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ADB:Recke-Volmerstein, Adelbert Graf von der

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Artikel „Recke-Volmerstein, Adelbert Graf von der“ von Wilhelm Imhäuser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 500–502, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Recke-Volmerstein,_Adelbert_Graf_von_der&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:57 Uhr UTC)
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Recke-Volmerstein: Adelbert Graf von der R.-V. wurde geboren am 28. Mai 1791 und starb am 10. November 1878. Seine Wiege stand in dem väterlichen Schlosse Overdyk bei Bochum in der Grafschaft Mark, die gerade dort mit einem sehr fruchtbaren Boden gesegnet ist. Heute spielt eine hochentwickelte Industrie auf Grund reicher Kohlenbergwerke dort die erste Rolle. Das nach den Freiheitskriegen neu erwachte Glaubensleben trieb dort seine ersten Sprossen. Man kannte noch nicht die Anstalten der reich gesegneten innern Mission, von denen heute alle Gegenden Deutschlands viel Gutes zu berichten wissen. Die Familie von der Recke-V. gehört einem der ältesten Geschlechter der Grafschaft Mark an und wohnte seit dem Ende des vorigen Jahrhundert in Overdyk. Schon unter dem Vater des Grafen Adelbert, Philipp, bildete dieses Schloß einen leuchtenden Mittelpunkt christlicher Humanität für die ganze Gegend. Er bethätig1e seinen menschenfreundlichen Sinn durch Errichtung einer Normalschule auf seinem Gute, an welcher der später als Pädagog so hervorragende Wilberg gewirkt hat. Die Franzosen hoben diese Schule auf, aber kaum hatte die Fremdherrschaft mit den Freiheitskriegen ihr Ende erreicht, so bot sich dem christlichen Sinne der gräflichen Familie die Gelegenheit dar, sie, wenn auch in anderer Weise, der Jugend und dem Reiche Gottes zurückzugeben. Die Freischule wurde durch sie zur Freistätte für arme verlassene und verwahrloste Kinder, zur Mutter und zum Muster für alle die Hunderte von Rettungsanstalten, welche seitdem in ganz Deutschland durch die christliche Liebe ins Leben gerufen worden sind. Die Franzosen und die Kriegsjahre hatten damals eine Menge Vagabunden, Waisen und verlassene Kinder hervorgerufen, welche bettelnd das Land durchzogen. Auch Overdyk sah solche Unglück1iche in großer Menge. Aber hier fanden sie mehr als kalte Almosen, hier fanden sie warme, zur gründlichen Hülfe bereite Herzen. Insonderheit jammerte den jungen Grafen der armen Kinder. Zuerst versuchte er in Gemeinschaft mit seinem edeln Vater ihre Unterbringung in christliche Familien und nahm auch ins eigene Haus einige jener Kinder auf. Allein er erkannte bald, wie bedenklich diese Aufnahme für die eigene Familie werden könnte. Da bot denn das alte Schulhaus eine willkommene Stätte und er zog am 19. November 1819, nachdem er in der [501] Zeitschrift „Hermann“ die christlichen Menschenfreunde um Hülfe angerufen und eine förmliche Gesellschaft gebildet hatte, mit 3 Zöglingen in das neue Heim ein, begleitet von dem für diese Knaben bestimmten Lehrer und einer Haushälterin. Zugleich bildete sich ein Jungfrauenverein, der es sich besonders zur Aufgabe setzte, allerlei Geschenke, Handarbeiten u. s. w. jährlich zur Verlosung zu bringen und den Ertrag der Anstalt zuzuführen. Christen und Juden, Alte und Junge, Kleine und Große, Arme und Reiche bezeugten ihre warme Theilnahme sowohl durch Einsendung von Verlosungsgegenständen wie durch Abnahme von Losen. Man fragte nicht nach Confession oder Landesgrenze; die Liebe lehrte über das Alles hinwegblicken. Aus Rußland, Polen, Dänemark, Holland, Hannover, Sachsen, Braunschweig, Hessen, Baiern, Württemberg, Baden und der Schweiz strömten die Opfer der Liebe herbei, namentlich als die Anstalt durch Ankauf der Abtei Düsselthal bei Düsseldorf eine bedeutende Erweiterung erfahren hatte. Und dieser Ankauf war auf so merkwürdige Weise zu Stande gekommen, daß Graf v. d. R. in seinem Vertrauen auf Gottes Durchhülfe gar sehr gestärkt wurde. Einen großen Theil der auf dem Gute haftenden Schuld übernahm 3 Jahre später der hohe Gönner der Anstalt, König Friedrich Wilhelm III. Auch von anderen Seiten steuerte man willig bei, so daß am 19. Juni 1822 der Graf mit 24 Knaben und 20 Mädchen seinen Einzug halten konnte. Die Anstalt Overdyk blieb unter der Leitung seines Vaters und seiner Schwester Ida. In Düsselthal