ADB:Gerhard (erster Dombaumeister in Köln)
Albertus Magnus der Urheber des Planes gewesen, wird wol niemand, der auch nur eine Ahnung von der Summe umfassender technischer Detailkenntnisse hat, welche der Meister eines Werkes, wie der Kölner Dom, besessen haben muß, im Ernste behaupten wollen. Wie hoch auch immer die Genialität des Geistes, sowie die Universalität des Wissens in Albertus Magnus gewesen ist, so fehlt es doch an jedem Nachweis, daß er die technischen und künstlerischen Kenntnisse besessen habe, welche dem Schöpfer des Kölner Domplanes in ganz besonderem Maße geläufig sein mußten. Um so weniger kann man sich für die Annahme, daß der Plan zum Dom dem Albertus zu verdanken sei, erklären, wenn man bedenkt, daß dieser große Dominikaner gerade in der Zeit, in welcher der fragliche Plan entworfen wurde, sich nicht in Köln befand, sondern in Paris theologische Vorlesungen hielt. Meister G. hatte ohne Zweifel schon Beweise seiner hohen Befähigung gegeben, als ihm 1247 vom Erzbischof Conrad und dem Domcapitel der Auftrag wurde, den Entwurf zum Neubau einer prachtvollen Domkirche auszuarbeiten. Die Schritte, welche zur Beschaffung der nöthigen Baumittel von Seiten des Capitels gethan wurden, werden nur in Rücksicht auf einen vollständig ausgearbeiteten Bauplan für das ganze projectirte Werk geschehen sein. Man wird nicht annehmen können, daß die Bauherren, welche sich zur Errichtung einer ganz neuen Domkirche entschlossen hatten, vorläufig nur die Anfertigung eines Planes für das hohe Chor allein sollten in Auftrag gegeben haben. Darum glaube ich behaupten zu dürfen, daß Meister G. die Zeichnungen für den ganzen Dom schon im Laufe des J. 1247 entworfen hat. Zwar ist es richtig, daß der Plan zu Langbau und Querschiff, wie unser Jahrhundert ihn in unvollendeter Form vorfand, nicht im Geiste der Baukunst des 13. Jahrhunderts entworfen ist, sondern vielfach von den beim Chorbau zur Ausführung gebrachten Grundsätzen der französischen Schule abweicht. Der Grund für diese Thatsache kann nur darin [757] gesucht werden, daß die eigentliche Ausführung des ursprünglichen Planes nur stückweise vorging und der Plan zu Lang- und Seitenschiff, bevor dieselben in Angriff genommen wurden, nach den im 14. und 15. Jahrhundert zu Geltung gekommenen Bauprincipien umgeändert wurde. Ein glückliches Compelle für die rasche Inangriffnahme des Neubaues war der Brand des alten Domes im J. 1248. Nur langsam schritt der Bau des zuerst in Angriff genommenen Chores fort. Collectengelder, Opfer, Zinsen, Vermächtnisse, die Einkünfte suspendirter Beneficien, versessene Präsenzgelder boten den Provisoren der Baukasse die Mittel, die ungeheuren Kosten des großartigen Baues zu bestreiten. Von großer Bedeutung für den glücklichen Fortgang des gewaltigen Unternehmens war die eindringliche Sprache, mit welcher Papst Innocenz IV. 1248 sich der Dombausache annahm. Im Lauf der ersten neun Jahre gedieh der Bau soweit, daß das Domcapitel sich bewogen sehen konnte, dem Dombaumeister G. sich für sein tüchtiges Schaffen erkenntlich zu erweisen. Im J. 1257 überließ es demselben wegen der Verdienste, die er sich um den Bau der Kirche erworben, von seinem an der Trunkgasse gelegenen Weinberge einen großen Bauplatz unter äußerst vortheilhaften Bedingungen. G. errichtete auf diesem Platze ein großes steineres Haus. Dieses Haus fiel nach Gerhards Tode an seine vier Kinder, welche sämmtlich dem geistlichen Stande angehörten. Diese verfügten 1302 über die ihnen zustehenden Antheile des ihnen nach dem Tode ihrer Eltern zugefallenen Hauses zu Gunsten kirchlicher Institute. Ob Meister G. auch der Baumeister der Abteikirche zu Altenberg, in welcher bei aller Einfachheit ein treues Abbild des Kölner Domes erkannt werden muß, gewesen, ist bis jetzt noch nicht erwiesen. Sicher ist aber, daß er, der im Gladbacher Nekrologium magister Gerhardus lapicida de summo genannt wird, beim Bau des Chores dieser Stiftskirche thätig gewesen ist. Ob G. von Rile und der „Werkmeister Gerart vanme Doyme“, der in einer „alden tzedulen“ als Eigenthümer eines Erbes bei St. Marien-Garten genannt wird und das Verselen-Convent mit einer Rente