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ADB:Versmann, Johannes

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Artikel „Versmann, Johannes“ von Wilhelm Bröcking in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 743–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Versmann,_Johannes&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:15 Uhr UTC)
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Versmann: Johannes Georg Andreas V., hamburgischer Senator und Bürgermeister, wurde am 7. December 1820 als dritter Sohn des Apothekers Johann Ernst V. in der Hamburger Vorstadt St. Pauli geboren. Auf einer Vorschule, dem Christianeum zu Altona und dem „akademischen Gymnasium“ zu Hamburg vorbereitet, studirte V. zunächst in Jena seit Ostern 1840 zwei [744] Jahre lang Naturwissenschaften und Medicin, dann in Göttingen und Heidelberg Jurisprudenz. Nachdem V. am 26. August 1844 zum Dr. jur. promovirt worden war, ließ er sich in Hamburg als Advocat nieder und gelangte hier in wenigen Jahren zu einer angesehenen Stellung unter den Hamburger Anwälten. Er betheiligte sich rege am öffentlichen Leben, insbesondere während der Märztage des Jahres 1848, als es sich um die Neugestaltung der hamburgischen politischen Verhältnisse handelte. Mit zwei jüngeren Brüdern schloß er sich der schleswig-holsteinischen Armee als Freischärler an, er gerieth im Gefecht von Bau am 9. April 1848 in dänische Gefangenschaft, wurde jedoch infolge des Malmöer Waffenstillstandes in Freiheit gesetzt. In die Constituante gewählt, schloß er sich der radicalen Mehrheit an; am 14. December 1848 wurde er zweiter Vicepräsident der Versammlung, drei Monate später ihr Präsident. An dem Entstehen des eigentlichen Verfassungswerkes hatte V. keinen unmittelbaren Antheil, aber er identificirte sich durchaus mit dem Verfassungsentwurfe der Constituante. Seit 21. August 1851 gehörte V. dem neugegründeten Handelsgericht als Vicepräses an. Am 14. Mai 1853 verheirathete er sich mit Thekla Stammann. Zu Anfang 1859 betheiligte er sich an den Kundgebungen zu Gunsten der Verfassung von 1850, obwohl seine politischen Gesinnungen mit den Jahren gemäßigter geworden waren. Am 18. März 1859 wurde V. zum Präses des Handelsgerichts gewählt, vom Mai bis December desselben Jahres nahm er als hamburgischer Bevollmächtigter an den Conferenzen zur Berathung eines gemeinsamen deutschen Seerechts in Hamburg theil. Am 6. December 1859 wurde V. provisorisch, wenige Tage später definitiv zum Vorsitzenden der ersten gewählten Bürgerschaft gewählt. Er trug sehr wesentlich dazu bei, daß eine Verständigung über alle noch strittigen Punkte der Verfassung zu Stande kam, so daß sie am 28. September 1860 veröffentlicht werden konnte. Am 16. December 1861 wurde V. in den Senat gewählt; das Bürgermeisteramt hat er seit 1887 im ganzen neun Mal bekleidet. Im Senat nahm er u. a. theil an der Reorganisation des hamburgischen Justizwesens und an den schwierigen Arbeiten, die das Einführungsgesetz für das erste deutsche Handelsgesetzbuch erforderten. 1862 trat V. in die Oberschulbehörde ein, um in ihr bis zum Jahre 1878 eine überaus segensreiche Wirksamkeit zu entfalten. Vor allem erwarb er sich große Verdienste um die Begründung des staatlichen Gewerbeschulwesens in Hamburg. Im J. 1863 wurde V. Mitglied der Deputation für indirecte Steuern und wurde in ihr mit dem Referat über Zoll- und Accisesachen betraut.

Nach dem Tode Friedrich’s VII. von Dänemark (15. November 1863) trat V. gleich der Mehrheit der deutschen Patrioten für das Erbrecht des Herzogs von Augustenburg ein. Am 14. December desselben Jahres regte V. im Senat an, daß im Hinblick auf die zu erwartenden kriegerischen Verwicklungen mit Dänemark Maßregeln für den Küstenschutz getroffen würden, mit dem Erfolge, daß der Senat zustimmte und auch die Bürgerschaft nach einigem Widerstande, den nicht zum wenigsten Petersen besiegen half (s. A. D. B. LIII, 28), einen entsprechenden Senatsantrag annahm. In den kritischen Tagen des Jahres 1866 bildete V. zusammen mit Merck und Kirchenpauer die Commission, welche die Note des preußischen Gesandten v. Richthofen vom 16. Juni, betreffend den Beitritt Hamburgs zu dem von Preußen geplanten neuen Bündnisse, beantworten sollte. Gleich Kirchenpauer und Petersen gelangte V. zu der Ueberzeugung, daß Hamburg die von Preußen verlangte Contingentsstellung nicht wohl verweigern dürfe, und er gehörte zu den Senatscommissaren, die am 30. Juni und 2. Juli mit den Vertrauensmännern der Bürgerschaft zu verhandeln hatten. In der entscheidenden Sitzung der Bürgerschaft am [745] 4. Juli war V. mit Petersen (s. a. a. O. S. 29) wiederum als Senatscommissar zugegen, und Beider Bemühungen gelang es, zu erreichen, daß die Contingentsstellung bewilligt wurde und damit ein Beschluß erfolgte, der die bedrohte Unabhängigkeit Hamburgs von neuem sicherte.

