Zum Inhalt springen

ADB:Schwarze, Friedrich von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schwarze, Friedrich von“ von Johannes von Schwarze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 253–256, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwarze,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:34 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schwarz, Theodor
Nächster>>>
Schwarzel, Karl
Band 33 (1891), S. 253–256 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Oskar von Schwarze in der Wikipedia
Friedrich Oskar von Schwarze in Wikidata
GND-Nummer 115489657
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|33|253|256|Schwarze, Friedrich von|Johannes von Schwarze|ADB:Schwarze, Friedrich von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=115489657}}    

Schwarze: Dr. Ludwig Friedrich Oscar v. S., Jurist, ward geboren am 30. September 1816 zu Löbau im Königreich Sachsen. Dort fungirte damals sein Vater Dr. Friedrich Schwarze als Stadtphysicus, siedelte aber bald nach Dresden über, wo er als kgl. sächs. Hofrath gestorben ist. So erhielt der Sohn seine gymnasiale Bildung auf der Kreuzschule in Dresden, bezog dann 1834 die Universität Leipzig, um sich dem Studium der Rechte zu widmen, hörte dort insbesondere Vorlesungen von Wächter, Schneider, Schilling, Günther, Drobisch und Krug und ward nach absolvirtem Triennium, Examen und Doctorpromotion in Dresden zuerst bei dem Justizamt, dann in der Advocatur, weiter (1839) als Vortragssecretair im Cultusministerium und als Hülfsarbeiter im Appellationsgericht beschäftigt. 1846 zum Mitglied des Spruchcollegiums zu Leipzig ernannt und 1848 als Hülfsarbeiter in das Oberappellationsgericht zu Dresden berufen, ward er 1854 zum Rath an diesem Gerichtshofe befördert. Doch schon am 1. October 1856 wurde er aus Anlaß der neuen Justizorganisation zum Oberstaatsanwalt und Chef der kgl. sächs. Staatsanwaltschaft ernannt und erhielt 1860 den Titel Generalstaatsanwalt. In dieser von ihm selbst geschaffenen Stellung verblieb er, obwohl ihm mehrfach Universitätsprofessuren und 1879 die Stelle eines Senatspräsidenten am Reichsgericht angetragen wurden, bis ein hartnäckiges Halsleiden, welchem weder die Kunst der Aerzte, noch wiederholte Badereisen Einhalt gebieten konnten, ihn nöthigte, seine Entlassung aus dem Staatsdienste nachzusuchen. Dieselbe wurde ihm am 1. April 1885 in der ehrenvollsten Weise und unter der Verleihung des Titels „Wirklicher Geheimer Rath“ mit dem Prädicate „Excellenz“ bewilligt. Von anderen gleichzeitigen Beweisen der Anerkennung und Verehrung sei hier noch erwähnt, daß ihm die Stadt Dresden, zu deren Stadtverordnetencollegium er fast ein Jahrzehnt gehört hatte, das Ehrenbürgerrecht verlieh, eine Auszeichnung, welche ihm seine Vaterstadt Löbau bereits früher hatte zu Theil werden lassen. Aber auch, nachdem er in den Ruhestand getreten war, setzte er, soweit es seine schwindenden Kräfte gestatteten, die gewohnte schriftstellerische Thätigkeit fort, bis der Tod seinem Wirken ein Ziel setzte.

