, mit der etwa 90 Jahre später Anselm von Canterbury der despotischen Anmaßung Wilhelm’s des Rothen begegnete. Wie erregt die Stimmung war, geht auch daraus hervor, daß Thietmar von Merseburg die sachliche Entgegnung Walthard’s durch eine Stelle verschärfte, in der ein Dichter des Neronischen Zeitalters seinem Freiheitsgefühle kräftigen Ausdruck verlieh. Gegenüber so bestimmtem und berechtigtem Widerstande ließ sich der König wenigstens zu formeller Beachtung des Wahlrechtes herbei. Er unterhandelte mit dem Dompropste, worauf dieser seinen Anspruch aufgab und sich verpflichtete, auch das Domcapitel für Tagino zu gewinnen, was ihm in der That gelang.

Der Lohn für die feste und kluge Haltung Walthard’s blieb nicht aus. Eine der ersten Handlungen des neuen Erzbischofs war, daß er den Dompropst zu seinem Stellvertreter und ersten Berather ernannte, womit in der That, da Tagino häufig abwesend war, eine große Machtfülle und Verantwortung verbunden war. Doch hatte W., als er sich an den Kriegszügen gegen Polen und den Verhandlungen mit Boleslaus in den Jahren 1007, 1010 und 1012 betheiligte, wenig Glück. Die günstige Gesinnung des Herrschers aber blieb ihm bewahrt und äußerte sich unter anderm darin, daß Heinrich II. sich im J. 1010 in die Gebetbrüderschaft des Capitels aufnehmen und dafür den Brüdern eine werthvolle Besitzbestätigung zu theil werden ließ. Nach dem Ableben Tagino’s (9. Juni 1012) war W. wiederum genöthigt, das Wahlrecht gegen Heinrich’s II. Willkür zu vertheidigen, und auch diesmal hatte er, Dank der Unterstützung durch die Suffragane, guten Erfolg. Zwar hatte der König die Wahl verboten und nur einstimmigen Vorschlag gestattet, aber zum Schlusse ließ er sich herbei, am 15. Juni zu Grona den vom Capitel gewählten W. nach einer langen, vertraulichen Besprechung durch Ueberreichung des Ringes anzuerkennen und ihm nach Vornahme einer nochmaligen Wahl auch den Bischofsstab zu übergeben. Er übertrug dem neuen Erzbischofe die Führung der polnischen Angelegenheit und die Oberaufsicht über die Königshöfe in Sachsen. Nur kurze Zeit sollte sich W. der endlich erlangten Würde erfreuen. Am 21. Juni wurde er zu Magdeburg von dem Bischof Arnulf von Halberstadt inthronisirt, am 22. vom Bischof Eido von Meißen unter Assistenz der Suffragane gesalbt, am 23. bestellte er den Custos Reding, der seine Wahlsache vor Heinrich II. vertreten hatte, zum Propste und am 24. Juni las er im Kloster Bergen, von dem Abte Siegfried und dessen Bruder, dem Bischofe Thietmar von Merseburg, festlich empfangen, die erste Messe als Erzbischof. Dann begab er sich auf den unglücklich eingeleiteten Zug gegen Polen. Auf dieser Kriegsfahrt wurde er anfangs August von einem schweren Kopfleiden befallen und kehrte, nachdem er am 3. August in Belgern zum letzten Male die Messe gelesen hatte, nach Giebichenstein zurück, wo sich die tiefbekümmerten Suffragane, sowie die Bischöfe von Halberstadt, Hildesheim und Paderborn, endlich der hülfestehende Herzog Jaromir von Böhmen eingefunden hatten, am 10. August erhielt der Erzbischof die Sterbesacramente und zwei Tage darauf trat der Tod ein. Ueber Könnern wurde sein Leichnam nach Magdeburg gebracht und unter rührender Klage des Volkes im Dome bestattet. Erst sechs Tage nach dem Tode Walthard’s stellte Benedict VIII. in Rom die Bulle aus, durch welche dem neuen Erzbischofe das Pallium und mehrere Ehrenvorrechte verliehen wurden.

War es dem Verblichenen auch nicht vergönnt, in langer Regierung rühmliche Denkmale selbständiger Thätigkeit zu hinterlassen, so hat er sich doch ein gutes Andenken gewahrt. Im Magdeburger Domcapitel gedachte man mit Stolz und Dankbarkeit des hochgestellten Mannes, der durch 28 Jahre die Congregation geleitet, ihr die Gunst des Königs bewahrt und aus dem eigenen Erbe [30] das bei Magdeburg gelegene Olvenstedt zugewandt hatte. Thietmar von Merseburg widmete ihm herzliche Anerkennung, was um so schwerer wiegt, als W. ihm bei der Merseburger Angelegenheit nicht sehr entgegengekommen war. Auch der höfische Annalist von Quedlinburg preist seine Tugenden, sein Wissen und seine Frömmigkeit, während in Regensburg W. allerdings, wie leicht begreiflich, gegen den heimischen Tagino zurückstehen mußte und nach der dort umlaufenden Erzählung sein Leichnam keineswegs so wunderbare Eigenschaften aufzuweisen hatte, wie der seines Vorgängers.

Eine seiner Schwestern war Nonne, eine andere, nach der Mutter Amulred genannt, vermählte sich mit Konrad von Morsleben, aus welcher Ehe Suitger, der Domherr von Halberstadt, dann Bischof von Bamberg war und im J. 1046 als Clemens II. den päpstlichen Thron bestieg († 9. Octbr. 1047), entsprossen ist.

Thietmari Merseburg. Chron. ed. Kurze.Ann. Quedlinburg. Mon. Germ. SS. 3, 81. – Ann. Hildesheim. zum J. 1012. – Arnoldus, De s. Emmerammo lib. II. c. 13, SS. 4, 560. – Ann. Magdeburg. SS. 16, 155–164. – Gesta archiep. Magdeb. SS. 14, 395, 396. – Annalista Saxo SS. 6, 644, 685. – Jaffé. – Löw. Reg. 3989. – Necrol. Magdeb., hrsgg. von Dümmler in Neue Mittheil., 10. Bd. – Mülverstedt, Reg. archiep. Magdeb. Nr. 348, 349, 451, 454, 472, 474, 479, 524, 525, 544, 545, 555, 558, 560–570, – Hirsch, Jahrb. Heinrich’s II., 1. und 2. Bd. – Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit, 2. Bd. – G. W. v. Raumer, Historische Charten und Stammtafeln 7, Tafel XII b.Uhlirz, Gesch. des Erzbistums Magdeburg, S. 85, 104, 113. – Hauck, Kirchengesch. Deutschlands 3, 398.