ADB:Romanus
„Römer“ (s. S. 117) hochangesehen geblüht hat, läßt sich wohl nicht mehr feststellen. Das erste bekannte Mitglied ist Franz R., welcher bereits 1588 Professor der Rechte zu Leipzig war. Sein Fleiß und seine Regelmäßigkeit im Halten der Vorlesungen werden nicht gerade gerühmt; offenbar hat er sich mehr der fruchtbringenden praktischen Thätigkeit zugewendet, wenigstens wurde ihm sein Gehalt erst 1610 auf 300 Gulden erhöht, während er schon im J. 1598 in der Lage war, einen Theil des Lehngutes Muckern oder Muckershausen zu kaufen, woraufhin er und sein Bruder Wilhelm vom Kaiser Rudolf II. im J. 1606 in den erblichen Adelstand erhoben wurden unter Verleihung des Beinamens von Muckershausen. Er war 1595 und 1601 Rector, seit 1620 Ordinarius der Juristenfacultät und ist gestorben 1636.
Romanus: Fr. R. Der Name R. ist derjenige einer lange blühenden und weitverbreiteten sächsischen Familie, in welcher der Vornamen meist Franz lautet und der Hang zu juristischen Studien erblich zu sein scheint. Sitz derselben ist durchweg Leipzig; ob sie ursprünglich aus Zwickau stammt, wo sich 1557 ein R. als kurfürstlicher Schösser findet und das Geschlecht derDie Familie blühte weiter sowohl im Zweige des Franz wie in demjenigen des Wilhelm. Zunächst letzteren anlangend, so stand von Wilhelm’s drei Söhnen (Sixtus Wilhelm, Johann Philipp – ein Johann Philipp R., über dessen Identität mit diesem Sohne Wilhelm’s bisher nichts feststeht, tritt uns noch in Zwickau, abermals als kurfürstlicher Schösser, 1646–1648 entgegen – und Theodor Christian), der älteste, Sixtus Wilhelm, als Amtssecretär in den Diensten Kaiser Ferdinand’s II., bewährte sich besonders bei Unterhandlungen mit Bethlen Gabor und erhielt demzufolge 1630 sein Adelspatent erneuert. Ein Enkel dieses Sixtus Wilhelm war der kursächsische Hof- und Justitienrath Franz Philipp R. von Muckershausen auf Coschütz, welchem ebenfalls sein Adel im J. 1745 bestätigt wurde.
Der von dem älteren Professor Franz abstammende Zweig scheint dagegen den Adel nicht geführt zu haben. Franz besaß außer fünf Töchtern zwei Söhne, Wilhelm Ulrich und Franz, der eine vor, der andere nach 1598 geboren; beide waren ordentliche Professoren an der Leipziger Juristenfacultät; Wilhelm Ulrich starb schon 1627, in demselben Jahre, in welchem er seine Professur erhielt, das Todesjahr des Franz, welcher 1639 ordentlicher Professor ward, wird vielfach (z. B. von Gerber) auf 1648 angegeben, diese Angabe erfährt aber von sehr competenter Stelle (königl. sächsisches Hauptstaatsarchiv, Direction) Anzweifelung. Wiederum die gleiche Laufbahn hat Paul Franz R., der Sohn dieses, also Enkel des älteren Franz R., eingeschlagen, welcher als Professor der Jurisprudenz zu Leipzig im J. 1675 verschied. Entweder ein Bruder oder ein Vetter des Paul Franz – dieser Punkt bleibt leider unaufgehellt – war der Dr. juris und Rechtsconsulent zu Leipzig Kaspar Gottlieb R., welcher im J. 1677 als Senior dieses Zweiges der Familie erscheint. Als Sohn dieses Kaspar Gottlieb wurde 1671 zu Leipzig geboren Franz Konrad R.; derselbe hat ebendort am 24. November 1693 doctorirt, scheint in Beziehungen gestanden zu haben zu dem kurfürstlichen Premierminister Geheimrath und Großkanzler Wolf Dietrich Grafen von Beichling, wurde kurfürstlicher Appellations- und Geheimer Rath, und am 29. August 1701 Bürgermeister von Leipzig. In den Sturz Beichling’s, welcher 1703 unter Anschuldigung der schwersten Verbrechen, thatsächlich