Als S. kurz vor seinem Ende um einige Zeilen für ein Album des dritten internationalen Gefängnißcongresses in Rom gebeten wurde, schrieb er: „Auch im schwersten Verbrecher schlummert ein Gefühl, an welchem er zur Einkehr in sich selbst mit bestem Erfolge aufgemuntert werden kann; es gilt nur, es zu ergründen und zu erwecken“. (Souvenir du 3me congrès pénitentiaire international, Rome Forzani & Co. 1885 S. 1). Zeigen uns diese Worte den Mann mit dem warmen Herzen auch für die Elendesten seiner Mitmenschen, so lassen sie auch den Juristen erkennen, der in seiner amtlichen Stellung in seltener Weise die Milde mit der Strenge des Gesetzes zu verbinden verstand. Gesellte sich zu dieser Eigenschaft des Charakters bei ihm noch eine vertraute Bekanntschaft mit der juristischen Litteratur, eine umfassende Kenntniß der auswärtigen Gesetzgebung, ein scharfer Blick für das jeweilige praktische Bedürfniß und eine außergewöhnliche Begabung, dem Gedanken gemeinverständlichen, klaren und erschöpfenden Ausdruck zu geben, so mußte er als vorzugsweise befähigt erscheinen für eine gesetzgeberische Thätigkeit. Eine solche begann für ihn bereits im Jahre 1848 mit der Berufung [254] in die Commission zur Bearbeitung einer Strafproceßordnung für das Königreich Sachsen, und es war ihm durch die Zeitereignisse vergönnt, sie durch mehrere Decennien in immer weiteren Kreisen zu entfalten. Die am 1. October 1856 in Kraft getretene, auch heute noch als ein Musterwerk geschätzte, auf Anklageform, Mündlichkeit und Oeffentlichkeit beruhende Strafproceßordnung ist sein Werk. Er hat darin die Staatsanwaltschaft auf den Standpunkt gestellt, daß sie nicht bloß darüber zu wachen habe, daß Niemand der durch eine strafbare Handlung verwirkten Strafe entgehe, sondern auch darüber, daß Niemand schuldlos verfolgt und der Schuldige mit keiner schwereren, als der im Gesetz bestimmten Strafe belegt werde. Unter seiner wesentlichen Mitwirkung kamen im Jahre 1868 das Revidirte Strafgesetzbuch (Abschaffung der Todesstrafe) und die Revidirte Strafproceßordnung mit den dieselbe ergänzenden Gesetzen (Geschworene und Schöffen betr.) zu Stande. Die durch letztere erfolgte Einführung von Schöffengerichten für die mittleren Strafsachen war besonders Schwarze’s Werk; sie bewährten sich vollständig und genossen sowohl des Ansehens bei den Fachmännern, wie des Vertrauens bei der Bevölkerung und nicht zum wenigsten auf diesen Erfolg ist es zurückzuführen, daß der im Jahre 1873 dem Bundesrathe vorgelegte Entwurf einer Strafproceßordnung für das Deutsche Reich die Durchführung des Schöffengerichtssystems unter Beseitigung des Geschworeneninstituts vorschlug und daß dieser Vorschlag von der von dem Bundesrathe zur Berathung und Feststellung des Entwurfs niedergesetzten Commission von 11 deutschen Juristen mit erheblicher Majorität angenommen wurde. Erwies sich auch die Einführung von Schöffengerichten im Deutschen Reich für alle Strafsachen zur Zeit als unausführbar, so behält doch der in Sachsen mit Erfolg gemachte Versuch auch für die Zukunft seine Bedeutung und das Verdienst Schwarze’s darum ist ein bleibendes.

Die politische Umgestaltung Deutschlands im Jahre 1866 erweiterte für S. das Feld gesetzgeberischer Thätigkeit. Bereits im Jahre 1867 wurde er im Wahlkreise Dresden rechts der Elbe in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt und trotz vielfacher, insbesondere socialdemokratischer Anfechtungen blieb ihm jener Wahlkreies mit seltener Anhänglichkeit treu, bis er selbst 1884 in Folge des obenerwähnten Leidens, welches den mit glänzender Rednergabe Ausgestatteten zuletzt der Stimme völlig beraubte, auf sein Mandat verzichten mußte. Im ersten Deutschen Reichstag war er der liberalen Reichspartei beigetreten, als diese jedoch 1873 nicht wieder zu Stande kam, schloß er sich der Deutschen Reichspartei (Freiconservative Partei) an, zu deren Führern er fortan gehörte. Unter den Männern, welche für die Herstellung der deutschen Rechtseinheit gewirkt haben, nahm er eine der ersten Stellen ein. Er war Mitglied fast aller Reichstagscommissionen, welchen die Berathung von Rechtsmaterien oblag, und seit Gründung des Norddeutschen Bundes gibt es kein Justizgesetz, auf dessen Inhalt er nicht den tiefgehendsten Einfluß ausgeübt hätte. Insbesondere war er Vorsitzender der Commission zur Berathung des Strafgesetzbuchs, nachdem er bereits als Mitglied und stellvertretender Vorsitzender an der zur Berathung des Entwurfs niedergesetzten Bundesrathscommission Theil genommen und im Verein mit dem K. Preuß. Geh. Oberjustizrath (nachmaligen Justizminister) Dr. Friedberg die von letzterer gefaßten Beschlüsse redigirt, sowie die Motive ausgearbeitet hatte; ferner Referent über das Reichspreßgesetz, Mitglied und stellvertretender Vorsitzender der Commission zur Berathung der sog. Deutschen Justizgesetze; Referent über die Strafproceßordnung, nachdem er auch hier schon an der Vorberathung in der von dem Bundesrath bestellten Commission Theil genommen hatte; Vorsitzender der Commission zur Berathung der Rechtsanwaltsordnung; Mitglied und Referent der Commission zur Berathung des Socialistengesetzes; [255] Vorsitzender und Referent der Commission für den Gesetzentwurf betr. den Wucher, desgleichen der Commission für den Gesetzentwurf betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungs- und Strafhaft. Daneben erfüllte er noch die ihm als Vorsitzenden seiner Abtheilung und als Mitglied der Geschäftsordnungscommission obliegenden Pflichten.

