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ADB:Stumpf, Johannes (Schweizer Historiker)

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Artikel „Stumpf, Johannes“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 751–754, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stumpf,_Johannes_(Schweizer_Historiker)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:29 Uhr UTC)
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Band 36 (1893), S. 751–754 (Quelle).
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Stumpf: Johannes St., schweizerischer Historiker; geboren in Bruchsal am 23. April 1500, † in Zürich nach 1574, vermuthlich 1576. Sohn des Hans St., Gerbers und Bürgermeisters in Bruchsal, aus einem ursprünglich in Fuchsstadt im Odenwald ansässigen Geschlechte, erhielt St. in den Schulen seiner Vaterstadt, dann – nicht ohne viele Entbehrungen zu tragen – in Landau, Durlach, Frankfurt a. M. und Straßburg Unterricht, erwarb sich 1517–1520 auf der Hochschule Heidelberg. wo er Studiengenosse von J. Brenz (s. A. D. B. III, 314) war, die zum Berufe eines Geistlichen nöthige Bildung, und trat 1520 in Dienst bei dem bischöflichen Notar in Speier. Hier fand er Gunst bei dem Johannitermeister Johann v. Hattstein, wurde von ihm in den Orden aufgenommen und ins Ordenshaus in Freiburg im Breisgau gesandt, wo er sich dem Predigtamt widmete. In Basel zum Priester geweiht und 1522 als Prior in das Ordenshaus Bubikon im zürcherischen Gebiete versetzt, wurde er im Herbste gl. J. mit dem Pfarramt der Kirchgemeinde Bubikon bekleidet, dessen Collatur dem Orden zustand. Es war die Zeit von Zwingli’s erstem Wirken in Zürich. St. schloß sich der Reformation an, führte ihr seine Pfarrgemeinde zu, begleitete 1528 Zwingli, mit dem er nahe befreundet war, zur Disputation nach Bern, und blieb, seit 1532 zugleich Decan des Capitels Ober-Wetzikon, als reformirter Pfarrer während 21 Jahren in Bubikon. 1543 von der zürcherischen Regierung auf die Pfarre Stammheim berufen und 1547 Decan des Capitels Stein, zu welchem seine neue Gemeinde zählte, verwaltete St. auch diese Aemter fast zwei Jahrzehnte lang, bis ihn Abnahme des Gedächtnisses und des Gesichtes Ende [752] 1561 bewogen, um seine Entlassung einzukommen. Er ließ sich jetzt in Zürich nieder, wo man ihn 1548 mit dem Stadtbürgerrechte beschenkt hatte, und brachte daselbst seine übrigen Jahre in einer Zurückgezogenheit zu, die später die irrige Meinung erzeugte und bis 1890 bestehen ließ, St. sei schon 1566 gestorben. Wahrscheinlich erfolgte sein Hinschied (noch 1574 wird ihm eine Rechnung abgelegt) erst im J. 1576. – Eine große Lebensarbeit lag abgeschlossen hinter dem 60jährigen Manne, als er in den Ruhestand trat. Denn während seiner 40 Jahre treuer pfarramtlicher Wirksamkeit hatte St. sich gleichzeitig in beharrlichster Weise mit historischen Arbeiten beschäftigt, die vorzüglich seiner schweizerischen Heimath galten. Schon 1529 empfing er dazu äußerlich Antrieb durch seine Vermählung mit einer Tochter des aus angesehener zürcherischer Familie stammenden Heinrich Brennwald, gewesenen letzten Propstes des 1525 aufgehobenen Chorherrenstiftes Embrach. Brennwald, bis zu seinem Tode († 26. Juli 1551) ein eifriger Sammler geschichtlicher und heraldischer Materialien, hatte u. a. eine schweizerische Chronik angelegt, welche – in wohlerwogener Anordnung – zunächst die Geschichte jedes einzelnen „Ortes“ (Gliedes) der Eidgenossenschaft