ADB:Scharpff, Franz Anton von
[WS 1] thätig und folgte 1843 einem Ruf als Professor der Kirchengeschichte nach Gießen. Nach der durch die kirchlichen Verhältnisse im Bisthum Mainz herbeigeführten Auflösung der katholisch-theologischen Facultät in Gießen entschloß sich S. zur Rückkehr in die Heimathdiöcese nach Württemberg, und nachdem ein Versuch des Bischofs von Rottenburg, ihn für eine Geschichtsprofessur an der Universität Tübingen zu empfehlen, gescheitert war, trat er in die Seelsorge [600] über und wirkte als Pfarrer zu Mengen seit 1852, sodann zu Nendingen a. D. seit 1861, wurde aber 1862 zum Domcapitular in Rottenburg erwählt, wo er am 5. Februar 1879 starb.
Scharpff: Franz Anton v. S., katholischer Theologe. Geboren zu Ansbach am 20. Juni 1809, fand er in Ellwangen, wohin sein Vater als Beamter übersiedelte, seine eigentliche Vaterstadt; hier besuchte er das Gymnasium, studirte in Tübingen Philosophie und Theologie, wurde 1833 in Rottenburg zum Priester geweiht, war von 1834 an in Ellwangen und Rottweil als GymnasiallehrerSeine schriftstellerische[WS 2] Thätigkeit eröffnete S. mit einer Studie über „Das kirchliche und litterarische Wirken des Nikolaus von Cusa“ in der Tüb. Quartalschrift 1837, und von da an wurde der Cusaner sozusagen das wissenschaftliche Problem seines Lebens, ohne daß es doch zu einer abschließenden und erschöpfenden Darstellung gekommen wäre. Es erschien „Nikolaus von Cusa, der Kardinalbischof. I, Thl. Das kirchliche Wirken des N. v. C.“, Mainz 1843; „Des Bischofs und Kardinals N. von Cusa wichtigste Schriften in deutscher Uebersetzung“, Freiburg 1862; „Nikolaus von Cusa als Reformator in Kirche, Reich und Philosophie des 15. Jahrh.“, Tübingen 1871. Die weiteren Schriften – mit Ausnahme eines Gymnasialprogramms „Darstellung der politischen und religiösen Ansichten des Tacitus“, Rottweil 1843 – sind vornehmlich der Erörterung von kirchlich-politischen Zeitfragen gewidmet; „Der Katholicismus und die Denkgläubigen, mit Rücksicht auf zwei Schriften des Großherzoglichen Hofgerichtsraths Dr. Kraft ‚Der Staat und die Ultramontanen‘“, und „Eine andere Betrachtung der neuesten kirchlichen Ereignisse“, Tübingen 1845; „Vorlesungen über die neueste Kirchengeschichte“, 2 Hefte, Freiburg 1850 und 1852; „Die Entstehung des Kirchenstaats, geschichtlich pragmatisch dargestellt“, Freiburg 1860. – Unter dem Namen Vincentius Sincerus veröffentlichte S. nach Ausbruch des Culturkampfes und nach Veröffentlichung der Maigesetze in Preußen „Ehrerbietige Vorstellung und Bitte an den hochwürdigsten Episkopat in Preußen. Ein Wort zur Verständigung“, München 1874. Diese Schrift, die übrigens nicht bloß an die Bischöfe, sondern auch an den Kaiser und an Fürst Bismarck adressirt war und alsbald nach ihrem Erscheinen auf den Index kam, gab Zeugniß davon, daß ihr Verfasser eher alles denn ein Politiker war, wenn er glauben konnte, daß in der ersten Glühhitze des zwischen zwei Weltmächten entbrannten Kampfes ein so naiv ausgesprochener Vermittlungsvorschlag Annahme finden würde; sein Bekenntniß zu einer Politik der Versöhnung zwischen Staat und Kirche auf dem Standpunkte der Achtung der gegenseitigen Rechte und Ansprüche ist wenigstens durch den späteren Ausgang des Kampfes nicht ganz abgelehnt worden. Von sonstigen litterarischen Arbeiten sind noch zu nennen: „Handbuch der christlichen Religion“, Gießen 1847; „Der katholische Glaube, nebst den Grundzügen einer Geschichte und Theorie der Offenbarung“, Gießen, 2. Aufl. 1853. Endlich verfaßte S. nach schwerer Heimsuchung und längerer unfreiwilliger Muße als letzte Frucht seines vielseitig angeregten geistig religiösen Sinnes ein „Katholisches Gebet- und Betrachtungsbuch“, Freiburg 1876. Kleinere Arbeiten erschienen in Zeitschriften und im Freiburger Kirchenlexikon von W. u. W.