Zum Inhalt springen

ADB:Arnold, Gottfried

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Arnold, Gottfried“ von Gustav Frank in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 587–588, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Arnold,_Gottfried&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 1 (1875), S. 587–588 (Quelle).
Gottfried Arnold bei Wikisource
Gottfried Arnold (Theologe) in der Wikipedia
Gottfried Arnold in Wikidata
GND-Nummer 118650386
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|1|587|588|Arnold, Gottfried|Gustav Frank|ADB:Arnold, Gottfried}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118650386}}    

Arnold: Gottfried A., epochemachender Kirchenhistoriker, geb. 1666 zu Annaberg, † 30. Mai 1714, studirte in Wittenberg die gemeine Schulgelehrsamkeit, ging als Hauslehrer nach Dresden, wo Spener ihm die Augen über das Verderben der Kirche öffnete, sodann nach Quedlinburg, wo er durch Böhme’s, Gichtel’s und Pordage’s Schriften gründlich erweckt wurde. Von Uebernahme eines geistlichen Amtes schreckte der tiefe Verfall der sogenannten Christenheit ihn ab. Nachdem er sein berühmtes Buch: „Die erste Liebe d. i. wahre Abbildung der ersten Christen“ (1696), das Modejournal aller Schwärmer und Separatisten, geschrieben hatte, erhielt er 1697 einen Ruf als Professor der Geschichte nach Gießen, den er annahm in der Meinung, daß das Schulwesen vor dem Kirchenstaate einem erleuchteten Gemühte noch etwas erträglicher und zur Erbauung dienlicher sei. Aber noch in dem Jahre seiner Berufung entsagte er dem Lehramte freiwillig, weil seine pietistische Frömmigkeit nicht in Einklang kommen wollte mit der Zerstreuung der weltlichen Erudition und dem Greuel des Universitätswesens. Ihn beschämte das Leben der alten Asketen, er wurde Separatist und vertiefte sich, in Quedlinburg privatisirend, in die göttliche Sophia, mit welcher er wie in eheliche Gemeinschaft tritt. Seine wirkliche Verheirathung rettete ihn aus diesem Separatismus und gab ihn der Welt wieder. Er nahm 1700 die Hofpredigerstelle bei der verwittweten Herzogin von Sachsen-Eisenach in Allstedt an, wurde aber trotz der Einsprache des Königs von Preußen, der in A. seinen Reichshistoriographen schützte, zwei Jahre darauf aus bedenklichen Ursachen seine Amtes enthoben und 1705 aus den sächsischen Ländern ausgewiesen. Durch Friedrich I. wurde er Pastor zu Werben in der Altmark, dann zu Perleburg, wo er mit der unter der gegenwärtigen Oekonomie annoch nöthigen Conscendenz zu retten suchte, was sich aus dem Feuer des allgemeinen Verderbens herausrücken lassen wollte. Die Perle unter seinen Schriften war seine „Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie“ (1699), das beste und nützlichste Buch nach der Bibel, wie Thomasius meinte. Die bis dahin erschienenen „Kirchengeschichten“ waren alle geschrieben im Interesse und Sinne der herrschenden Orthodoxie. A. verkehrte diese Betrachtung in das Gegentheil. Der Anfang der Kirche war ihr Idealzustand. Seit dem dritten Jahrhunderte drangen die weltlichen Dinge mit Macht in sie ein und so in fortschreitender antichristlicher Steigerung. Die Reformation machte einen Anfang zum Besseren. Aber schon Melanchthon’s spitzige Vernunft hat nach des Salbaders Petri Lombardi Exempel die Schultheologie wiedereingeführt und damit den Abfall von der apostolischen Lehrart. Indem er so den Orthodoxen, Lutheranern wie Reformirten, bei denen der alte Adam so gerne bleibet, den Schwären aufgestochen, mußte seine Kirchengeschichte nothwendig zur Schutzschrift werden für die von der Klerisei verstoßenen Häretiker. Eine solche Geschichtschreibung war die bittere Frucht, welche dem verfolgten Pietismus entwachsen konnte. Principiell wollte A. durchaus unparteiisch zu Werke gehen, aber, der von der Orthodoxie verunglimpften Partei angehörig, ist er zum patronus haereticorum geworden. Er [588] hat einen großen litterarischen Sturm gegen sich heraufbeschworen. Seine Kirchengeschichte wurde eine gewissenlose Ketzerchronik, ein Lügenbrief, er selbst eine Falsarius und infamatus historiocaster gescholten. Am richtigsten hat wol Spener geurtheilt, wenn er sagt: Arnold’s Kirchenhistorie sei ein großes Netz, darin gute und faule Fische gefangen worden, die nochmals auseinander gelesen zu werden bedürfen. Von seinen übrigen Schriften verdient Erwähnung: „Das Leben der Gläubigen“ (Halle 1701). Seine geistlichen Lieder sind gesammelt und bearbeitet worden von A. Knapp (Stuttg. 1845).

L. F. Köhler in der „Zeitschrift für die histor. Theologie“ Jahrg. 1871, S. 3 ff. F. Dibelius, G. Arnold. Brl. 1873. Alle frühere Litteratur ist angeführt in Frank: Geschichte der protestantischen Theologie, B. II. S. 303.