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ADB:Stenzel, Johann Anton

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Artikel „Stenzel, Johann Anton“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 57–58, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stenzel,_Johann_Anton&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:05 Uhr UTC)
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Stenzel: Johann Anton St., auch Stänzel geschrieben, Schauspieler, wurde im J. 1705 (oder 1704?) zu Jerschomaritz in Böhmen geboren und mit zehn Jahren auf das Gymnasium der Jesuiten nach Gitschin geschickt. Im J. 1730 bezog er die Universität Prag, wo er drei Jahre hindurch ein flottes Studentenleben führte. Als er hierauf nach Wien kam, regte sich in ihm die Lust zum Theater. Er ließ sich im J. 1733 von dem Principal Nachtigall nach Brünn engagiren und zog mit dessen Truppe in Oesterreich, Mähren und Steiermark umher. Als sich die Truppe auflöste, schloß er sich der Gesellschaft des Directors Johann Friedrich Lorenz an, mit der er zuerst nach Krumau an den Hof des Fürsten Schwarzenberg und dann vielleicht auch nach Holstein und im J. 1738 an den Hof zu Weimar kam. Bald darauf finden wir ihn bei Eckenberg, [58] der unter dem Namen der „starke Mann“ bekannt war und namentlich Harlekinaden aufführen ließ. Als dessen Gesellschaft in Bremen auseinander ging, trat er zu Schuch über (im J. 1740), der sich gerade in der Nähe befand. Er wurde die Hauptstütze der Schuch’schen Gesellschaft, bei der er es 39 Jahre lang aushielt, alle Glücks- und Unglücksfälle mit ihr theilend. Namentlich zeichnete er sich in den Stegreifscomödien Franz Schuch’s aus. Er spielte in ihnen den Anselmo und Pantalon und errang sich in diesen Rollen selbst den Beifall eines Lessing. Doch leistete er auch in regelmäßigen Stücken so Vorzügliches, daß er nach Brandes’ Urtheil nächst Eckhof den ersten Rang behauptete. In einer im J. 1758 zu Danzig gedruckten „critischen Nachricht“ über die Schuch’sche Gesellschaft heißt es von St.: „Herr Stänzel macht dem deutschen Theater Ehre. Er ist ein großer Schauspieler, spielt für den Verstand und fürs Herz, für den Kenner und für Jedermann. Er spielt stets mit Einsicht, die er durch lange Erfahrung sich erworben und durch beständigen Fleiß sich erhalten hat. Er hat die schwere Kunst inne, sich in fremde Karaktere zu versetzen. Er spielt natürlich, dieses Wort in seinem wahren und richtigen Verstande genommen. Er spielt mit Ueberlegung, sowohl in Absicht auf das Ganze, als auf jede besondere Theile. Er betrachtet das Gemälde, das er ausdrücken soll, von allen Seiten und erwählt die schönste; er vergißt weder das Kühne und Freie in der Zeichnung, noch das Delicate und Gewählte in der Ausführung. Er läßt sich in alle kleine Nüancen aus, und bildet jeden Gedanken auf seine besondere und mehrentheils wahre Art aus. Er beobachtet alle Feinheiten, die nur dem Kenner ins Auge fallen, ohne dabei die starken Züge, die das Herz rühren, zu vergessen. Er thut keinen Schritt umsonst, und rührt keine Hand ohne Ursache. Seine Stellung ist groß und regelmäßig. Seine Gestalt ist ansehnlich, seine Miene edel, und sein Anstand richtig. Er weiß Stellung und Bewegung vollkommen wohl jedem Karakter anzumessen, und nach jedem Nebenstriche in demselben abzuändern.“ Unter seinen Rollen wird namentlich sein „Sir Sampson“ in Lessing’s Miß Sara Sampson, der „Brutus“ in Corneille’s gleichnamiger Tragödie und der „Mithridates“ in Racine’s Mithridates gerühmt. Von den Städten, in denen St. mit der fortwährend auf der Wanderung begriffenen Schuch’schen Truppe auftrat, erscheinen als die wichtigsten: Frankfurt a. M. (1748, 1750–1752), Hamburg, Breslau, Danzig (1757) und namentlich Berlin, das als die Hauptstätte der Thätigkeit der Gesellschaft anzusehen ist. Als in seinen alten Tagen die Aussichten der Schuch’schen Truppe, die längst auf die Söhne des Franz Schuch übergegangen war, immer schlechter wurden, wandte sich St. an seinen Freund Döbbelin mit der Bitte, ihm bei seiner Berliner Truppe Aufnahme zu gewähren. Er fand sie im J. 1779, trat aber nur noch drei- oder viermal auf der Bühne auf, da er bereits invalid war und mehr und mehr sein Augenlicht verlor. Er starb in Berlin am 6. April 1781.

Vgl. (Chr. H. Schmid,) Chronologie des deutschen Theaters. s. l. 1775. S. 100. 184. – Litteratur- und Theater-Zeitung. Jahrg. IV. Theil II. S. 251–256. Berlin 1781. – C. M. Plümicke, Entwurf einer Theatergeschichte von Berlin S. 314. Berlin u. Stettin 1781. – Joh. Chr. Brandes, Meine Lebensgeschichte I, 233. Berlin 1799. – Ed. Devrient, Geschichte der deutschen Schauspielkunst II, 72. 73. Leipzig 1848. – E. A. Hagen, Geschichte des Theaters in Preußen S. 249. 250. 273. Königsberg 1854. – A. E. Brachvogel, Geschichte des kgl. Theaters zu Berlin I, 152. 154. 156. 168. 186. 304. Berlin 1877. – Th. W. Danzel und G. E. Guhrauer, G. E. Lessing. 2. Aufl. II, 327. 663. Berlin 1881. – E. Mentzel im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Neue Folge. 9. Band. S. 213. 214. 215. 223. Frankfurt a. M. 1882.