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ADB:Treitz-Sauerwein, Marx

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Artikel „Treitz-Saurwein, Marx“ von Rochus von Liliencron in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 559–562, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Treitz-Sauerwein,_Marx&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 02:11 Uhr UTC)
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Treitz-Saurwein: Marx T.-S. (Marcus Treytz-Saurwein) von Ehrentreitz, Kaiser Maximilian’s I. Geheimschreiber, geboren in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Mühlau bei Innsbruck, † am 6. September 1527 zu Wiener-Neustadt. Er war der Sohn eines Harnischschlägers oder Plattners in Mühlau, dessen Vorfahren, wenigstens der Vater, ebenfalls dort dasselbe Geschäft betrieben hatten, wie denn Mühlau überhaupt durch diese Industrie berühmt war. König Maximilian zog ihn vermuthlich in Anerkennung besonderer Begabung früh in seine Dienste, indem er ihn zu seinem Geheimschreiber ausbilden ließ. Der Kaiser schreibt später verschiedentlich: T. habe ihm von Jugend auf gedient. In Acten begegnet er uns zuerst im J. 1501 und nennt sich bei dieser Gelegenheit bereits mit dem Zunamen Saurwein. Die Saurwein sind ein im Innthal damals weit verbreitetes Geschlecht, mit dem T. verwandt war, was ihn jedoch zur Annahme des Namens veranlaßt hat, ist bisher nicht festgestellt; sein eigenes Geschlecht, von dem uns verschiedene Mitglieder urkundlich bekannt sind, nennt sich stets nur Treitz. Der Kaiser, der sich, wie es auch an einer Stelle im Weißkunig heißt, diesen „seinen Secretari allwegen von jugent nach seinem willen aufzog“, gewährte ihm stets eine hervorragende Gunst. In zwei Fällen, 1505 und 1506, wo während der Reise T. ihn wegen privater Geschäfte nicht hatte begleiten können, läßt er ihn als unentbehrlich kommen, indem er ihm auf kaiserliche Kosten einen Stellvertreter für die eigenen Geschäfte besorgt. Auch bedenkt er ihn oft und reichlich mit Geschenken in Geld, Bergwerksantheilen und Landbesitz. 1509 verleiht er ihm eine lebenslängliche Jahresrente von 100 Gulden. Solche Gunst für T. pflanzt sich, wie wir sehen werden, auch noch auf Erzherzog Ferdinand und Kaiser Karl V. fort. Gleichwol gerieth T. im J. 1510 in schwere Bedrängniß. Eine böse Krankheit, schreibt er, habe ihn ganz verderbt; all sein Geld sei drauf gegangen; sein Besitz verpfändet; er bitte den Kaiser um eine Beihülfe zu einstweiliger Uebersiedelung nach Wien. Es scheint, daß er sich auch nach erfolgter Genesung nicht mehr dauernd im unmittelbaren Gefolge des Kaisers aufgehalten habe. Im übrigen aber gestaltete sich sein Schicksal bald wieder sehr günstig. An den litterarischen Arbeiten Kaiser Maximilian’s, von denen gleich die Rede sein soll, arbeitete er unverdrossen weiter. Erzherzog Ferdinand aber ernannte ihn an Salamanca’s Stelle zum Verwalter der niederösterreichischen Kanzlei, und in dieser einträglichen Stellung blieb er bis an seinen Tod. Im J. 1520 erhielt er das ihm schon von Kaiser Maximilian auf den Tod des bisherigen Inhabers „pflegweise verschriebene Schloß Stüchsenstein“ in Niederösterreich; unter dem [560] gleichen Datum ernannte ihn Kaiser Karl zu seinem Rath und Secretär, und noch am 14. December desselben Jahres ward er mit dem Namen „von Ehrentreitz“ in den Adelstand erhoben. Ehrentreitz war ein Schlößchen bei Mühlau, jetzt Kuratwidum. Bei seinem Tode hinterließ er seiner Wittwe, geborenen Keck und seiner Tochter Maria, verehelichter Strein, ein recht ansehnliches Vermögen. Sehr merkwürdig ist eine Bestimmung seines im J. 1525 geschriebenen Testamentes: nach seinem Tode soll am 1., 7. und 30. keine Messe gehalten werden noch Opfer geschehen, sondern „nur das lauter Evangelium gepredigt werden“. T. hatte sich also offenbar der reformatorischen Bewegung angeschlossen, die eben in jenem Jahr in Wien so hohe Wellen trieb (vgl. den Artikel Kaspar Tauber, A. D. B. XXXVII, 423).