von sieben Schilling bedachte, identisch sind, kann nicht festgestellt werden. Meister G. führte den Namen G. von Rile, weil sein Vater Gotschalk von der unterhalb St. Cunibert gelegenen Herrlichkeit Rile nach Köln eingewandert war. Hier hatte er in der Nähe der Marcellus-Capelle den Hof Kettwig erworben. Von diesem Hofe führte er sowol wie sein Sohn Gerhard neben dem Namen „von Rile“ auch den „von Kettwig“. G. baute, ehe er zum Dombaumeister berufen wurde, ein in der Johannisstraße, dem Gebürhause von Niederich gegenüber gelegenes Haus; im Schreine heißt dasselbe „domus, quam edificavit magister Gerardus de Rile“. G. war in dem Jahre, in welchem er den Dombau begann, mit einer gewissen Gertrud verlobt. Das Verlöbniß wurde aber aufgehoben und der Bräutigam erhielt die Brautgeschenke zurück (1248). Bald nachher heirathete er die Guda, eine Schwester des Kellermeisters des Domdechanten. Nach G. hatte am Ende des 13. Jahrhunderts Meister Arnold die Leitung des Dombaues. Nach seinem Tode trat dessen Sohn Meister Johann ein, welcher im J. 1330 starb. Nach Johann bekleidete zwei Jahre lang ein gewisser Rutger die Stelle eines Dombaumeisters. Es scheint, daß er der Dombaumeister war, welchem im J. 1332 Arnold von Wevelinkhoven das Haus des Flacko, gelegen auf der Stadtmauer, hinter dem auf der Ecke Fettenhennen-Burgmauer gelegenen Hause Isenburg, als Amtswohnung anwies. Rutger’s Nachfolger war der Steinmetze Michael; im J. 1364 wird er aufgeführt als „Michael lapicida magister operis ecclesiae Coloniensis“; in diesem Jahr erscheint er schon als Vater einer Tochter Lisa, welche von der Stadt eine Erbrente von 20 Goldgülden kauft; 1387 heißt er „magister Michael lapicida ecclesiae Coloniensis opifex“. In der betreffenden Urkunde ist die Rede von Michaels Tochter Drutginis, [758] welche sich im Besitz eines stadtkölnischen Rentbriefes über 20 Goldgulden und des Hauses zur Glocke befand und in Brünn an den „magister Henricus de Gemunden lapicida et familiaris illustris principis marchionis Moraviae“ verheirathet war. Unzweifelhaft ist dieses derselbe magister Michael fabricae ecclesiae Coloniensis, der im J. 1368 als Eigenthümer des Hauses zum Cranen in der „engen Gasse“ erscheint. In einem Actenstück, durch welches 1398 „Bürgermeister, Rath und Bürger der Stadt Köln“ vor das kaiserliche Hofgericht zu Rottweil geladen werden, erscheint unter den Vorgeladenen „Andres Meister im Tum“; es ist dieses Meister Andreas von Everdingen, der noch 1412 als „Werkführer in dem Doyme zo Coelne“ erscheint. Nach ihm finden wir Meister Nicolaus von Büren als Dombaumeister. Er war der Oheim des Stadtsteinmetzen Nicolaus von Büren und erwarb 1424 das Bürgerrecht. In den Acten des Amtsleutegerichts der J. 1433 und 1436 erscheint „Allheit als uxor magistri fabricae ymme doem des Meisters in summo“. In dem für die Steinmetzen und Zimmerleute ausgestellten Zunftbriefe von 1443 findet sich die Bestimmung, „daß die Lehrgesellen am doyme zu ihrem Ingange, wenn sie an das Amt kommen, dem Domwerkmeister Clais einen rhein. Gulden zahlen sollen“. Von allen andern Steinmetzen konnte das Amt nur mit zwei Gulden gewonnen werden. Nach Meister Niclas von Büren, der 1446 starb, erhielt der Gemahl seiner Nichte Sophie, Meister Conrad Kuyn, die Leitung des Dombaues. Von diesem wird angegeben, „daß er ansehnliche Bilder in Stein gehauen und dieselben sowol innerhalb wie außerhalb der Domkirche aufgerichtet habe“; er starb im J. 1469. Dem Meister Kuyn war auf der Tagsatzung zu Regensburg das Obermeisterthum für die Steinmetzbrüderschaft in dem Gebiete von Niederdeutschland zugestanden worden. Auf diesem Obermeisterthum beruhte es, daß durch einen Schiedsspruch in Streitsachen zwischen den Steinmetzen und Malern 1491 dem „Doymmeister“ ein gewichtiges Wort eingeräumt wurde. Johann von Frankenberg scheint damals Dombaumeister gewesen zu sein.
Gerhard von Rile, auch von Kettwig genannt, Dombaumeister, 1247 bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Es wird nicht daran gezweifelt werden können, daß G. der große Meister gewesen ist, in dessen Kopf der Plan zu dem Wunderbau des Kölner Domes entstanden. Daß