ADB:Polheim, Wolfgang Freiherr von
**): Wolfgang Freiherr v. P., Staatsmann, aus einem der ältesten und vornehmsten oberösterreichischen Adelsgeschlechter, welches in einem Rechtsstreite mit dem Kloster Lambach aus vorhandenen Documenten nachweisen konnte, daß es seinen Grundbesitz schon zu einer Zeit erworben habe, in welcher die Gründung von Lambach noch nicht vollzogen war. Im Jahre 1073 leistete Pilgram v. P. bereits Zeugenschaft auf einer Confirmationsurkunde des genannten Klosters. Die Familie, welche zahlreiche Güter in Ober- und Niederösterreich und Steiermark besaß, verzweigte sich in mehrere Linien, von welchen im 16. Jahrhunderte noch drei, die von Partz, von Wartenburg und von Leibnitz blühten. Von den Mitgliedern derselben haben sich viele im Kriegsdienste, als Hof- und Landesbeamte hervorgethan. Wolfgang war der dritte Sohn Weikhard’s, Herrn zu Polheim und Wartenburg, Raths und Feldobersten des Kaisers Albrecht II., dann Raths des Königs Ladislaus, schließlich Oberhauptmanns zu Salzburg († 1464), und der Barbara von Traun († 1474); er war geboren am 31. October 1458, also nahezu ein Altersgenosse Maximilians I., zu dessen vertrautesten Freunden und Räthen er Zeit seines Lebens gehört hat. Im Jahre 1481 hielt er sich bereits in den Niederlanden auf, wohin ihm sein Vetter Martin v. P. von der Partz’schen Linie bereits vorausgegangen war. Schon 1478 hatte Maximilian mit diesem, dem Herzog Raimund von Savoyen und einem Grafen von Horn ein lustiges Stechen im Lager von Tournay gehalten, in der Schlacht von Guinegate war Martin v. P. gefangen worden, am 5. Mai 1481 hatte ihn Maximilian in den Orden des goldenen Vließes aufgenommen. Die eindringliche Empfehlung, welche der römische König für die Brüder Bernhard und Wolfgang v. P. im September 1481 wegen Beförderung „aller ihrer Sachen“ an den einflußreichen Sigmund von Prüeschenk richtete, läßt auf die [822] besondere Gunst schließen, deren sich Martin und seine Verwandten bei Maximilian erfreuten. Das Turnierbuch „freydal“ führt Wolfgang zehnmal als Gegner des römischen Königs im ritterlichen Spiele an. Bernhard v. P. gehörte dem geistlichen Stande an, er war 1478 Rector zu Padua, wurde dann Domherr zu Passau und schließlich (1499) Administrator des Bisthums Wien. Martin und Wolfgang theilten 1488 die Gefangenschaft ihres Herrn in Brügge, wurden dann nach Gent gebracht und erst nach der Ankunft Kaiser Friedrichs in Flandern (1490) in Freiheit gesetzt. Martin dürfte sich bald darauf in die Heimath begeben haben, 1494 erhielt er die Schloßhauptmannschaft zu Steyer, welche er bis zu seinem Tode (1498) verwaltete. Wolfgang v. P. wurde seit 1490 auch in diplomatischen Geschäften verwendet, namentlich ist er mit der Werbung Maximilian’s um Anna von Bretagne sehr enge verknüpft, die nicht ganz gewöhnliche Rolle, die er dabei gespielt, hat ihn jedenfalls zu einem in allen Ländern der Christenheit vielgenannten Manne gemacht. Er erschien, nachdem er zuvor einer kaiserlichen Gesandtschaft am französischen Hofe angehört, im Herbste 1490 in Rennes, wo der jungen kaum den Kinderschuhen entwachsenen Herzogin bereits die verschiedensten Heirathsanträge vorlagen. Der „stattliche und gewandte“ P. und sein Begleiter Philipp de Vère verstanden es, die Prinzessin für den künftigen Kaiser einzunehmen, so daß schon im Jänner 1491 (nicht, wie Hoheneck, Prevenhuber und nach ihnen Bergmann fälschlich