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ADB:Preusker, Karl

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Artikel „Preusker, Karl“ von Ernst Wilhelm Förstemann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 576–580, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Preusker,_Karl&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:45 Uhr UTC)
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Band 26 (1888), S. 576–580 (Quelle).
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Preusker: Karl P. wurde am 22. September 1786 zu Löbau in der sächsischen Oberlausitz geboren. Er stammte aus einer armen Leineweberfamilie; sein Vater hatte sich in frühester Jugend mit Beeren- und Leseholzsammeln, dann durch Hausieren mit Leinewandrestern das Brot erwerben müssen, war aber später durch rastlose Mühe sowie durch seltenes Handelstalent zum geachteten Schnittwaarenhändler emporgestiegen. Im Hause seiner Eltern, wo große Einfachheit, strenge Rechtlichkeit und wahre Frömmigkeit herrschten, konnte Karl P. einen trefflichen sittlichen Grund für sein langes Leben legen. Mit dem Schulunterricht stand es dagegen höchst mißlich. Vom 6–10. Jahre besuchte er eine dürftige sogenannte Sammelschule von Kindern beider Geschlechter; im elften und zwölften konnte er mit an dem Unterricht theilnehmen, den ein Hauslehrer in einer Kaufmannsfamilie ertheilte; hier wurde ihm das später nie ausgesetzte Führen eines Tagebuchs angewöhnt und der Grund zu seiner dauernden Sammlerlust gelegt; vom zwölften bis vierzehnten Jahre konnte er die Secunda [577] der Stadtschule mit ihrem immer noch sehr dürftigen Unterrichte besuchen, der ihm weit weniger Nahrung zuführte als die in ihm zugleich erwachte Lesesucht, zumal da er sich gewöhnte, über das Gelesene stets Anmerkungen oder Auszüge niederzuschreiben. Nachdem Ostern 1801 seine Confirmation erfolgt war, galt es für selbstverständlich, daß er die Schule verließ und in das Geschäft seines Vaters eintrat. Aber sowohl seine Wißbegierde als seine Rechtschaffenheit stand mit den Anforderungen des Kaufmannsstandes nicht im Einklange, und so erkannte er selbst ebenso wie seine Bekannten, zuletzt auch sein Vater, daß dies nicht der rechte Beruf für ihn sei. So trat er denn 1803 als Primaner wieder in das Löbauer Lyceum ein; charakteristisch für ihn ist es, daß er damals unter den Schülern, begeistert durch das Vorbild der oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, eine wissenschaftliche Verbindung gründete und zugleich durch eine Petition die regelmäßige Oeffnung der bis dahin stets verschloßnen Löbauer Stadtbibliothek durchsetzte. Doch schon im folgenden Jahre endete dieser Schulbesuch wieder; P. mußte in Folge einer langwierigen Krankheit seines Vaters abermals in dessen Geschäft eintreten und bezog nun wieder wie früher mit seinen Waaren die Jahrmärkte, daneben freilich immer sein vielseitiges Sammeln und eifriges Bücherlesen fortsetzend. Endlich aber siegte von neuem seine Abneigung gegen den Kaufmannsstand und er war froh, im J. 1805 eine Lehrlingsstelle in der Köhlerschen Buchhandlung zu Leipzig zu erlangen. Seine dortige ihn vielfach fördernde Stellung dauerte bis 1809, in welchem Jahre er eine Stelle als Gehülfe in der Schulbuchhandlung von Campe in Braunschweig erhielt, wo ihm gleichfalls durch Umgang und Lectüre reichliche geistige Nahrung zugeführt wurde. Da jedoch in dieser Stellung ihm Einiges nicht zusagte und zugleich seine Eltern ihn dringend baten wieder in ihr Geschäft einzutreten, so verließ er 1811 Braunschweig und kehrte nach einer dreimonatlichen Fußwanderung durch Holstein, Mecklenburg u. s. w. nach