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ADB:Poniatovska, Christine

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Artikel „Poniatovska, Christine“ von Gustav Baur in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 408–410, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Poniatovska,_Christine&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 01:39 Uhr UTC)
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Poniatovska: Christine P., auch Ponicowskin und lateinisch Poniatovia genannt, war eine Tochter des Julian Poniatovski von Duchnik, eines polnischen Emigranten aus dem bekannten Adelsgeschlechte, welcher zu der böhmischen Brüderkirche übertrat und ihr als Geistlicher diente. Sie war 1610 in Preußen geboren und kam mit ihren Eltern 1615 nach Böhmen, von wo sie 1627 wieder vertrieben wurden. Indessen gelang es dem Vater, seiner Tochter bei einer Baronin von Engelburg auf Schloß Brann, nahe bei dem Ursprung der Elbe in Böhmen, eine Stelle zu verschaffen. Hier verfiel sie am 12. November 1627 zum ersten Male in einen ekstatischen Zustand, welcher bis zum Anfang des Jahres 1629 sich öfter wiederholte, und in ihrer Verzückung hatte sie mancherlei wunderbare Gesichte. Nach einem besonders heftigen Anfall am 27. Januar 1629 hielt man sie für todt und machte bereits Anstalten zu ihrem Begräbniß, als sie sich wieder erholte und fortan von dergleichen Zuständen nicht mehr heimgesucht wurde. Im J. 1632 verheirathete sie sich mit dem Prediger Daniel Vetter, wurde in dieser Ehe Mutter von zwei Kindern und starb 1644. „Zeiten der Verfolgung sind immer auch Zeiten ekstatischer Zustände, das sieht man wie an den Camisarden zur Zeit nach der Aufhebung des Edicts von Nantes, so auch an der Unität nach der Schlacht am weißen Berge.“ Was die P. in ihrer Ekstase gesehen und gehört hatte, das hatte sie selbst aufgezeichnet, und obwohl es im Wesentlichen nur in der Ausführung von Reminiscenzen aus dem Buche Daniel und der Offenbarung Johannis bestand, so machte es doch in der Aufregung jener Zeit des Martyriums auf die Unterdrückten und Verfolgten einen gewaltigen Eindruck. Schon 1629 erschienen ihre Offenbarungen in Verbindung mit verwandten Mittheilungen Anderer im Druck, unter dem Titel: „Göttliches Wunderbuch, darinnen aufgezeichnet stehen, 1. himmlische Offenbarungen und Gesichte einer gottseligen Jungfrau aus Böhmen vom Zustand der christlichen Kirche, deren Erlösung und dem schrecklichen Untergang ihrer [409] Feinde“ u. s. w. Drei Jahre nachher, als Gustav Adolph siegreich in Deutschland vorgedrungen war und Tilly bei Leipzig geschlagen hatte, wurde ein merkwürdiges Buch veröffentlicht: „Deß mitternächtigen Post-Reutters adeliches und untadeliches dreifaches Paßport, darinnen seine bißher unterschiedliche abgelegte Frewdenposten mit mehr als hundert und zwantzig, theils uhralten über dreytausend Jährigen, theils alten etlich hundert Jährigen, theils aber gantz spannewen und fast weltkündigen göttlichen Weissagungen und Wunderzeichen außführlich beglaubet und bestärcket werden. Gedruckt in der erlöseten Magdeburg.“ Hier werden unter Nr. 78, 79, 80, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 92, 93 und 96 nicht weniger als dreizehn Weissagungen dieses „böhmischen Mägdleins“ angeführt. Sie alle sind eigentlich nur Variationen ihres ersten Gesichtes vom 12. November 1627, in welchem sie über dem Schloßhofe zu Brann eine blutige Ruthe am Himmel schaute, deren Stiel gegen Mitternacht, deren Aeste aber gegen Mittag gekehrt waren, und deuten in sehr allgemeinen Bildern und Ausdrücken auf eine Macht hin, welche von Mitternacht kommt und die von Mittag herandringenden Feinde, den römischen Kaiser und den Papst, besiegen und vernichten werde, und so konnte man damals in den Erfolgen Gustav Adolphs wenigstens den Anfang ihrer Erfüllung erblicken. Am merkwürdigsten aber ist der Poniatovska Auftreten gegen Wallenstein. Sie erhielt in einem Gesichte den Auftrag, „einen Brief, welchen ihr der Herr dictiren würde, an den damaligen kaiserlichen General und bekannten Tyrannen, den Fürsten von Wallenstein, zu schreiben, ihn mit drei Siegeln zu versiegeln und selbst nach Gitschin zu bringen und entweder ihm oder seiner Frau zu übergeben“. In der That überreichte sie dieses Schreiben am 25. Januar 1628, da Wallenstein selbst nicht zu Hause war, der Fürstin, vernahm aber während eines ekstatischen Anfalles, welcher sie in Gitschin befiel, die Weisung des Herrn, „eilends wieder weg zu gehen, weil dieses Haus seiner Gegenwart nicht werth wäre.