Nach der Gründung des norddeutschen Bundes ging V. im Sommer 1867 nach Berlin, um Kirchenpauer bei den Verhandlungen über das Zollaversum zu assistiren und ermöglichte hier die Anbahnung eines Ausgleichs. Ebenso bethätigte er sich erfolgreich in der Frage der Regelung der Beziehungen zwischen dem hamburgischen Freihafen und dem Zollvereinsgebiet. In der Frage des Zollanschlusses Hamburgs, der in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts neu zur Discussion gestellt wurde, gelangte V. nach eingehender Prüfung zu dem Ergebniß, daß jede Aenderung des bestehenden Zustandes die Concurrenzfähigkeit Hamburgs stark beeinträchtigen würde. Nachdem Preußen am 19. April 1880 den Antrag beim Bundesrath gestellt hatte, nicht nur die preußische Stadt Altona, sondern auch einen Theil von St. Pauli an die deutsche Zollgemeinschaft anzuschließen, reiste V. am 27. April nach Berlin, um die Stelle Kirchenpauer’s als Bevollmächtigter zum Bundesrath einzunehmen. Mit Umsicht und Besonnenheit machte er in den Verhandlungen diejenigen Bedenken geltend, die vom hamburgischen Standpunkte aus dem Bestreben Bismarck’s, Hamburgs Zollanschluß zu erreichen, entgegengebracht wurden, ohne daß vorerst eine Verständigung auch nur angebahnt wurde. Im Herbste des Jahres 1880 unternahm V. mit Senator O’Swald, Roeloffs und Arthur Lutteroth eine Informationsreise nach Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam, London und Liverpool, und sie führte ihn zur Klarheit darüber, auf welcher Basis mit der Reichsregierung gegebenen Falles über den Zollanschluß Hamburgs verhandelt werden müßte. Im December 1880 und zu Anfang des Jahres 1881 betheiligte sich V. mit O’Swald und Roeloffs an „informatorischen Besprechungen“, die zwischen ihnen einerseits und dem preußischen Oberzollinspector Klostermann andrerseits stattfanden, und in Unterredungen mit dem preußischen Finanzminister Bitter erörterte V. die principiellen und politischen Seiten der Angelegenheit. Am 25. März 1881 stellte V. im Senate den Antrag, daß nunmehr auf wirkliche Verhandlungen mit der Reichsregierung eingegangen werde, im April führte er im Verein mit O’Swald und Roeloffs diese Verhandlungen in Berlin, und im Mai betheiligte er sich zusammen mit O’Swald und Krüger an den Verhandlungen, welche die definitive Feststellung der Vereinbarung zum Ziele hatten. In der entscheidenden Bürgerschaftssitzung vom 15. Juni unternahm V. es insbesondere, die gegen das Abkommen vorgebrachten Einwendungen zu widerlegen, und nachdem der Bundesrath am 25. Juni die Vereinbarung genehmigt hatte, stellte V. im Namen des Senats den Antrag, daß der Bundesrath den Anschluß Hamburgs an das Zollgebiet beschließe. Während der Reichstagsverhandlungen über diese Angelegenheit konnte V. wiederholt darauf hinwirken, daß alle sich ergebenden Schwierigkeiten beseitigt wurden. Er gehörte sodann den drei Commissionen an, die in Hamburg den Zollanschluß vorzubereiten hatten, und war in ihnen der gegebene Mittelpunkt für alle auf die Vollendung des großen Werkes gerichteten Bestrebungen. Am 29. October 1888, als in Gegenwart Kaiser Wilhelm’s II. der Schlußstein in die für den Zollanschluß erforderlichen Bauten gelegt wurde, konnte V. zusammen mit Petersen die Vaterstadt vertreten.

Bis ins höchste Alter bethätigte V. sich auf den verschiedensten Gebieten des öffentlichen Lebens; einen besonderen Glanz verbreitete es über seine letzten Lebensjahre, daß er gleich Petersen der Freundschaft Bismarck’s theilhaftig [746] wurde. V. starb nach längerer Krankheit am 28. Juli 1899, ein echter Repräsentant hanseatischer Sinnesart, für die er durch sein Wirken und Streben nicht minder wie Kirchenpauer und Petersen im neuen Reiche wieder Verständniß geweckt hat.

Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrath IV (1898) und V (1901). – Saß, Nekrolog auf Versmann in: Biogr. Jahrbuch und deutscher Nekrolog IV (1900), S. 233 ff. – Wohlwill, Die hamburgischen Bürgermeister Kirchenpauer, Petersen, Versmann (1903). – Poschinger, Fürst Bismarck und seine Hamburger Freunde (1903). – Wohlwill, Die Wahlen zur Constituante vom Jahre 1848 u. s. w. in: Mittheil. d. Vereins für Hamburg. Geschichte, 24. Jahrg. 1904, S. 464 ff. – Derselbe, Jenaer Studentenbriefe von Johannes Versmann, in: Zeitschr. des Vereins f. Hamburgische Geschichte XIII, 33 ff.