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ADB:Schlecht, Raymund

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Artikel „Schlecht, Raymund“ von Wilhelm Bäumker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 719–721, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlecht,_Raymund&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:21 Uhr UTC)
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Band 34 (1892), S. 719–721 (Quelle).
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Schlecht *): Raymund S., geistlicher Rath und Lehrerseminarinspector, wurde am 11. März 1811 in Eichstätt geboren. Nachdem er die Studienanstalt seiner Vaterstadt absolvirt hatte, ging er im J. 1826 an das Gymnasium nach Neuburg, wo damals die Musik in schönster Blüthe stand. Neben dem gewöhnlichen, gut besetzten Orchester existirte dort eine eigene Abtheilung für Militärmusik. S., der in Eichstätt bereits einige Jahre Clavierunterricht genossen hatte, lernte in Neuburg noch Flöte, Posaune und Fagott blasen. Als er nach drei Jahren seine Gymnasialstudien beendet hatte, siedelte er nach Regensburg über, um das Lyceum zu besuchen. Hier studirte er mit Vorliebe Mathematik und Physik und nach seinem Eintritte in das Studium der Theologie die orientalischen Sprachen. Im J. 1833 trat er in das Priesterseminar in Eichstätt ein und wurde am 28. August 1834 zum Priester geweiht. Am 12. September erhielt er seine Ernennung zum Hauscaplan des Pfarrers Baader in Pollenfeld. Da hier die Seelsorge sehr wenig Zeit in Anspruch nahm, wandte S. seine ganze Kraft der Schule zu. Unterdessen wurde in Eichstätt ein eigenes Schullehrerseminar für die Oberpfalz gegründet, und S. unter dem 1. Februar 1836 als Präfect und erster Lehrer an diese Anstalt berufen. Da er pädagogische Fachstudien noch nicht gemacht hatte, so suchte er sich unter der Leitung des Inspectors Gottfried Lacense mit Eifer die nothwendigen Kenntnisse in der Methodik und Pädagogik zu erwerben, während der zweite Seminarlehrer Matthäus Zeheter ihn im Generalbaß, in der Harmonielehre und im Contrapunkt unterrichtete.

Am 1. Mai 1838 trat der Inspector Lacense zu Metten in den Benedictinerorden ein. S. wurde sofort als Verwalter der Stelle und am 13. November als Inspector angestellt. Im J. 1843 eröffnete er eine Privatpräparandenanstalt, die jedoch nach drei Jahren wieder aufgegeben werden mußte, da der Erfolg den Kosten und Bemühungen nicht entsprach. Um sich vor Einseitigkeit zu bewahren und neue Anregungen und Erfahrungen zu gewinnen, benutzte S. seine Ferien, um berühmte Männer und Anstalten zu besuchen, so: Diesterweg (1862) in Berlin, Lüben (1862) in Bremen, später Kellner in Trier, Wurst in Ellwangen, die Lehrerseminare in Küßnacht bei Zürich, in Gmünden in Württemberg, die Bürgerschulen in Leipzig und Dresden, die Anstalten der Schulbrüder in Straßburg, Mecheln, Paris und London.

[720] Der naturwissenschaftliche Unterricht im Seminar entbehrte der nothwendigsten Anschauungsobjecte. Deshalb legte S. ein Naturaliencabinet und verschiedene andere, nicht unbedeutende Sammlungen an. Auch gründete er, damit die Seminarzöglinge mehr Uebung in der Leitung der Schule gewinnen möchten, im J. 1846 eine eigene Seminarschule, die unter Leitung eines Lehrers stand. Ganz besonders ließ er sich auch die Pflege der Kirchenmusik angelegen sein. Um den Choralgesang möglich zu machen, fertigte er brauchbare Ausgaben an, die mehrere Auflagen erlebten. Auch die mehrstimmige Musik und das deutsche Kirchenlied wurden nicht vernachlässigt. Im J. 1859 erhielt S. unter dem 8. November vom Baiernkönige als Anerkennung seiner Leistungen den Titel „Geistlicher Rath“. Im J. 1866 wurde von der Regierung das neue „Normativ“ ausgegeben, welches in die bisherige Praxis der Lehrerbildungsanstalten tief einschneidende Bestimmungen brachte, die Arbeitslast des Inspectors vermehrte und ihm auch den größten Theil der Ferien entzog. S., der fühlte, daß seine Kraft zur weiteren Führung der Inspection nicht mehr ausreiche, suchte im J. 1868 seine Quiescirung nach, die er sofort auf ein Jahr, 1869 aber für immer erhielt.

