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ADB:Schäffer, Wilhelm Friedrich

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Artikel „Schäffer, Wilhelm Friedrich“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 537–539, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%A4ffer,_Wilhelm_Friedrich&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:07 Uhr UTC)
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Schäffer: Wilhelm Friedrich S., evangelischer Theolog, geboren am 10. November 1750 zu Grabow (Rgbz. Magdeburg), ein Sohn des dortigen Pfarrers, verlor seine Mutter gleich nach der Geburt und verdankte seine Erziehung weniger seinem vielbeschäftigten Vater, als seinen zwei ledigen Schwestern und dem Pädagogium des Halle’schen Waisenhauses, in welches er schon in früher Jugend eintrat. Nach der Confirmation wurde er der Schule des Klosters Bergen bei Magdeburg zu weiterer Ausbildung übergeben und kehrte dann nach Halle zurück, um an der Hochschule, zugleich eigener Wahl und dem Wunsche seines Vaters folgend, wie seine vier älteren Brüder sich auf die geistliche Laufbahn vorzubereiten. Bald nach seinem Abgange von Halle, wo er neben den fachwissenschaftlichen auch philosophische Studien betrieben hatte, fand er eine Anstellung als Schulrector und Prediger an der Stadtkirche in Möckern bei Magdeburg, verheirathete sich 1775 mit der Tochter des Stadtcantors Hölzer in Burg und folgte 1777 einem Rufe als Prediger an die Johanniskirche in Magdeburg. Hier rückte er während eines mehr als zwölfjährigen Wirkens bis zur ersten Stelle vor und erwarb sich zudem durch schriftstellerische Thätigkeit einen gelehrten Namen. Dadurch auf ihn aufmerksam geworden, schlug ihn der Generalsuperintendent J. Chr. Fr. Löffler in Gotha (s. A. D. B. XIX, 106 f.) nach dem Ableben des Oberhofpredigers und Consistorialrathes Chr. Wilh. Bause († am 13. April 1789) neben mehreren Anderen für dessen Beamtungen vor und fragte dann im Auftrage Herzog Ernst’s II. bei ihm an, ob er einem etwa an ihn ergehenden Rufe zu folgen geneigt sei. Schäffer’s offene Antwort, daß er sich von seiner Gemeinde, deren Liebe und Achtung er besitze, nur ungern trennen und als schlichter und gerader Mann kaum an einen Hof passen würde, nahm den Herzog sogleich für ihn ein, sodaß er ihn als Bause’s Nachfolger zu sich berief. 1790 trat er in sein neues Amt ein, entsprach aber bei aller theologischen Gelehrsamkeit doch als Kanzelredner den gehegten Erwartungen nicht ganz, weshalb denn auch abfällige Urtheile über ihn laut wurden, denen Ernst II. mit den Worten begegnete: „Ich schätze den Mann, denn er glaubt, was er lehrt.“ (Die von A. Beck – s. u. – überlieferte Fassung: „Ich habe einen Schäfer haben wollen und dafür ein Lamm bekommen“ ist wenig verbürgt.) In Gotha vermählte er sich wieder, da inzwischen seine erste Gattin gestorben war, mit deren Schwester, einer Pfarrerswittwe, und nahm die Kinder der vorigen Ehe in sein Haus auf, um an ihnen Vaterstelle zu vertreten. Auch sonst erlebte er mancherlei ihn berührenden Wechsel der Zeit: den Tod seines [538] Gönners Ernst II. (1804), dem er eine Gedächtnißrede hielt, die Napoleon’schen Kriege von 1806–13, das unerwartete Hinscheiden Herzog August’s (1822), welchem er in den letzten Stunden das Abendmahl reichte, das Erlöschen der gothaischen Hauptlinie mit Friedrich IV. (1825) und den Anfall des Herzogthums an Sachsen-Koburg (1826). Zuerst einer freieren theologischen Richtung huldigend, allmählich aber mehr strenggläubigen Ansichten