ADB:Voß, Wilhelm
Sleibing’s Nachfolger im Predigeramt an der St. Katharinenkirche zu Osnabrück. Sleibing, Hamelmann und Sum, die sämmtlich Bremen der philippistischen Streitigkeiten halber verlassen hatten, hielten ihn wegen verschiedener Aeußerungen, die er in seinen Predigten gemacht, für einen Anhänger Hardenberg’s und erbaten im Verein mit den auf Voß’ Beliebtheit beim Volke längst eifersüchtigen Predigern vom Stadtrathe Schutz des reinen Glaubens. Der Bürgermeister Ludolf v. Horsten ließ von Sleibing im Sommer 1565 ein Bekenntniß der Osnabrücker Theologen über die streitigen Punkte (abgedr. in der Gesch. des Fürstenth. und Hochst. Osnabrück, Osnabrück 1792, Theil III, S. 25–30) aufsetzen, dessen Unterzeichnung V. anfangs allein verweigerte, später aber, als ihm zugesichert war, daß er nicht über die Augsburger Confession hinaus beschwert werden sollte, gleichfalls vollzog. Doch hiermit waren weder die anderen Prediger, noch Horsten’s Nachfolger Rudolf Hammacher und der neue Secretär Georg v. Lengerken zufrieden. Den beiden Letzteren gelang es nach zweitägiger Berathung, am 24. und 25. Januar 1566, durchzusetzen, daß neben der Augsburger Confession auch deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, das Bekenntniß der Herzöge Johann Friedrich II. und Johann Wilhelm von Sachsen, sowie die von den niedersächsischen Theologen 1561 zu Lüneburg vereinbarten Artikel nebst Luther’s Sendschreiben an die Frankfurter Theologen als symbolisch betrachtet und beschworen werden sollten. Am 28. Januar unterschrieben alle Prediger außer V. auch diese Stücke; V. aber, der trotz dreimal wiederholter Aufforderung bei seiner Weigerung verharrte, wurde vom Rathe abgesetzt und angewiesen, die Stadt innerhalb drei Tagen zu verlassen. Kaum war dieser Beschluß bekannt geworden, da erhoben sich von allen Seiten so heftige Klagen wider den Rath und die Prediger, besonders gegen Hammacher und Sleibing, daß der Rath die Schützen aufziehen und die Einwohner durch Aldermänner und Rathsdiener zu Ruhe und Gehorsam mahnen lassen mußte. Am folgenden Tage versammelten sich gegen 700 Bürger und Parochianen in der Katharinenkirche und entsandten nach längerer Berathung 20 Männer an den Stadtrath, die am 30. Januar für V. noch eine viertägige Frist erwirktsn, nach deren Ablauf dieser auf Bitten der Gemeinde am 4. Februar die verlangte Unterschrift abgab. Nunmehr versuchten Voß’ Gegner dessen Entfernung durch den Bischof zu bewirken und erreichten auch, daß er noch im Herbst 1566 zu einem Religionsgespräch nach Fürstenau berufen wurde. Hier vertheidigte er sich zwar so geschickt, daß ihm der Bischof sogar seine Gunst zuwandte; aber den fortgesetzten Bemühungen seiner [367] Feinde gelang es doch, im Frühjahr 1567 seine Amtsenthebung im Einverständniß mit dem Bischof durchzusetzen. V. scheint zuerst mit Weib und Kind nach Wittenberg gegangen zu sein; später predigte er – wohl aushülfsweise – zwei Jahre an St. Martini in Bremen, wurde daselbst am 27. Septbr. 1571 zum Pastor an U. L. Frauenkirche erwählt und starb als solcher am 8. Jan. 1598.
Voß: Wilhelm V., ums Jahr 1535 zu „ter Grete“ in Ostfriesland geboren, war schon als Caplan am Osnabrücker Dom ein Freund der Reformation, predigte aber so vorsichtig, daß er den Evangelischen gefiel, ohne beim Domcapitel Anstoß zu erregen. Erst nachdem er eine Nonne aus dem benachbarten Kloster Gertrudenberg geheirathet und deshalb seine Stelle hatte aufgeben müssen, trat er offen zum Protestantismus über und wurde 1564- Vgl. Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 1151–1163. – J. C. Strodtmann in d. Hannoverischen gelehrten Anzeigen v. J. 1753, S. 852–854 und im Programm des Rathsgymnas. zu Osnabrück v. 1869, S. 12. – K. Lodtmann in P. F. Weddigen’s Westphäl. hist.-geogr. National-Kalender. Kleinbremen 1806, S. 154–161. – (C. Stüve), Gesch. der Stadt Osnabrück, Theil III, Osnabrück 1826, S. 64–70. – B. Spiegel in d. Zeitschrift für d. histor. Theologie, Bd. 35, Gotha 1865, S. 653–666. – C. Stüve, Gesch. des Hochstifts Osnabrück, Theil II, Jena 1872, S. 201–203. – B. Spiegel, Zur Gesch. der Reformation und ihrer Entwickelung in der Stadt Osnabrück, Osnabrück 1883, S. 28–39.