seiner Vaterstadt Löbau zurück. Diese dritte Beschäftigung im elterlichen Hause endete damit, daß er bald nach der Schlacht bei Leipzig sich zum Eintritte in die neugebildete Brigade freiwilliger Sachsen meldete und, seiner Neigung entsprechend, vom General Tettenborn als Brigadesecretär angestellt wurde. Als Quartiermeister des 5. Landwehrregiments machte er im Frühling 1814 den Marsch an den Rhein und nach geschlossenem Frieden den Rückmarsch mit. Nach mehrfach gewechselter Garnison wurde er gegen Ende des Jahres 1815 dem sächsischen Occupationscorps zugewiesen, das in der Gegend von Lille stand. Hier fand seine unersättliche Wißbegierde sowie auch sein stetes Streben berühmte Leute kennen zu lernen die reichste Nahrung, sowol bei dem Aufenthalt in verschiedenen französischen Städten, als bei einem Besuche von Paris, als auch bei der 1817 über Straßburg und Würzburg erfolgenden Rückkehr; seine Erlebnisse und Beobachtungen aus dieser Zeit hat er in mehreren Aufsätzen, die er verschiedenen Zeitschriften einsandte und mit denen er zum ersten Male als Schriftsteller auftrat, sehr anschaulich niedergelegt. Da seine nächste Garnisonstadt Leipzig war, so konnte er einen heißgehegten Wunsch erfüllen, er ließ sich in die Universität aufnehmen und hörte, obwol schon 31 Jahre alt, eine Menge Collegien, besonders staatswissenschaftlicher und gemeinnütziger Art; eine damals von ihm verfaßte Schrift „Ueber die Litteratur der Militärökonomie“ ist erst 1825 anonym erschienen; sein Amt versah er daneben mit äußerster Pünktlichkeit. 1821 mit seinem Bataillon in die Garnison Döbeln versetzt fand er dort in der Tochter des Bürgermeisters Löwe seine spätere ihm 30 Jahre lang zur Seite stehende Lebensgefährtin, und als im J. 1824 die Aufhebung der Quartiermeisterstellen erfolgte, wurde P. als Rentamtmann nach Großenhain versetzt, womit der bis dahin rasche Wechsel in seinem Berufe [578] und in seinem Wohnorte für sein übriges Leben endete. Drei ihm später angetragene höhere Stellungen hat er stets ausgeschlagen und war mit seinem ihn hinlänglich nährenden und recht eigentlich für eine gemeinnützige Thätigkeit bestimmten Berufe dauernd zufrieden. Bei der Muße, die ihm dieser Beruf hinreichend gewährte, konnte er seinen wissenschaftlichen Neigungen ungehindert weiter nachgehen und mehr als es bisher der Fall gewesen war, energisch nach gewissen Richtungen concentriren. Besonders war es die Erforschung der vaterländischen Alterthümer, die bei ihm jetzt dauernd in den Vordergrund trat. Ausgrabungen wurden nicht allein von ihm selbst häufig veranstaltet, sondern auch durch gedruckte Aufforderungen, die er versandte, in weiten Kreisen angeregt; seine „Beiträge zur vaterländischen Alterthumskunde“ (Band I, Leipzig 1825) und seine „Oberlausitzischen Alterthümer“ (Görlitz 1828) sind die ersten verdienstvollen Früchte dieser Studien, denen er bald seine Schrift „Ueber Mittel und Zweck der deutschen Alterthumsforschung“ (Leipzig 1829) folgen ließ. Sein Ruf auf diesem Gebiete war hiedurch so fest gegründet, daß ihn allmählich 24 Alterthumsvereine als ihr Mitglied aufnahmen und daß der spätere König Johann ihn eigens in Großenhain besuchte, um seine Sammlung zu besichtigen. Nach längerer Unterbrechung durch vielseitige andere Thätigkeit kehrte P. zu dieser Richtung zurück und ließ in den Jahren 1840–43 sein noch jetzt viel gelesenes Hauptwerk „Blicke in die vaterländische Vorzeit“ in drei Bänden erscheinen, welches sich hauptsächlich auf des Verfassers sächsische Heimath bezieht, aber auch die umliegenden Landschaften berücksichtigt und dadurch einen nicht zu unterschätzenden Einfluß gewonnen hat.