zugeneigt, beharrte er fest bei dem, was ihm als Pflicht und Recht erschien, ohne dabei aber die von der Klugheit vorgeschriebenen Grenzen immer einzuhalten. Mit Löffler hatte er anfangs in freundschaftlichen Verhältnissen gelebt; nachher war infolge theologischer Meinungsverschiedenheit und collegialer Mißverständnisse zwischen beiden eine Entfremdung eingetreten. Als nun nach dessen plötzlichem Tode (4. Febr. 1816) K. G. Bretschneider als Generalsuperintendent von Annaberg nach Gotha kam und S. diesen am 13. October des gleichen Jahres seiner neuen Gemeinde vorstellte, gedachte er jenes Zwistes in nachtheiliger Weise und sprach überdies die Erwartung aus, daß Bretschneider anderen Sinnes sein und in seinen Ausichten mit ihm übereinstimmen werde. Diese öffentliche Aeußerung mißbilligte der letztere am folgenden Tage bei seiner Einführung und Verpflichtung im Oberconsistorium, und die Bevölkerung der Stadt ergriff entschieden Partei für den Verstorbenen, so daß sich ein unerquicklicher Streit in gegenseitigen Flugschriften erhob, an welchem auch Friedrich Jacobs maßvoll theilnahm, und der zur Folge hatte, daß die zahlreichen Verehrer Löffler’s ein schon vorher geplantes Denkmal desselben nunmehr ausführen und im Hofe des „Klosters“ (Schulgebäudes) aufstellen ließen. – S. starb, über 80 Jahre alt, am 4. Januar 1831. Außer einzelnen Kanzelreden und mehreren auf jenen Handel bezüglichen Streitschriften hat er, theilweise ohne seinen Namen, im Druck erscheinen lassen: „Passionspredigten, nebst einer Auferstehungspredigt“ (1784); „Revision der Streitsache des Hrn. Pastors Sturm mit dem Hrn. Pastor Goeze in Hamburg über die Gewohnheit, Missethäter zur Todesstrafe vorbereiten zu lassen“ (1785); „Ueber Katholicismus, Vernunftreligion und vernünftiges Christenthum“ (2 Thle., 1788–89); „Versuch, den Streit über Katholicismus und Proselytenmacherei beizulegen“ (2 Stücke, 1789–90); „Inconsequenzen und auffallende Widersprüche in der Kantischen Philosophie, besonders in der Kritik der reinen Vernunft“ (1792); „Ueber des Herrn Professors Fichte Appellation an das Publikum, die Ihm beigemessenen atheistischen Grundsätze betreffend“ (1799); „Apologie des Eides. Ein Seitenstück zu der Härter’schen Schrift: Ueber die Abschaffung aller Eidschwüre vor Gericht“ (1809); „Apologie der Offenbarung und ihrer Unentbehrlichkeit“ (1815) und „Neue Untersuchung über das Erlösungswerk Jesu und insonderheit über die Lehre von einer stellvertretenden Genugthuung und von der Erbsünde“ (1817). Außerdem war er Mitarbeiter an der „Allgemeinen deutschen Bibliothek“ und deren Fortsetzung, der „Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek“ (Bd. 87 bis zum Schlusse, 1787–1806), für die er gut geschriebene Beurtheilungen theologischer, homiletischer und philosophischer Werke lieferte.

Neuer Kirchen- und Kezzeralmanach auf das Jahr 1797, Deutschland (Schleswig) 1797, S. 187f. – Meusel, G. T. – Der neue Thüringer Bothe, 1. Jahrg. 1831, Nr. 23, 30 u. 37. – Neuer Nekrolog, 9. Jahrg., 1831, 1. Thl. (1833). S. 42–46. – H. Doering, Die gelehrten Theologen Deutschlands, 3. Bd. (1833), S. 728–730. – A. Beck, Ernst II., Herzog zu Sachsen-Gotha und Altenburg, Gotha 1854, S. 140. – Vgl. auch: Fr. Jacobs, Vermischte Schriften, 7. Bd.: Personalien, Leipzig 1840 (Einzelausgabe: 1848), S. 160–163. – K. G. Bretschneider, Aus meinem Leben, Selbstbiographie, 2. Ausg. Gotha 1852, S. 96 f. – H. A. O. Reichard [539] (1751–1828). Seine Selbstbiographie überarb. u. hrsg. von Herm. Uhde. Stuttgart 1877, S. 505.