Zum Inhalt springen

ADB:Raselius, Christoph Andreä

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Raselius, Christoph Andreä“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 319–321, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Raselius,_Christoph_Andre%C3%A4&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Raschle, Josabe
Nächster>>>
Raselius, Andreas
Band 27 (1888), S. 319–321 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand November 2015, suchen)
Christoph Andreä Raselius in Wikidata
GND-Nummer 123170834
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|27|319|321|Raselius, Christoph Andreä|Karl Ernst Hermann Krause|ADB:Raselius, Christoph Andreä}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=123170834}}    

Raselius: Christoph Andreä (d. h. des Andreas Sohn) R. war in Regensburg als Sohn des lutherischen Cantors M. Andreas geboren. Sein Großvater Thomas hatte als Pfarrer in der Pfalz die Concordienformel unterschrieben und hieß eigentlich Räsel, welches der Großsohn durch Cespes übersetzt; Melanchthon aber hatte den Namen in Raselius umgesetzt. Nach ihren 3 Rosen im Petschaft nannte sich die Familie auch Roselius. Christoph hat 1609 in Wittenberg studirt, wurde 1614 in Gießen ordinirt und war von da an Prediger zu Immenkeppel (Immenküppel) im Bergischen, wo er 1622 irriger Lehre wegen abgesetzt wurde; ob er schon vorher mit Felgenhauer (s. A. D. B. VIII, 278) in Verbindung stand, oder erst nach seiner Absetzung sich mit ihm verband, ist nicht sicher; jedenfalls hatte die sectirerisch-schwärmerische Richtung, die schon um 1570 dort ausgebrochen, im Bergischen großen Anhang, noch 1638 redet R. von seinen „Brüdern“ dort, mit denen er in Verbindung stehe. Die kleine bremische Gemeinde „Schwarne“ (Schwarme) im heutigen braunschweigischen Amte Tedinghausen an der Weser, ein Filial von Lunsen, die sich bis 1648 aus eignen Mitteln einen schlecht dotirten Prädicanten hielt, nahm ihn zu dieser Stelle an. Hier verfaßte er die „Treuhertzige Bußposaune, angeblasen über eine sehr merkwürdige, Anno 1322 geschehene Prophezeyung vom jetzt- und zukünfftigen, gefährlichen Zustande des Teutschlands, Kayserthumbs und anderer Stände, auch des Königs in Schweden etc., welche Johann Bugenhagen Anno [320] 1532 Diengstags nach Cantate in Lübeck in einer alten Bibel gefunden hat“. Er sandte sie nach Amsterdam zum Druck, wo sie 1632 in 4° (und abermals 1643 in 4°) erschien. 1632 und 1633 aber überzog die Stader Garnison Pappenheims die Gegend, und die ganze Gemeinde verlief sich vor den „Crabaten“; der Pastor flüchtete mit seiner Familie nach Hamburg, wo er 1632–1634 blieb und schon 1633 die „Sonderbare treuhertzige gegen das Neue Jahr angeblasene Bußposaune etc. etc. Zusampt dem güldenen Schlüssel Davids zum Hause Gottes etc., wie auch zur Treuhertzigen Bußposaunen gehörigen hertzblutigen Thränen“ herausgab. Damit verfiel er dem Hamburger Ministerium, das trotz der Kriegsleiden das Höchste darin suchte, die zugespitzteste lutherische Orthodoxie zu wahren. Den Streit brachte dieses auf dem Convente des Consistorium Tripolitanum, d. h. der geistlichen Ministerien von Lübeck, Hamburg und Lüneburg, zu Mölln am 26. und 29. März 1633 vor, der zur Abwehr der Sectirer und Sacramentirer in demselben engherzigen Sinne gehalten wurde. Wenig fehlte, so wären hier Johann Arndt’s „Bücher vom wahren Christenthum“ von den Eiferern für sectirerisch erklärt und der fromme Mann unter die „neuen Propheten, Schwärmer und Fanaticos“ geworfen. Nach den Eingaben der Prediger an den Rath der 3 Städte, denen dann Mandate zur Austreibung folgten, gehörten zu jenen: Johann Wessel von Lübeck, Christoph Raselius, Johann Tancmar von Lübeck, Joachim Morsius (Mörtzken s. A. D. B. XXII, 327 f.), Johann Staritius, Walter, Jacob Böhme (s. A. D. B. I, 65 ff.), Leonhard Elver von Lübeck. Die von ihnen umgetragenen verpönten Bücher waren „Geheimniß vom Tempel“, „Morgenröthe der Natur“, „Weg zu Christo“, „Nuncius Olympicus“. Später setzte man dazu die Dichterin Anna Owena Hoyer (s. A. D. B. XIII, 216) wegen ihres „Gespräch eines Kindes mit seiner Mutter“, und noch etwas später die „Visionäre und Schwärmer“: Küster Georg Reichard (s. d.) zu Seehausen bei Leipzig mit seinem Apostel Laurentius Matthäus, Hermann v. d. Hude (s. A. D. B. XIII, 277), Bauer Johann Warner zu Bockendorf in Meißen, dessen Apostel der Generalsuperintendent Jacob Fabricius in Stettin (s. A. D. B. VI, 514) geworden sei. In Folge des Tripolitanums wies der Rath in Hamburg R. aus und muß ihn nach Schwarme hin verfolgt haben, denn dort verbot ihm Erzbischof Johann Friedrich seine „kurze Entschuldigung“ drucken zu lassen, welche dann im Bergischen „dennoch“ gedruckt ihm von Köln über Amsterdam und Bremen zuging, und von der er ein Exemplar dem Superintendenten Hunnius und dem Bürgermeister Christoffer Gerdes sandte, und Versöhnung forderte; die ihm nicht gewährt wurde. Unter der dänisch-bremischen Regierung Erzbischofs Friedrich wurde er abgesetzt und war vor 1641 nach Angabe Starck’s noch einmal Pastor zu „Fürfeld im Griechgau“, was kaum möglich erscheint. 1641 war er bei seinem Sohne Adolf in Rostock, der unter dem Namen Roselius dort studirte, und schrieb einen neuen Friedebrief an das Tripolitanum. Dieses forderte einen entehrenden Widerruf, den R. nicht leisten wollte. Bezeichnend ist seine Schilderung von der Verrohung der Zeit, die er an Hunnius schrieb: Ich fand aber auf solchen Reisen (nach Hamburg und Lübeck „ein solch wüstes Christenthum in den Städten und auf dem Lande sowohl, als an unseren Orten, auf den Gassen, auf den Straßen und in etlichen Häusern darein ich kam, wie Ihrs beschrieben habt in der Vorrede des ‚Ausführlichen Berichts‘ 6 fasc. a und b, ich mußte soviel von Unzucht, Sauffen, Hoffart, Spielen, Fluchen, Schandreden, Rauffen, Schlagen, Morden, Dieberey, Falschheit etc. hören und sehen, daß mir fast Augen und Ohren, ja Hertz, Hände und Füße wehe thäten; und schalt doch jedermann, nüchterne und trunckene, nur immer hefftig und tapffer auf den Papst und Antichrist und andere Sektirer, der doch selber noch so tief in antichristischen Greueln über die Ohren stack“. Er brachte über seine Rechtgläubigkeit [321] die bündigsten Zeugnisse bei von seinem nächsten Kirchenpatron, Herzog Friedrich von Braunschweig, erwähltem Dompropst zu Bremen, die er dem Hamburger Ministerium vorgelegt hatte, von den Theologen von Rostock, Lutheranern aus Minden, Osnabrück und Itzehoe, wo er sich also aufgehalten haben muß, vom (lutherischen) Domprediger Fürsen zu Bremen und den lutherischen Predigern zu Amsterdam, Minden und Zelle. Er reisete selbst in der Sache nach Hamburg, wo er vom September bis in den December 1641 sich aufhielt. Am 29. April 1642 schreibt er wieder von Rostock, ja am 2. Mai verwandte sich sogar die Rostocker Facultät für ihn, am 16. Mai schreibt er aus Lübeck. Hunnius selbst erkannte an, seine allerdings verwunderlichen Sätze, wie das wahre Christenthum durchzuführen sei, wichen nicht vom Glauben ab. Aber das halsstarrige Pfaffenthum konnte ihm nicht verzeihen, daß er die wahren Sätze auszusprechen gewagt hatte: „in den Lutherischen Kirchen sey nichts als disputiren und streiten über den Religions-Artickeln; die Gottseeligkeit aber werde wenig getrieben“; ferner: „die Prediger haben die Lehre von der Gottseeligkeit fahren lassen, predigen nur das halbe Erkenntniß Christi, lehren nur den Glauben. Des christlichen Lebens sey nach D. Lutheri Tod so gar vergessen, daß Johan Arndt dasselbe erst habe wiederum lehren müssen“. Der Streit zog sich ohne Abschluß hin bis zum 9. Februar 1643; die für ihn bestimmten Briefe beförderte der Domprediger Fürsen zu Bremen. Noch 1644 ließ R. in Amsterdam seine Sätze: Wie das wahre Christenthum durchzuführen, drucken; sie laufen wesentlich auf allgemeine Verweigerung des Abendmahls, also Bann und Excommunication, hinaus, die vornehmlich gegen die Hochgestellten anzuwenden seien. Dann ist er verschollen.

Starckens Lübeckische Kirchenhistorie S. 795 ff., 824–870, 1050–1079, wo eine Anzahl Briefe Raselius’, auch von seinem Sohne. S. auch die Quellen A. D. B. VIII, 279 v. Felgenhauer. – Ueber die Pfarre zu Schwarme: (Pratje) Bremen und Verden II, 182. – Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen, 1865 S. 189 ff.