bis zu seinem Eintritte in den Bund, und in einem zweiten Theile des Werkes die Gesammtgeschichte der Eidgenossenschaft bis auf Brennwald’s Zeit (1332 bis 1509) erzählte. Die Chronik (obwohl nur Handschrift) fand solche Beachtung, daß schon 1529 der Rath von Bern bei Zürich mit der Bitte einkam, dieselbe dem Verfasser der neuen amtlichen Stadtchronik von Bern, Valerius Anshelm (s. A. D. B. I, 483), zur Einsicht mitzutheilen, worauf denn auch Anshelm Brennwald’s Werk wirklich benutzte. St., dem seines Schwiegervaters Arbeiten zu Gebote standen, unternahm es, in einem größern Werke mit einem summarischen Ueberblicke Europas und der Geschichte Germaniens und Galliens, eine vollständige topographische Beschreibung und Geschichte der Eidgenossenschaft – letztere nach ähnlichem Plane wie Brennwald’s Chronik – zu verbinden. 20 Jahre emsiger Arbeit verwandte er auf die Ausführung dieses Unternehmens, unterstützt durch die kundigsten Männer in verschiedenen Theilen der Schweiz. Vadian, den St. 1545 mit Empfehlung von Bullinger besuchte, überließ ihm seine eignen Arbeiten zu ausgiebigster Benutzung; Aegidius Tschudi stellte ihm die selbstgesammelten römischen Inschriften in der Schweiz und Auslegung einer Anzahl von St. copirter Inschriften zu; vieles sammelte St. selbst an Ort und Stelle, wie insbesondere, im Herbste 1544, auf einer Reise über Luzern, Engelberg und die Grimsel ins Wallis, und über Freiburg, Lausanne und Bern heimwärts. Gegen Ende 1546 sah sich St. am Schlusse der großen Arbeit. Mit Vorrede vom 16. November widmete er nun den 13 Orten und den Zugewandten der Eidgenossenschaft sein Werk, das (in den 13 Dedicationsexemplaren unter der Jahrzahl 1547 und) 1548 im Buchhandel unter dem Titel erschien: „Gemeiner loblicher Eydgenossenschaft Stetten Landen und Völkeren chronikwirdiger Thaaten beschreibung“. Zürich, Chr. Froschauer. 2 Bde. fol. Die beiden typographisch schönen Bände sind mit Karten, Städteansichten, Abbildungen kriegerischer und friedlicher Vorgänge, Bildnissen und Wappen, in hübschen Holzstichen reich ausgestattet. Von den 13 Büchern, in die St. sein Werk theilt, sind die drei ersten Europa, Deutschland und Frankreich gewidmet; das vierte erzählt die Geschichte der Schweiz von Cäsar’s Zeit an bis auf die Entstehung der Eidgenossenschaft, und die Befreiung der Waldstätte von Oesterreichs Herrschaft (nach Stumpf’s selbständiger Ansicht im J. 1314) und schließt mit einer Uebersicht der geographischen Eintheilung des Landes nach „Gauen“ und „Landen“, die Bücher 5–12 sind der topographischen Beschreibung dieser Gaue und der Localgeschichte der beschriebenen Orte gewidmet, und das 13. und letzte Buch führt, zusammenfassend, die Geschichte der Eidgenossenschaft vom Jahr 1314 bis auf [753] des Verfassers Zeit fort. Noch besaß man damals über die Schweiz und deren Geschichte kein gedrucktes Werk, Hemmerlin’s Schrift De Suitensium ortu (s. A. D. B. XI, 723) und die dürftigen Chroniken von Niklaus Schradin (s. A. D. B. XXXII, 440) und Petermann Etterlin (s. A. D. B. VI, 397) abgerechnet. Um so außerordentlicher und willkommener erschien Stumpf’s Leistung, die an Fülle der benutzten litterarischen Quellen und des mitgetheilten mannichfachsten Stoffes nichts zu wünschen übrig ließ und, mit einziger Ausnahme des kirchengeschichtlichen, eine sehr sachliche, über nächstvergangne Dinge, wie z. B. die Waldmannische Katastrophe in Zürich, eine sehr vorsichtige Haltung