gab es nun ein recht reges Leben. Wo einst schweigende Mönche umhergewandert waren und nur das monotone memento mori hatten ertönen lassen, tummelte sich jetzt eine fröhliche Kinderschar. Beschränkte Räume und verfallende Gebäulichkeiten mußten entfernt und neue an deren Stelle gesetzt werden. Den Kreis der Freunde suchte man mehr und mehr zu erweitern, indem von Neujahr 1825 an als Organ der Anstalt „Der Menschenfreund“ herausgegeben wurde, dem sich im Jahre 1830 die „Christliche Kinderzeitung“ anreihte. Im J. 1836 wurden 173 Morgen freilich etwas nassen Landes, aber auch für nicht vieles Geld hinzugekauft, das hauptsächlich aus England kam. Ein anderes Gut Zoppenbrück, anstoßend an das Düsselthaler Gebiet, wurde im J. 1840 angekauft, wozu zum Theil wenigstens die Kaiserin von Rußland und der König von Holland die Deckung zu liefern die Gnade hatten. Ein wichtiges Ereigniß brachte das Jahr 1845. Durch Allerhöchste Cabinetsordre wurden die vom Grafen entworfenen Statuten genehmigt und der Anstalt die Vorrechte öffentlicher Armenanstalten und Hospitien verliehen. Der edle Stifter, der sein Werk bis hierher gebracht sah, blieb einstweilen noch Leiter der Anstalt, bis andauernde Kränklichkeit ihn veranlaßte, einen Andern an seine Stelle treten zu lassen. Am 18. November 1847 übergab er die Anstalt einem Curatorio resp. dem zum Director erwählten früheren Seminarinspector Georgi und zog nach Craschnitz in Schlesien. Wollte man sich wundern, daß Graf v. d. R. sich schon jetzt als ein Mann von 56 Jahren von seinem Segenswerk zurückzog, so möge man außer der schon genannten Kränklichkeit auch die sehr schwierigen Verhältnisse in Betracht ziehen, unter welchen er bisher gearbeitet hatte. Außer dem geringen Ertrage der Landwirthschaft einem so zahlreichen Personal gegenüber, außer den Erwachsenen etwa 140 Kinder, und außer dem geringen Pflegegelde, das ihm für die Kinder gezahlt wurde, von denen auch immer eine Anzahl ohne jegliches Kostgeld aufgenommen wurde, war er auf freiwillige Gaben angewiesen, welche eingehen oder auch nicht eingehen konnten. In den verschiedenen Jahresberichten kann man die Nöthe und Verlegenheiten finden, in welche er so sehr oft gerathen ist, freilich auch die häufigen Durchhülfen Gottes, die ihm ganz unerwartet in den Schoß gefallen sind. Die Wartezeit läßt aber gemeiniglich tief gehende Spuren [502] zurück. Dazu kommt die gewaltige Erregung in der fast ganz katholischen Nachbarschaft, welche ganz offen die Beschuldigung aussprach, er habe nur darum seine Anstalt in der Nähe fast ganz katholischer Orte gegründet, um Proselyten zu machen. Einen Beweis solchen Strebens wollte man auch darin finden, daß er es sich angelegen sein ließ, einige Häuser zu errichten, worin solche Juden Aufnahme fanden, welche die Absicht kundgaben, zum Christenthum überzutreten. In Wort und Schrift wurde er darum von seinen nächsten Nachbarn angegriffen, obgleich man einen Beweis zu liefern nicht im Stande war. So konnte man wohl allmählich auch einen kräftigen Mann mürbe machen, allein sein Werk trägt auch heute noch den Stempel eines Gott wohlgefälligen an sich, indem einige Jahre nach seinem Abgange auf dem früher schon genannten Zoppenbrück eine dritte Anstalt gegründet wurde, 12 Minuten von der Hauptanstalt Düsselthal, die wie die früher gegründeten in Blüthe steht. Nach dem Heimgange des Director Georgi trat an seine Stelle der Pfarrer W. Imhaeusser im J. 1863, unter dessen Leitung das Ganze seitdem steht, außer den Erwachsenen etwa 270 Kinder und 90 Lehrlinge und Dienstmädchen außerhalb, im Ganzen etwa 360 Kinder. Das Verlangen, seinen armen Mitmenschen zu helfen, begleitete den Grafen auch in seine neue Heimath Craschnitz. Es dauerte nicht lange, so erstand auch dort eine Reihe von Liebeswerken, deren erstes den armen Idioten galt. Eine große Anzahl dieser Unglücklichen hat dort Linderung und Besserung ihres Zustandes gefunden. Daneben wurde ein Diakonissenhaus sammt Krankenanstalt errichtet, so daß auch die Provinz Schlesien dem edeln Wohlthäter zu großem Dank verpflichtet ist. Möglich wurde diese Fortführung unermüdlicher Menschenliebe nur dadurch, daß ihm seine gleichgesinnte Gemahlin, die sich in Düsselthal schon als Hausmutter bewährt hatte, sowie einige seiner Töchter sich hülfsbereit an seine Seite stellten, mit denen einer seiner Söhne, der Majoratsherr, Hand in Hand geht.