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ADB:Ritter, August Gottfried

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Artikel „Ritter, August Gottfried“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 670–672, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ritter,_August_Gottfried&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:48 Uhr UTC)
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Ritter: August Gottfried R., ein trefflicher Orgelspieler und Componist, geboren am 23. August 1811 in Erfurt, † am 26. August 1885 zu Magdeburg. Er widmete sich dem Schullehrerfache und besuchte das Seminar in seiner Vaterstadt und da er sich in der Musik auszeichnete, wurde er zur weiteren Ausbildung nach Berlin gesendet, um das Kgl. Institut für Kirchenmusik zu besuchen, welches bestimmt ist, die Kirchen mit guten Organisten zu versehen. Hier erwarb er sich nicht nur die Fertigkeit auf Orgel und Clavier, sondern wurde auch durch den Umgang mit dem Musikhistoriker Karl von Winterfeld in die Meisterwerke alter Kunst eingeweiht, deren Schöpfungen ihm stets als das höchste Ideal vorschwebten. Als Schüler Berger’s in Berlin, des bekannten Claviervirtuosen, erreichte er eine so hohe Stufe der Vollendung, daß er selbst als Virtuose auftrat und sich in verschiedenen Städten hören ließ. Doch das Orgelspiel blieb sein Hauptstudium und zugleich das Mittel, mit dem er sich seinen Lebensweg bahnte. 1837 nahm er den Organistenposten an der Kaufmännerkirche in Erfurt an, mit der zugleich ein Lehramt an der Stadtschule verbunden war. Seine virtuosen Leistungen auf der Orgel und seine ernste Richtung in Hinsicht der Orgelcompositionen, denen er schon früh sein Talent widmete, brachten ihm 1844 den besser besoldeten Posten am Dome in Merseburg ein, mit dem kein Schullehreramt verbunden war. Diesem folgte die gut besoldete Stelle am Magdeburger Dom (1. September 1847), die er bis zu seinem Lebensende inne gehabt hat. Ritter widmete der Pflege des Orgelspiels einen großen Theil seiner Arbeitskraft, theils durch Erziehung von Schülern, theils durch praktische Lehrbücher, und es ist kein Zweig des Orgelspiels, in dem er nicht ein Lehrbuch geschrieben hätte. Mit Gotthilf Wilhelm Körner in Erfurt, der sich auch anfänglich dem Schullehrerstande gewidmet hatte, 1838 aber in Erfurt ein Musikverlagsgeschäft gründete, und hauptsächlich sich auf Orgellitteratur verlegte, trat er schon früh in Verbindung und gründete im Jahre 1844 eine Zeitschrift „Urania, Musikalisches Beiblatt zum Orgelfreund, zum Gebrauche für Seminaristen, Organisten und Lehrer, [671] unter der Direction von G. W. Körner und A. G. Ritter“, dem er vier Jahre lang seine Kraft widmete. Der Orgelfreund, der in dem Titel erwähnt ist, war eine periodisch erscheinende Sammlung von Orgelstücken älterer und neuerer Meister, deren erstes Heft 1841 erschien und dann im Januar 1842 von der Zeitschrift „Euterpe“, ebenfalls im Verlage Körner’s, angezeigt wurde. Diesem Orgelfreunde sollte die Urania als belehrendes schriftstellerisches Blatt zur Seite stehen und der Verflachung des Orgelspiels, die damals in kaum glaublicher Weise herrschte mit allen Mitteln entgegengetreten werden. R. nahm sich dieser Aufgabe mit großem Eifer an und seine Bemühungen wurden nicht nur allgemein anerkannt, sondern sie trugen auch die besten Früchte. Ihm ist es mit zu danken, daß die classischen Orgelcompositionen eines Bach und älterer, wie neuerer Meister nicht nur allgemein bekannt wurden, sondern der