setzen, 1492) die Vermählung durch Procuration stattfinden konnte. Es lag Maximilian sehr viel daran, diese Vermählung als eine nach allen Rechtsformen giltige darzustellen, so daß er durch P. den selbst in fürstlichen Häusern nicht häufigen Act der formellen Consumation durchführen ließ. Herr Wolfgang mußte in voller Rüstung, welche nur den rechten Arm und den rechten Fuß freiließ, mit der Herzogin das Brautbett besteigen, ein scharfes Schwert trennte die Vermählten. P. kehrte hierauf mit der Meldung seines glücklichen Erfolges zu Maximilian zurück, machte sich jedoch bald darauf mit 2000 deutschen Knechten wieder auf den Weg nach der Bretagne, um Anna, welche bereits officiell den Titel einer römischen Königin angenommen hatte, gegen die Franzosen zu schützen, die sie seit October 1491 in Rennes belagerten. Maximilian wollte Alles daransetzen, um noch rechtzeitig mit ausreichender Macht heranzukommen und die angetraute Braut persönlich mitten aus der feindlichen Umgebung heimzuführen. P. hat vielleicht mit zu großer Sicherheit auf die Einlösung dieses königlichen Versprechens gebaut, er hat die Herzogin-Königin wohl auch kaum mit der nöthigen Aufmerksamkeit beobachtet, sonst hätte es ihm nicht entgehen können, daß ohne sein Wissen Verhandlungen mit Karl von Frankreich geführt wurden, welche auf die schmählichste Beraubung und Kränkung seines Herren ausgingen. Er ließ es geschehen, daß der König, nachdem er vorher der Braut Maximilian’s freies Geleite nach den Niederlanden verbrieft hatte, unter dem Vorwande einer Pilgerfahrt nach Rennes kam und dort eine geheime Unterredung mit der Herzogin hatte. Drei Tage darnach war er Zeuge einer neuen Vermählung der Erbin von Bretagne mit dem Könige von Frankreich, für welche schon vorher die päpstliche Erlaubniß eingeholt worden war. Der biedere Oberösterreicher war von den schlauen Franzosen in unerhörter Weise geprellt worden. Er mußte mit französischem Geleite zunächst nach Mecheln gehen und dann die für Maximilian wie für dessen Gesandten gleich beschämende Nachricht dem Könige überbringen, den er am 29. Februar 1492 in Innsbruck traf. Sein Bericht von dem „Brautraube“ des Königs von Frankreich fand kaum Glauben, so sehr schien dadurch allem menschlichen und göttlichen Recht Hohn gesprochen. P. wird es wahrscheinlich verschwiegen haben, daß Anna selbst die Einleitungen zu diesem Raube gutgeheißen hat. Von 1493 an scheint P. wieder an der Verwaltung [823] der Niederlande Antheil genommen zu haben, 1494 vermählte er sich mit Johanna von Borsell, Tochter des Grafen Wolfhart von Borsell und de Vère und der Herzogin Carola von Bourbon, 1500 erhielt er zu Brüssel das goldene Vließ, 1501 die Anerkennung seines alten Freiherrnstandes und in demselben Jahre die Stelle eines Oberhauptmannes und Regenten in den niederösterreichischen Landen, in welcher Eigenschaft er jedoch bis an sein Ende im vertrauten Verkehr mit dem Kaiser blieb. Er starb am 11. November 1512.
Polheim- Hoheneck, Die loblichen Stände des Erzherzogthums Oesterreich o. d. Enns, Passau 1732, II. Th. – Prevenhueber, Annales Styrenses, Anhang: Genealogia Polheimiana. – Bergmann, S., Medaillen auf berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates, I. Bd. – B. v. Kraus, Maximilians I. vertraul. Briefwechsel mit Sigmund Prüschenk. – Ulmann. Heinr., Kaiser Maximilian I. I. Bd. – Wurzbach, Zedler u. A.
[821] **) Zu S. 392.