Auch auf schriftstellerischem Gebiete war S. mit Glück und seltenem Fleiße thätig. Nur die wichtigsten seiner Schriften seien hervorgehoben: „De crimine rapinae“ 1839; „Untersuchung practisch wichtiger Materien aus dem Gebiet des im Königreich Sachsen geltenden Rechtes“ 1841; „Die Strafprozeßordnung des Königreichs Sachsen mit Erläuterungen“ 1855 (3. Aufl. 1863); Commentar zu derselben 1855; „Zur Lehre von dem fortgesetzten Verbrechen“ 1857; „Das Verbrechen des ausgezeichneten Diebstahls“ 1863; „Das Schwurgericht und dessen Reform“ 1865; „Bemerkungen zu der Lehre von der Verjährung im Strafrecht“ 1867; „Commentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich“ 1871 (5. Aufl. 1883); „Das Schöffengericht“ 1873; „Commentar zum Reichspreßgesetz“ 1874 (2. Aufl. 1885); „Commentar zur Deutschen Strafprozeßordnung“ 1878; „Erörterungen praktisch wichtiger Materien aus dem Deutschen Strafprozeßrechte“ 1880. Daneben ließ S. in den verschiedensten Zeitschriften eine große Zahl von Abhandlungen erscheinen. Er redigirte die „Neuen Jahrbücher für Sächs. Strafrecht“ und die „Sächsische Gerichtszeitung“, gab seit 1854 bis zu seinem Tode im Verein mit vielfach wechselnden anderen Juristen den „Gerichtssaal“ heraus und war auch bei der Redaction der „Allgem. Deutschen Strafrechtszeitung“ betheiligt. Besonders lebhaft trat er noch in den letzten Jahren seines Lebens sowohl in Schriften wie im Reichstag für die Gewährung einer Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungs- und Strafhaft ein und bekämpfte die Bestrebungen, welche auf die Einführung des Rechtsmittels der Berufung gegen die Urtheile der Strafkammern gerichtet waren. Wiederholt gab er im Auftrage auswärtiger Regierungen Gutachten über Gesetzentwürfe ab; unter den vielen ihm dafür und für seine sonstigen Verdienste um die Rechtswissenschaft gewährten Auszeichnungen sei nur die Verleihung des erblichen Adels seitens der österreichischen Regierung hervorgehoben.

Neben dieser umfassenden amtlichen, politischen und litterarischen Thätigkeit nahm S. auch an dem Vereinsleben regen Antheil. Seine persönliche Liebenswürdigkeit und Charaktermilde, seine seltene Fähigkeit, zu vermitteln und auszugleichen, machten ihn vorzugsweise geeignet, Versammlungen zu leiten. Er war einer der Begründer des Deutschen Juristentags und befürwortete schon auf dem ersten Juristentage zu Berlin 1860 die nationale Einheit des Rechts. Ohne Unterbrechung gehörte er der ständigen Deputation des Vereins an und präsidirte, so oft er an den Versammlungen Theil nahm, der 3. (strafrechtlichen) Abtheilung. An den Bestrebungen des Vereins deutscher Strafanstaltsbeamten, welcher ihn an seine Spitze berief, betheiligte er sich ebenfalls mit großem Eifer. Er gründete endlich verschiedene gemeinnützige und mildthätige Vereine, insbesondere 1866 den Militair-Hilfsverein zur Unterstützung der verwundeten sächsischen Soldaten und der Hinterlassenen Gefallener, welcher seine großartige Thätigkeit auch auf die Opfer des deutsch-französischen Krieges ausdehnte.

S. starb am 17. Januar 1886. Reich an Arbeit, reich an Erfolgen war sein Leben, das er in strengstem Pflichtgefühl ganz in den Dienst des Vaterlandes und der Wissenschaft gestellt hatte.

Weitere Nachrichten bieten noch die Nekrologe im Gerichtssaal, Bd. 38 S. 241 ff. (von Stenglein) und in der Rivista di discipline carcerarie, Rom Mai 1886 (von Beltrani-Scalia), sowie der von Dr. Rubo in der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 20. Februar 1886 gehaltene Vortrag. Auch hat [256] A. Stölzel in seinem Werke Carl Gottlieb Svarez (S. 26 und Stammtafel) 1885 die Verwandtschaft Schwarze’s mit dem Schöpfer des Preuß. Landrechts nachzuweisen versucht.