Pflege der Orgel überhaupt mehr Aufmerksamkeit gewidmet ward, sowohl vom Staate, als von der Geistlichkeit und dem Publicum. Orgel und Orgelspiel traten wieder in den Kreis der Kunst und was das Eigenthum nur Weniger geblieben war, wurde zum Allgemeingut erhoben. Ritter’s Bestrebungen fanden großen Anklang und sein Name wurde überall mit Achtung genannt. Dem Staate entging die Begabung Ritter’s nicht und er wurde nicht nur zum Orgelrevisor und Richter über Orgeldispositionen ernannt, sondern sein Einfluß erstreckte sich bis auf die Anstellung von geeigneten Kräften als Organisten. Seinem Einflusse ist es auch zu danken, daß man dem Orgelbau selbst mehr Achtsamkeit zuwendete und die Verbesserungen, die in neuerer Zeit einen so überraschenden Umfang angenommen haben, sind in ihren kleinen Anfängen zum Theil auf R. zurückzuführen. – Das Glück bescheerte ihm auch eine Frau mit einem ansehnlichen Vermögen, welches ihn in den Stand setzte, seine stets nur nebenbei gepflegten historischen Studien über das Orgelspiel nun mit mehr Nachdruck zu betreiben und sich eine Bibliothek anzuschaffen, die ihm die Hülfsmittel in die Hand gab, eine Geschichte des Orgelspiels abzufassen. Schon früher hatte er in verschiedenen Zeitschriften kleiner historische Arbeiten veröffentlicht, die von seinen Quellenstudien Zeugniß ablegen, und als die Gesellschaft für Musikforschung sich bildete (1869), war er unter den Ersten, die mit Eifer und Theilnahme die Sache fördern halfen und in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift, welche die Gesellschaft herausgab, finden sich auch von ihm mehrere interessante Aufsätze. Jedoch die vielfachen Amtsgeschäfte, denen er nicht entsagen wollte, ließen ihm nur wenig Zeit und nur stückweise konnte er das Material zu seiner Geschichte sammeln und bearbeiten. Da traf ihn in den Jahren 1873 u. 74 der harte Schlag, in der Zeit der allgemeinen Geldkrisis sein Vermögen zu verlieren, dies und das herannahende Alter lähmten seine Kräfte und ließen seine Geschichte unbeendet. Seine nächsten Freunde waren zwar darauf bedacht, dasjenige zu retten, woran er so lange gearbeitet hatte, doch sie fanden nur Bruchstücke und mit großem Widerstreben willigte er in die Veröffentlichung derselben. (Erschienen 1884 bei Max Hesse in Leipzig in 2 Bänden.) Er war so niedergebeugt, daß er den Freunden alle Mühe überließ und nicht gerade sehr taktvoll in einem kurzen mürrischen Vorworte sich die Hände wusch und alle Mängel den noch dazu ungenannten Herausgebern aufbürdete. So treue und aufopfernde Freundschaft verdiente wohl einen besseren Lohn, denn wenn die Geschichte auch nur aus ungleich behandelten Bruchstücken besteht, so sind doch einzelne Abschnitte, besonders diejenigen über die älteste Zeit so vortrefflich, daß wir bis jetzt nichts Aehnliches ihnen an die Seite stellen können. R. versuchte sich auch neben seinen Orgelcompositionen in größeren Musikformen, als in der Sinfonie, Sonate u. a., doch reichte seine Begabung hierzu nicht aus. Es sind fleißige Arbeiten, die von [672] trefflichen Studien und einem ernsten Streben Zeugniß geben, doch nur ein mittelmäßiges Compositionstalent zeigen. Sein eigentliches Feld war die schulmäßige Ausbildung des Orgelspiels und seine „Kunst des Orgelspiels“, in 2 Bänden, gibt durch die zahlreichen Auflagen (1877 erschien der 1. Band in der achten und der 2. Band in der neunten Auflage) den Beweis, wie vortrefflich dieses Lehrwerk ist und wie es in der That eine Lücke in der Orgellitteratur ausfüllt.