aber wohl nicht ohne Zusammenhang mit des Gestürzten scharfen Aeußerungen über die berüchtigte Gräfin Cosel erfolgte, scheint Franz Konrad zunächst nicht verwickelt; dann aber wird er plötzlich am 16. Januar 1705 aufgehoben, auf die Pleißenburg, von dieser auf den Sonnenstein und von dort den 5. September 1706 auf den Königstein gebracht, und ist dort, bis zu seinem am 17. Mai 1746 durch Schlagfluß [101] eingetretenen Tode, festgehalten worden, ohne daß das gegen ihn eingeleitete gerichtliche Verfahren je zu Ende geführt worden wäre. Ob ihm überhaupt irgend ein Verbrechen zur Last fällt oder ob er ganz schuldlos ein Opfer des Despotismus geworden, steht actenmäßig bisher nicht fest; höchstens könnte es sich aber um ein sogenanntes „Staatsverbrechen“ handeln, denn die wohl auch laut gewordene Anklage des Unterschleifes im Amte bricht schon gegenüber der außerordentlichen Hochachtung, deren sowohl er wie seine Familie sich stets weiter in Leipzig zu erfreuen hatten völlig zusammen. Ein neuester, unbedingt sachverständiger Gelehrter bemerkt über ihn, es seien noch Acten vorhanden, aus welchen sich die von Spitta als noch nicht beantwortet hingestellte Schuldfrage des seit dem 16. Januar 1705 im Gefängnisse verwahrten hochverdienten Mannes entscheiden lassen dürfte. Die außergewöhnliche Tüchtigkeit, die Energie und der weite Blick, mit welchen er während der wenigen ihm vergönnten Freiheitsjahre mächtig fördernd, aber auch wohl manch’ altes Vorurtheil und manchen kleinlichen Anhänger alter Verhältnisse schwer verletzend, die Verwaltung der Stadt Leipzig geführt hat, leuchten unverkennbar aus den Berichten selbst seiner Feinde über ihn hervor. – Von seinem Stiefbruder Karl Friedrich besitzen wir eine Reihe gemeinrechtlicher Schriften aus den Jahren 1703–1734, in deren letzten derselbe sich als Procancellarius. Facultatis Juridicae Assessor et Praetor Lipsiensis bezeichnet. – Konrad’s Tochter Christiane Marianne heirathete spätestens im Sommer 1711 Heinrich Levin v. Könitz, welcher indessen schon nach wenigen Jahren starb. Darauf heirathete sie am 22. Januar 1715 abermals, dieses Mal den Hauptmann Georg Friedrich v. Ziegler auf Eckartsleben bei Gräfentonna im Gothaischen, unter dessen Familiennamen, als Chr. Marianne v. Ziegler, nachdem sie ihn selbst nebst zwei Kindern schon wieder durch den Tod verloren hatte und nach vielbewegtem Wanderleben 1722 völlig vereinsamt nach Leipzig zurückgekehrt war, sie in letzterem Orte eine gewisse dichterische Berühmtheit erlangen sollte. Ihre, damals epheugekrönten Poesien – sie erhielt am 17. October 1733 von der philosophischen Facultät zu Wittenberg ein förmliches Diplom als kaiserliche Dichterin – würden nun zwar an sich heute kaum mehr Erwähnung finden; vielmehr verdankt sie die Erhaltung ihres Namens dem Umstande, daß mehre ihrer Cantaten Johann Sebastian Bach den Text zu Compositionen geliefert haben. Sie hat noch am 14. September 1741 eine dritte, auf längerer Bekanntschaft und gegenseitigem geistigen Wohlgefallen beruhende Ehe mit dem ordentlichen Professor zu Frankfurt a. O. Wolf Balthasar Adolf v. Steinwehr geschlossen und ist am Wohnort dieses ihres letzten Ehegatten am 1. Mai 1760 gestorben. – Konrad’s Sohn, Franz Wilhelm, geboren zu Leipzig am 13. April 1703, promovirte dort den 4. December 1727, ward zuerst am Oberhofgericht in Leipzig Advocat, später Beisitzer des Niederlausitzischen Landgerichts und endlich der Juristenfacultät in