Seine Mußestunden verwandte er anfangs auf die Bearbeitung einer Erziehungs- und Unterrichtslehre, sowie einer ausführlichen pragmatischen biblischen Geschichte; sodann war er Mitarbeiter an der „Katholischen Schulzeitung“ von L. Auer. Als er aber merkte, daß seine Anschauungen keinen Anklang mehr fanden, unterließ er diese Arbeit und wandte sich nun mit fast jugendlichem Eifer dem Studium der Kirchenmusik zu. Als Frucht seiner Quellenforschungen erschien zunächst im J. 1871 bei Coppenrath in Regensburg seine „Geschichte der Kirchenmusik“ (215 Seiten Text und 413 Seiten Musikbeilagen), ein Werk von bleibendem Werthe. Im J. 1872 veranlaßte er den Redacteur der „Cäcilia“, Michael Hermesdorff, Domcapellmeister in Trier, zur Gründung eines Vereins zur Erforschung alter Choralhandschriften. Als damals die Nachricht auftauchte, daß die officiellen Choralbücher in der sog. Medicäerausgabe neu aufgelegt werden sollten, erhob S. freimüthig seine Stimme und sandte ein Memorandum an die Bischöfe des Concils in Rom, in welchem er bat, es möge eine dem Gesang des hl. Gregor mehr entsprechende Ausgabe gewählt werden. Als später die Neuauflage der Medicäa vollendete Thatsache geworden war, verwandte S. seine freie Zeit auf das Studium der alten Theoretiker, der Akustik und der neugriechischen Musik. Die Gesellschaft für Musikforschung ernannte ihn wegen seiner Verdienste 1879 zum Ehrenmitgliede. Im J. 1884 feierte er noch in voller Rüstigkeit sein 50jähriges Priesterjubiläum. In den letzten Jahren seines Lebens machten sich aber die Schwächen des Alters bemerklich. S. starb am 24. März 1891 infolge einer Lungenentzündung.

Schriften: „Kleine Raumlehre“. Eichstätt 1846; „Deutsche Vesperpsalmen und Hymnen mit lithographirten Melodien“, daselbst; „Jesus unsere Zuflucht und Hilfe. Umarbeitung des alten Gebetbüchleins ‚Kurz und gut‘.“ Augsburg 1847; „Officium für die Charwoche und Weihnachten mit deutschen Rubriken.“ Nördlingen, 1. Auflage 1843, 6. Auflage 1883; „Vesperale. Alle Vespern des Jahres mit Orgelbegleitung und deutschen Rubriken.“ Nördlingen 1852; „Gradualia et Offertoria de Communi Sanctorum nebst der Antiphon und den Responsorien bei Austheilung des Weihwassers, im Choralgesange und vereinfacht mit Orgelbegleitung nach C. Ett’s Cantica sacra.“ Daselbst 1853; „Denk- und Sprachlehre.“ Daselbst 1856; „Geschichte der Kirchenmusik, zugleich Grundlage zur vorurtheilsfreien Beantwortung der Frage ‚Was ist echte Kirchenmusik‘.“ Regensburg 1871. – Eine Musikgeschichte Eichstätt’s ist Manuscript geblieben und befindet sich im Besitze des Eichstätter Domcapitels. Sehr zahlreiche [721] Beiträge lieferte S. für die Monatshefte für Musikgeschichte. Wir können hier nur die größeren Abhandlungen aufführen: „Ueber die Tonhöhe u. Schreibweise der Compositionen aus dem XV. u. XVI. Jahrhundert“ 1871, S. 113 ff.; „Micrologus Guidonis de disciplina artis musicae, deutsch übersetzt und mit Anmerkungen versehen“ 1873, S. 135 ff.; „Musica enchiriadis von Hucbald, übersetzt und kritisch erläutert“ 1874 ff., Nachträge hierzu 1876, S. 89 ff.; „Ueber den Gebrauch der Diesis im 13. u. 15. Jahrhundert“ 1877, S. 79 ff.; „Hermann Fink über die Kunst des Singens“ 1879, S. 129 ff.; „Ueber die Rationen der neugriechischen Tongeschlechter“ 1884, S. 55 ff. Aus der „Cäcilia“ von Hermesdorff nennen wir die Aufsätze: „Erklärung der Neumenschrift“ 1872/73; „Ueber die Tonarien“ 1873, S. 1 ff.; „Historische Begründung des Tonars nach der Gesangweise des hl. Gregor“ 1873, S. 10 ff.; „Vom Metrum im gregorianischen Kirchengesang“ 1874, S. 1 ff.; „Calliopea legale von Octobi, übersetzt und mit Anmerkungen versehen“ 1874, S. 35 ff. (Sep.-Abdruck); „Bellum musicale von Claudius Sebastianus Metensis, übersetzt“ 1876–78. Aus dem „Gregoriusblatt“ von Böckeler: „Ueber die Melodie des Passionsgesanges“ 1880/81; Biographie von Hermesdorff 1885. Aus Mendel-Reißmann’s Musik-Lexikon den Artikel „Choral“. Aus dem „Kirchenchor“ von Battlogg: „Die liturgische Musik nach dem Caerimoniale Episcoporum“ 1888/89 (auch Sep.-Abdruck). Aus dem „Cäcilienkalender“ von Haberl: „Biographie von Edmund de Coussemaker“ 1877, S. 14.

Die autobiographische Lebensskizze findet sich in der im J. 1885 erschienenen Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des königl. Schullehrerseminars in Eichstätt, sowie in der Zeitschrift „Kirchenchor“ von Battlogg. Bregenz 1891.

[719] *) Zu Bd. XXXI, S. 351.