ADB:Schrön, Heinrich Ludwig Friedrich
Posselt in den mathematischen Wissenschaften weiter auszubilden. Dies geschah 1819; zwei Jahre später wurde er Posselt’s Assistent an der Sternwarte, und als dieser 1823 starb, erhielt S. die einstweilige Leitung der Anstalt, welche allerdings ihrer Einrichtung nach viel zu wünschen übrig ließ. S. beschäftigte sich deshalb, einer Anregung seines damals viel in Jena verkehrenden Gönners Goethe folgend, mehr mit Meteorologie, und der große Dichter rühmte mehrmals die ungemeine Schärfe der Wolkenbeobachtung des jungen Gelehrten. Dieser promovirte 1824 als Doctor der Philosophie und wurde hierauf mit einem Stipendium der großherzoglichen Regierung auf den Seeberg bei Gotha zu v. Zach gesendet, wo er fünf Jahre verblieb und sich, freilich weniger zum Beobachter, als zum geschickten und ausdauernden astronomischen Rechner ausbildete. Im J. 1829 wurde er wirklicher Director der Jenaer Sternwarte, 1834 auch Professor, und beide Stellungen hat er bis zu seinem Tode bekleidet, der ihn, nachdem er noch 1874 sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum hatte feiern dürfen, infolge einer Lungenlähmung ereilte. Seine Gattin war ihm längst im Tode vorausgegangen; sein einziger Sohn lebt als Augenarzt in Jena.
Schrön: Heinrich Ludwig Friedrich S., Astronom, geboren am 17. Februar 1799 zu Weimar, † am 18. Mai 1875 zu Jena. Ueber Schrön’s Jugend waltete kein günstiger Stern; schon mit dem zweiten Lebensjahre verlor er den Vater, einen Unterbeamten, als Gymnasiast auch die Mutter, und so stand er als Doppelwaise mittellos da. Nur mühsam und durch Privatunterricht gelang es ihm, die Schule zu durchlaufen, worauf er glücklicherweise, da er sich gute mathematische Kenntnisse erworben hatte, bei der damals gerade im Gange befindlichen Weimarischen Landesvermessung Verwendung fand. Er brachte es bis zum Conducteur und begab sich als solcher nach Jena, um sich dort unterFür Astronomie hat S., wie schon bemerkt, aus Mangel an Mitteln praktisch wenig leisten können, doch behandelte er alle Theile derselben, und zwar in mathematischer sowohl, wie auch in populärer Weise, in seinen Vorlesungen. Außerdem las er elementare Mathematik, Differential- und Integralrechnung u. dgl., daneben im agronomischen Institute Feldmeßkunst und im pharmaceutischen Institute Stöchiometrie. Diese letztere Disciplin, der mathematische Theil der Chemie, regte ihn zu litterarischer Thätigkeit an, wie ein akademisches Programm von 1845 und die zu Hannover 1846 herausgekommenen „Stöchiometr. Hilfstafeln“ beweisen. Die älteren Jahrgänge seiner mit höchstem Fleiße angestellten Witterungsbeobachtungen vermochte S. dadurch zu publiciren, daß die Regierung, auf Goethe’s Andringen, die Druckkosten übernahm, allein als letzterem Herr v. Schweizer als Cabinetsminister folgte, hörte diese Unterstützung auf, und auch die leopoldinisch-carolinische Akademie der Naturforscher, welche S. 1824 in ihre Reihen aufgenommen hatte, vermochte für die bedeutenden Mittel, welche die Herausgabe jener Annalen erforderten, nicht auf die Dauer aufzukommen. So sind denn diese großentheils Manuscript geblieben. S. wendete seine Thätigkeit nunmehr vorwiegend einem Gegenstande zu, mit welchem er anläßlich der großen numerischen Rechnungen, die er auf der Seeberger Sternwarte auszuführen hatte, vertraut geworden war: der Verbesserung der Zahlentafeln. 1835 erschienen seine 3- und 5stelligen Logarithmen, 1845 seine „Mathem. Hilfstafeln“, und alsdann trat er an die Aufgabe heran, deren glückliche Lösung seinen Namen der Nachwelt erhalten wird. Unbekümmert darum, daß Bremiker soeben mit seinem eine neue Richtung inaugurirenden Tabellenwerke hervorgetreten war, verabredete er mit der bekannten Verlagsbuchhandlung Vieweg in Braunschweig die Herausgabe einer großen, nach ganz neuen Principien eingerichteten Logarithmentafel zu 7 Stellen; allerdings währte es noch längere Zeit, bis dieselbe ans Licht kam, da S. mit dem Verleger in einen unangenehmen Proceß [556] darüber gerieth, ob das Werk stereotypirt werden solle oder nicht. Nach dessen Beendigung, die freilich für S. die Verzichtleistung auf jedes Honorar mit sich brachte, erfolgte endlich die Ausgabe im J. 1863, und das Publicum erhielt ein typographisches Meisterwerk, welches sich durch eine Menge kleiner, aber dem Rechner wichtiger, Neuerungen in seiner Einrichtung auszeichnet, daneben aber noch, wie eine von Gernerth in Wien vorgenommene Revision ergab, von sämmtlichen Concurrenzwerken das genaueste und fehlerloseste ist. Selbst in Frankreich wurde, wie General Morin dem Autor mittheilte, diese neue Logarithmentafel derjenigen von Callet vorgezogen, welche dort bis dahin nahezu souverän das Feld behauptet hatte.
- Leopoldina, 1875, S. 100 ff. (Nekrolog von Schrön’s langjährigem Collegen H. Schaeffer). – Bratranek, Goethe’s naturwissenschaftliche Correspondenz II, 232 ff. Leipzig 1874.