Das bleibende Andenken dankt T. dem Antheil, welchen er an Kaiser Maximilian’s litterarischen Arbeiten gehabt hat. Ausdrücklich bezeugt wird er uns für drei Werke. Wie die Wiener Handschriften des Teuerdank beweisen, ist das Gedicht in dieser seiner ersten Gestalt, also nicht nur seiner Idee und Anlage, sondern auch seiner ersten Versificirung nach aus gemeinsamer Arbeit des Kaisers und Treitz-Saurwein’s hervorgegangen, ohne daß sich bestimmen ließe, wie unter Beide die Arbeit sich vertheilte. Dann allerdings ward die Sache dem Melchior Pfintzing übergeben, dessen Ueberarbeitung der ersten Ausgabe von 1517 zu Grunde liegt (s. A. D. B. XXV, 664 f.). Ebenfalls an dem Text für die Ehren- oder Triumphpforte war T. beschäftigt; er lieferte diese Arbeit 1513 dem Kaiser ab; die Vollendung ward dem Stabius (s. A. D. B. XXXV, 337) übertragen. Wichtiger als Beides aber ist die Abfassung des Weißkunigs, d. h. des weißen Königs, nicht des weisen. Schon Cuspinian (s. A. D. B. IV, 662), der zu den Vertrauten des Kaisers gehörte, schreibt in seiner Vita Maximiliani p. 723: Scripsit Maximilianus Caesar patria lingua … res proprias … opere insigno cui titulus: Albus rex. Das Werk besteht nämlich in seinem wichtigsten Theil aus Dictaten, die der Kaiser je nach Lust und Muse seinen verschiedenen Schreibern machte. Auf Befehl des Kaisers redigirte T. selbst 1514 die beiden ersten Bücher (s. u.), machte von den weiteren Dictaten eine saubere Abschrift und übersandte das Werk in dieser vorläufigen Gestalt (Papierhandschr. der Wiener Hofbibliothek 3032 hist. prof. 16) zu weiterer Förderung dem Kaiser. Dieser selbst bezeichnete es bei diesem Anlaß als die ungefähre Hälfte des geplanten Ganzen. Zu einer wirklichen Durcharbeitung und Fortsetzung gelangte es indessen auch in den folgenden Jahren nicht, obgleich T. 1515 ein „Fragebuch“ zusammenstellte, das die nothwendigen Aufschlüsse vom Kaiser erbitten sollte. Als 1517 der Kaiser mit seinen beiden Enkeln Karl und Ferdinand in Brüssel zusammenkam, durfte T. den beiden Erzherzogen ihnen „zu ehren und zu ainer underweisung“ die Handschrift von 1514 mit einer Widmung von 1517 überreichen, worin er bemerkt, es sei noch kein fertiges Werk, sondern nur erst eine „Materi“. Inzwischen hatte der Kaiser bereits Hunderte von Bildern dafür entwerfen, zeichnen und großentheils auch schon schneiden, auch für die weitere Durcharbeitung neue Abschriften anfertigen lassen. Probedrucke vieler Bilder wurden eingeordnet. Weiter aber gedieh die Arbeit nicht. Nach des Kaisers Tode (12. Januar 1519) ließ Erzherzog Ferdinand d. d. Augsburg, 6. März 1526 an die Raitkammer zu Innsbruck schreiben, T. habe sich verpflichtet, den Weißkunig fertig zu stellen, man möge einen Kasten mit den Handschriften und Holztafeln, der sich dort im Schlosse finden werde, nach Wien schicken und ebenso diejenigen Aufzeichnungen zur Geschichte des Kaisers, die man aus Freiburg i. Br. von Dr. Mändl erhalten werde. Mändl ist Jakob Mennel (s. A. D. B. XXI, 358). Die Raitkammer antwortete jedoch, es habe sich weder in Innsbruck der bezeichnete Kasten gefunden, noch sei aus Freiburg etwas übersandt worden, und [561] der schon 1527 erfolgte Tod Treitz-Saurwein’s mag die weiteren Nachforschungen unterbrochen haben. Handschriften und Holztafeln gingen einstweilen verloren, bis Peter Lambeck (s. A. D. B. XVII, 533) das gesammte Material in der Wiener Hofbibliothek wieder auffand. So ist also der letzte und wichtigste Theil des Werkes nicht nur unvollendet, sondern auch in theilweiser Unordnung verblieben. Ein erster Druck in Folio wurde erst 1775 veranstaltet, 1888 aber erschien in dem Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des (österreich.) Allerhöchsten Kaiserhauses eine mit vorzüglichen Nachbildungen der Holzschnitte ausgestattete, auf kritischer Benutzung der sämmtlichen erhaltenen Handschriften beruhende Ausgabe von Alwin Schultz.