beobachtete. Allgemeiner Beifall wurde St. zu Theil. Zürich ehrte den Verfasser der Chronik durch Schenkung des Bürgerrechtes an ihn und seinen Sohn; Tschudi, der als eifriger Katholik Stumpf’s scharfes Urtheil über die katholische Hierarchie und das Mönchsthum mißbilligte, worüber St. ihn durch ein Schreiben nach Entwurf von Vadian zu begütigen suchte, bewahrte St. doch freundschaftliche Gesinnung. Die Chronik von St. blieb fortan bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts das Hauptwerk, aus welchem eingehende Kenntniß der Schweiz und ihrer Geschichte zu schöpfen war, und behielt diesen Charakter neben dem Auszuge, den St. selbst 1554 unter dem Titel: „Schwytzerchronik“ (Froschauer, Zürich 1554 u. 1574.) veröffentlichte, und dem allerdings ungleich weiter verbreiteten übersichtlichen Abrisse des Josias Simmler De republica Helvetiorum (s. A. D. B. XXXIV, 355). Eine zweite Ausgabe der Chronik erschien 1586, eine dritte 1606; erstere von Stumpf’s Sohne Joh. Rudolf (geboren 1530; 1586–1592 Antistes der zürcherischen Kirche) herausgegeben; letztere von den Pfarrern C. Waser und M. Widler. Beide Ausgaben sind mit Fortsetzung bis auf die Zeit des Erscheinens versehen, stehen aber typographisch und künstlerisch der ursprünglichen sehr nach. Nach Stumpf’s Vorgange sind die umfangreichen topographisch-historischen Werke des Campell (s. A. D. B. III, 737) über Rhätien, des J. Rüeger (s. A. D. B. XXIX, 589) über Schaffhausen, des Wurstisen (Urstisius) über Basel angelegt. Außer der Chronik veröffentlichte St. die kleinern Arbeiten: 1541 „Des großen gemeinen Conciliums zu Costanz beschreibung“ (Zürich, ohne Jahrzahl. fol.); 1556 „Keyser Heinrych’s IV. fünfftzigjährige Historia“, eine dem Pfalzgrafen Otto Heinrich gewidmete Uebersetzung der mittelalterlichen „Vita Henrici imperatoris“ (Zürich, fol.) und 1563 „Vom jüngsten Tag und der Zukunfft unsers Hern Jesu Christi“. Erst 1573 erschienen im Druck Stumpf’s Verse zu Ehren der 13 eidgenössischen Orte, die wohl viel früher, im Zusammenhang mit Ueberreichung seiner Chronik an die 13 Orte und dafür erhaltenen Geschenken, entstanden. Ohne den Namen des Verfassers zu tragen, begleiten sie kleine Prospecte der schweizerischen Hauptstädte und Flecken, die unter dem Titel vereinigt sind: „Die dryzehen Ort der Loblichen Eydgnosschaft des alten Bundes Hoher Teutscher Nation“ etc. (23 Blätter fol. Basel bei Christoffel von Sichem, Formschneider).

Haller, Bibl. der schweiz. Geschichte IV, Nr. 397. – Kirchenrath S. Vögelin, J. Stumpf. Neujahrsblatt der Stadtbibl. Zürich 1836. (Mit Bildniß Stumpf’s). – Theod. Mommsen, Inscriptiones Confoederationis helveticae latinae. Turici 1854. – Bibliothekar Dr. H. Escher, Joh. Stumpf’s Reisebericht von 1544. Quellen zur Schweizergesch. VI. Basel 1884 und Prof. Dr. G. Meyer v. Knonau, Eine Schweizerreise eines Gelehrten im 16. Jahrh. Jahrb. des schweiz. Alpenclubs XIX. Zürich 1884. (Mit Bildniß Stumpf’s.) – Prof. Dr. Fr. S. Vögelin, Wer hat zuerst die röm. Inschriften in der Schweiz gesammelt u. erklärt? Jahrb. f. Schweizergesch. XI. Zürich 1886. – Prof. Dr. Alfr. Stern, Einige Bemerkungen über die sogenannte Brennwald’sche Chronik. Ebendas. XII. Zürich 1887. – Prof. Dr. J. Bächtold, [754] Johannes Stumpf’s Lobsprüche auf die dreizehn Orte nebst einem Beitrag zu seiner Biographie. Neujahrsbl. der Stadtbibl. Zürich 1890. – Ebenders., Geschichte der deutschen Litteratur in der Schweiz. Frauenfeld 1892.