seiner Vaterstadt, in welcher er am 28. April 1762 gestorben ist. Seine romanistischen Programme sind tüchtig geschrieben und zeigen namentlich eine auffallende Kenntniß der Basiliken, welche er als Interpretationsmittel hochgeschätzt zu haben scheint. – Als ein älterer Vetter dieses Franz Wilhelm wird uns bezeichnet ein Dr. Karl Friedrich, welcher Baumeister (?) des Rathes zu Leipzig und der dortigen Juristenfacultät Beisitzer gewesen sein soll; der oben genannte Stadtrichter Karl Friedrich, auf welchen diese Angaben sonst, auch nach der Lebenszeit, passen könnten, ist der Onkel des Franz Wilhelm gewesen; vielleicht handelt es sich um einen gleichnamigen Sohn. – Sohn des Stadtrichters scheint aber wieder, zuverlässigerem Bericht zufolge, gewesen zu sein der zu Leipzig am 21. August 1731 geborene Karl Franz R., welcher Rechtswissenschaft studirt, zunächst auch über gemeinrechtliche Stoffe geschrieben hat, als kurfürstlicher [102] Wirklicher Geheimer Kriegsrath zu Dresden am 20. April 1787 gestorben ist, einen gewissen Namen aber sich in der Litteratur durch Uebersetzung Voltaire’scher Schriften sowie durch eigene Komödien gemacht hat, welche letzteren wenn schon ziemlich harte Kritik, so doch immerhin ehrenvolle Erwähnung bei Lessing (Hamburgische Dramaturgie, Stück 96) gefunden haben.
Außer den hier aufgezählten, möglichst in ihren Verwandtschaftsbeziehungen nachgewiesenen R. finden sich noch zahlreiche gelegentlich erwähnt, welchen weiter keine Bedeutung zukommt und deren Zugehörigkeit zu der Hauptfamilie nicht immer festgestellt werden kann; so starb z. B. 1688 zu Leipzig ein Dr. Wilhelm R., welcher fünf Söhne und drei Töchter hinterließ, und welchen, vor seiner 1668 gefertigten Inauguraldissertation, Paulus Franciscus R. seinen „agnatus dilectissimus“ nennt; und so ist endlich noch im J. 1823 ein Franz Ernst R. unter Wächter’s Vorsitz zum Dr. iuris creirt worden, mit welchem der Fortbestand dieses alten Juristengeschlechtes auch in unser Jahrhundert hinein angenommen werden könnte.
- Zedler, Universal-Lexikon, unter Romanus. – Gerber, Die Leipziger Ordinarien, XXI. – Friedberg, Das Collegium iuridicum, 58, 94. – Schumann, Vollständiges Staatslexikon von Sachsen VI, 574. – August Moritz Engelhardt, (über) Johann Friedrich Böttger, Erfinder des sächsischen Porzellans, S. 210. – C. Große, Geschichte der Stadt Leipzig II, 344 ff. – Spitta, Ueber die Beziehungen Sebastian Bach’s zu Christian Friedrich Hunold und Marianne v. Ziegler, in den „Historischen und philologischen Aufsätzen“, Festgaben an Ernst Curtius zum 2. September 1884, S. 415–434, bes. S. 416 Anm. 3. – Distel, Zur Biographie der Dichterin Marianne von Ziegler, in dem Archive für Litteraturgeschichte, XIV, 103–105. – Weidlich, Geschichte der jetzt lebenden Rechtsgelehrten II, 356–359. – Hallische Beiträge zu der juristischen Gelehrten-Historie III, 319 ff. – Meusel, Biographie der zwischen 1750–1800 verstorbenen etc. XI, S. 411 u. 412. – Weidlich, Biographische Nachrichten von den jetzt lebenden Rechtsgelehrten in Deutschland, 4. Th., S. 172. – Eigene Schriften und Dissertationen der Besprochenen. – Ausführliche und gründliche, über die ganze Familiengeschichte sich verbreitende gütige Auskunft von der Direcction des königl. sächsischen Hauptstaatsarchivs zu Dresden. – Leider war, selbst in Leipzig, nicht aufzutreiben das von Weidlich citirte Programm: Dondorff, De Luminibus Ordinis ICtorum Lipsiensis nostri saeculi. Leipzig 1727.