Als Geschichtsquelle ist trotz des unfertigen Zustandes der Weißkunig die wichtigste unter den autobiographischen Arbeiten des Kaisers. Das Werk war von Anfang an auf drei Theile berechnet. Während der Teuerdank die persönlichen Muth- und Ehrenthaten des Kaisers im Rahmen der Werbung des Teuerdank um die Hand der Königin Ehrenhold, mit der Maria von Burgund identificirt wird, darstellt, sollte der Weißkunig die kriegerischen Heldenthaten seines Regentenlebens verherrlichen. Der erste Theil S. 1–46 der Schultz’schen Ausgabe enthält als Vorgeschichte Maximilian’s die Werbung Friedrich’s III. um Eleonore von Portugal, seine Vermählung und Kaiserkrönung in Rom und die Rückkehr nach Oesterreich. Eine prophetische Andeutung von der göttlichen Bestimmung des aus dieser Ehe entsprießenden Sohnes zur Befreiung der Christenheit von den Türken durchzieht die Erzählung. Das Werk fügt sich hiermit an den Schluß des Teuerdank an. Denn dort erklärt die Königin Ehrenhold, sie müsse ihrem Ritter trotz aller ihr in persönlicher Tapferkeit bewiesenen Hingebung ihre Hand dennoch vorenthalten, bis er das Gebiet der Christenheit von den eingedrungenen Türken wieder befreit habe. Teuerdank antwortet ihr: „Die rays will ich gern nemen an; Got wel mir darzu glück geben, Unnd mir darinn fristen mein leben“. Man erinnere sich, daß die Wiedereroberung Konstantinopels gewissermaßen das politische Stichwort schon der ersten Regentenjahre Maximilian’s bildet. Dieser erste Theil ist übrigens der Hauptsache nach auf der Grundlage von Nikol. Lanckmann’s Historia desponsationis et coronationis Friderici III. abgefaßt und darf wol ganz als eigene Arbeit Treitz-Saurwein’s betrachtet werden. Im zweiten Theil, S. 47–145 des Drucks, folgt Maximilian’s Geburt, Jugend, Erziehung (ein culturgeschichtlich beachtenswerther Abschnitt) und Vermählung mit Maria von Burgund (1477). Auch dieses alles dürfte im wesentlichen Treitz-Saurwein’s eigene Arbeit sein, bei der Maximilian nur hier und da erzählend eingriff. Im dritten Theil, S. 146–369 des Drucks, folgen dann die Kriegsthaten, auf die das Ganze abgesehen war. Sie reichen vom französischen Kriege von 1478 bis zu den italienisch-französischen Kriegen von 1513. Der Kaiser dictirte aber nicht in zusammenhängender Erzählung, sondern in lauter einzelnen Bruchstücken und leider seiner romantischen Art gemäß überall ohne Nennung von Namen. Dadurch wurde seinem Geheimschreiber hinterher eine durchgreifend richtige Anordnung geradezu unmöglich, ja der Kaiser selbst wußte nachher manches Einzelne nicht mehr zu bestimmen. Der Schluß des Ganzen fehlt aber nicht, weil der Kaiser ihn nicht dictirte, sondern weil er ihn nicht erlebte; denn nach der ganzen Anlage des Werkes sollte ja diesen Schluß die Besiegung der Türken bilden. Noch einmal auf seinem letzten Reichstage von 1518 traf Maximilian mit letztem Eifer die Anstalten dazu, um wenige Wochen nachher die Augen zu schließen.

D. Schönherr, Ueber Marx Treytz-Saurwein im Archiv f. Oesterr. Geschichte Bd. 48 (1872, S. 355–374). – R. v. Liliencron, Der Weißkunig [562] Kaiser Maximilian I. in W. H. Riehl’s histor. Taschenbuch, fünfte Folge, 3. Jahrg. (1873) und die Einleitung zur oben angeführten Ausgabe von Alwin Schultz.