“ Wallenstein scherzte über die Sache: „Mein Herr, der Kaiser, kriegt allerlei Briefe von Rom, Konstantinopel. Madrid u. s. f., ich aber gar aus dem Himmel.“ Am 12. December aber sah die P. in einem Traume, „wie Wallenstein in einem blutigen Talar spazieren ginge und bald auf einer Leiter in die Wolken steigen wollte, aber nach Zerbrechung derselben auf die Erde fiele. Da er denn ausgestrecket gelegen und aus dem Munde gräuliche Flammen gespyen, aus dem Hertzen aber Blut, Pech, Gifft und dergleichen ausgeschüttet, biß bei einem schrecklichen Gebrülle ein Pfeil vom Himmel herabgeflogen und sein Hertz getroffen. Hierzu habe ein Engel gesagt: „Diß ist der Tag, davon der Herr gesaget hat, daß er diesem Bösewicht zum Ziel gesetzet sei, in welchem, wo er sich nicht bekehre, er umkommen solle, ohne alle Barmhertzigkeit.“ Der Mitternächtige Post-Reutter von 1632 führt diese Weissagung noch nicht an; als aber zwei Jahre nachher Wallenstein zu Eger ermordet worden war, verfehlte man nicht, darin ihre Erfüllung zu erkennen. Eine größere Bedeutung gewannen diese Weissagungen dadurch, daß der berühmte Amos Comenius (s. A. D. B. IV, 431) infolge theils des ihm einwohnenden mystischen Zuges, theils seiner Zugehörigkeit zur Brüdergemeinde ihnen ein besonderes Interesse zuwandte und dadurch zugleich eine allgemeinere Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Comenius berichtet, daß er sechszehn solche Visionäre persönlich gekannt habe, und als die drei wichtigsten galten ihm Kotter, Drabik und die P. Das Kleeblatt ihrer Weissagungen hat er zuerst in Amsterdam 1657 unter dem Titel Lux in tenebris herausgegeben, dann auszugsweise in seiner 1659 gedruckten Historia revelationum Christopheri Kotteri, Christinae Poniativiae, Nicolai Drabicii und endlich am vollständigsten 1665 unter dem Titel Lux e tenebris, novis radiis aucta cet. Kotter war ein nicht zur Brüdergemeinde gehörender Gerber zu Sprottau in Schlesien. Da man in [410] seinen Weissagungen eine Majestätsbeleidigung gegen den Kaiser fand, so wurde er auf Befehl des kaiserlichen Fiscals 1627 zu Glogau drei Monate lang in schwerem Gefängniß gehalten und dann durch Ausstellung am Pranger und Ausweisung aus den kaiserlichen Landen bestraft. Er lebte dann unter dem Schutze einiger ihm zugethanen Edelleute in der kursächsischen Lausitz, wo er im J. 1647 starb. Drabik, früher Pastor in Straznice in Mähren, wurde wegen seiner gegen das Haus Oesterreich gerichteten Weissagungen 1671 zu Preßburg in Ungarn gefangen genommen, und nachdem ihm auf kaiserlichen Befehl am 16. Juli die Hand und das Haupt abgeschlagen worden waren, wurde sein Leichnam sammt dem Buche Lux in tenebris unter dem Galgen verbrannt. Comenius wurde durch seine Vertheidigung dieser Visionäre in verschiedene sein Leben verbitternde Streitigkeiten verwickelt, über welche er sich in seinem litterarischen Testament, dem Unum necessarium, cap. 10, § 7 schließlich also ausgesprochen hat: „Außer den pansophischen Bestrebungen bin ich nach dem Willen Gottes in einen ungewöhnlichen Labyrinth geführt worden, indem ich die göttlichen Offenbarungen, die zu unserer Zeit geschehen sind, unter dem Titel Lux in tenebris oder lux e tenebris herausgegeben habe … Was soll ich thun? Ich weiß nichts Anderes, als daß ich die ganze Sache Gott befehle! Mir wird mit dem Jeremia genug sein, daß ich die aufgezeichneten Plagen Babylons nach Babel zu lesen geschickt, sodann einen Stein daran gebunden und in den Euphrat geworfen habe (Jerem. 51, 63). Wenn etliche Weissagungen nicht erfüllt sind, will ich mich hüten, darüber zornig zu werden, angesehen, daß solches dem Jonas nicht wohl gelungen ist (Jon. 4) … Es steht denen frei, welche die alte Art, die Gott gebraucht, da er nichts thut, er offenbare denn sein Geheimniß den Propheten, seinen Knechten, ihm nicht mehr zulassen wollen, daß sie seinen Knechten und ihren Worten und Werken widersprechen; doch wird auch mir erlaubt sein mit David zu schweigen und meinen Mund nicht aufzuthun, so oft ich sehe Gott Etwas thun oder höre ihn Etwas reden, das ich nicht verstehe (Ps. 39, 9).“

Vgl. besonders Gottfried Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie, Frankfurt a. M. 1700, wo im 22. und 24. Capitel des 3. Theiles die Visionäre der damaligen Zeit ausführlich besprochen sind, die P. insbesondere im 22. Capitel 15 bis 22; außerdem H. F. von Criegern, Johann Amos Comenius als Theolog, Leipzig 1881, S. 67 ff.