Noch weit mehr aber als auf dem Gebiete der Alterthumskunde ist Preusker’s Wirken für gemeinnützige Zwecke von reichem Segen und Erfolge begleitet gewesen. Zuerst gründete er die Stadtbibliothek zu Großenhain, die erste wahrhafte Bürgerbibliothek, die nachher in manchen andern Städten nachgeahmt wurde; seine „Nachricht“ von dieser Bibliothek erschien 1865 schon in sechster Auflage; auch hat er die eigentliche Leitung dieser seiner Gründung bis in sein Alter fortgeführt. Dann stiftete er 1830 eine gewerbliche Sonntagsschule, gleichfalls das Vorbild vieler ähnlichen später entstandenen Anstalten; sie gedieh außerordentlich gut und wurde 40 Jahre lang von P. persönlich geleitet. Hieran schloß er 1832 die Gründung des Großenhainer Gewerbevereins, gleichfalls eines der ersten in Deutschland, und wirkte für ihn wie für die Sonntagsschule, nicht nur durch thätiges Beispiel, sondern auch durch zahlreiche Schriften und Aufsätze, die eine Kenntniß des Wesens solcher Einrichtungen in die weitesten Kreise verbreiteten. Namentlich geschah das durch die zu Leipzig 1834 erschienenen „Andeutungen über Sonntags- und Gewerbschulen, Bibliotheken, Vereine und andere Förderungsmittel des vaterländischen Gewerbfleißes und der Volksbildung im Allgemeinen“, welche Schrift schon 1835 in drei Bänden mit dem Nebentitel „Bausteine“ neu aufgelegt wurde und ihm die vielfältigste Anerkennung, auch von der Preußischen Regierung, von Sachsen aber den damals noch seltenen Civilverdienstorden einbrachte. Zugleich wirkten diese Schriften erheblich zur Gründung von Realschulen mit, die es bis dahin in Sachsen noch gar nicht gegeben hatte. Seine eifrige Wirksamkeit für Straßenbeleuchtung, für Volksschulen, für Statistik, beim Eindringen der Cholera (1831), bei der ersten Anlage einer größeren deutschen Eisenbahn (Leipzig–Dresden) u. s. w. kann hier nur angedeutet werden. Seine „Förderungsmittel der Volkswohlfahrt“ (Leipzig 1836) fassen alle seine mit Begeisterung gehegten Ideen über diesen Gegenstand zusammen und zeigen ihn als einen unmittelbaren würdigen Jünger Herders. Weiter führte er einen Theil dieser Ideen aus in seinen 1837–1842 erschienenen fünf Heften „Ueber Jugendbildung, zumal häusliche Erziehung; Unterrichtsanstalten, Berufswahl, [579] Nacherziehung und Nachschulen“. Ja sogar in humoristischer Form versuchte er seinem Streben Erfolg zu verschaffen; dahin gehört sein „Herderolith“ (1836) und sein „Gewerbgeist im hermetisch verschlossenen Glase“ (1838) und einiges Andere. Namentlich kam er immer wieder auf die Nützlichkeit öffentlicher Bibliotheken für die allgemeine Volksbildung zurück; so erschien zum Gutenbergjubiläum 1840 „Gutenberg und Franklin, eine Festgabe zugleich mit Antrag auf Gründung von Stadt- und Dorfbibliotheken“; dann in demselben Jahre in zwei Bänden „Ueber öffentliche Vereins- und Privatbibliotheken sowie andere Sammlungen, Lesezirkel etc. mit Rücksicht auf den Bürgerstand“; endlich im J. 1843: „Die Dorfbibliothek, Lesezirkel, Gemeinde- und Wanderbibliotheken auf dem Lande und in kleinen Städten“; daneben liefen dann noch mehrere Aufsätze verwandten Inhalts. Ueberall, in Deutschland wie im Auslande, wirkten diese Schriften Bedeutendes und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ehrte den Verfasser durch Verleihung der großen goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft. In der folgenden Zeit trat allmählich seine schriftstellerische Thätigkeit in den Hintergrund; zu erwähnen sind noch: „Der Sophienducaten oder des Tischlers Walther Lehrjahre“, Leipzig 1845, „Stadt- und Dorfjahrbücher, Ortschroniken zur Förderung der Vaterlandsliebe und eines regen Sinnes für des Ortes Gedeihen“, Leipzig 1846, endlich „Bürgerhalle; Anstalten und Einrichtungen zu gewerblicher wie allgemeiner Fortbildung des Bürgerstandes“, drei Hefte, 1847–1849. Uebergehen müssen wir mehrere von ihm gegründete, doch in Folge der Zeitverhältnisse nicht lange bestandene Anstalten für Volksbildung. Preusker’s häusliches Leben war ein stilles und ungetrübtes, bis ihm im J. 1851 seine geliebte Frau, nachdem sie ihm sechs Töchter geschenkt hatte, durch den Tod entrissen wurde. Von da ab gestaltete sich sein Leben zu einem noch stilleren; im J. 1853 ließ er sich in den Ruhestand versetzen, nicht ohne zugleich wiederum eine gemeinnützige That zu vollführen, indem er seine reiche mit Liebe gepflegte Alterthümersammlung dem kgl. Antikenmuseum zu Dresden überließ, von wo aus sie später in die ethnologische Sammlung überging. Nun wurde es eine Hauptbeschäftigung von ihm, alle Materialien zu seiner Biographie, zugleich mit einer ausführlichen Darstellung seines Lebens, in zwei Exemplaren zu sammeln, deren eines in seiner Familie forterben sollte, während das zweite, in 21 starken Bänden, der kgl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden übergeben wurde, in deren Handschriftenschatz es sich als eine künftig wahrscheinlich sehr ergiebig werdende Quelle für die Geschichte nicht bloß seines Lebens, sondern auch seiner Zeit befindet. Von dieser großen ihres Umfangs wegen nicht zum Drucke geeigneten Sammlung veranstaltete er dann selbst noch einen Auszug, den er dem Unterzeichneten zur Durchsicht und etwaigen Besserung (die aber kaum nöthig war) übersandte, und dieser Auszug ist, herausgegeben von H. Ernst Stötzner zu Leipzig 1873 unter dem Titel „Lebensbild eines Volksbildungsfreundes. Selbstbiographie von Karl Preusker, 1786–1871“ erschienen.

Preusker’s letzte Lebensjahre, obwohl getrübt durch einige Altersgebrechen, Blödigkeit der Augen und ein Fußleiden, brachten ihm jedoch noch manche große Freude. Dahin gehört das segensreiche Fortgedeihen und Weiterwirken der von ihm gestifteten oder angeregten Anstalten und Sammlungen, ferner die von den Gewerbevereinen Sachsens 1866 gegründete große zu Gunsten junger Gewerbetreibender bestimmte Preuskerstiftung, endlich der deutsch-französische Krieg und die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches, welche Ereignisse in seinen politischen Anschauungen noch dicht vor seinem Tode einen völligen Umschwung veranlaßten. Er starb, ohne vorher ganz bettlägerig geworden zu sein, am 15. April 1871. Mit ihm schied einer der edelsten reinsten Männer; sein [580] Andenken wird noch lange in Ehren gehalten werden und sein gemeinnütziges Wirken noch in ferner Zeit seine reichen Früchte tragen.

In Zeitschriften und andern Werken sind ihm unzählige Artikel und Aufsätze gewidmet worden; von selbständigen Schriften, die sich mit ihm beschäftigen, ist außer der oben erwähnten Selbstbiographie noch zu bemerken: Stöcker, Ernst, Karl Preusker und seine Bestrebungen für Volksbildung. Zittau 1884.