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ADB:Polenz, Karl Gottlob Ferdinand von

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Artikel „Polenz, Karl Gottlob Ferdinand von“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 386–387, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Polenz,_Karl_Gottlob_Ferdinand_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:08 Uhr UTC)
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Polenz: Karl Gottlob Ferdinand v. P., geb. am 9. August 1792 in Mewes (Westpreußen), † am 21. April 1870 in Halle, stammte aus einem, schon im 12. Jahrhundert ursprünglich in Meißen vorkommenden, in Sachsen und Preußen begüterten adeligen Geschlechte. Trotz angestrengter vielfacher Nachforschungen war es mir unmöglich über seine Jugend, überhaupt über seinen Lebensgang ausführliche Nachrichten zu erhalten; das Folgende umfaßt alles, was ich in Erfahrung brachte. Der Donner der Schlacht von Jena ergriff den feurigen Knaben so sehr, daß er der Schule entlief und unter das Volk auf das Schlachtfeld lief. Er trat dann in die sächsische Armee ein und machte die Feldzüge derselben im Regiment Prinz Clemens mit, dabei wurde er (wann?) verwundet, sodaß er Zeitlebens etwas hinkte. 1821 verließ er als Major den activen Dienst der sächsischen Armee und lebte fortan als Privatmann; einer Notiz nach soll er eine Zeitlang Redacteur des „Freimüthigen“ gewesen sein. Religiöse und theologische Fragen beschäftigten ihn von seinen Mannesjahren an ganz besonders; der bekannte Pfarrer Stephan soll tiefen Eindruck auf ihn gemacht haben, weit tieferen aber hatte die Brüdergemeinde, welcher er seit der Verheirathung mit einer Wittwe geb. Zezschwitz (am 28. September 1827 fand die Trauung in Niesky statt) näher trat. Am 15. Februar 1834 starb diese, wie er selbst sie schildert, durch Bildung, Klarheit und Erkenntniß ausgezeichnete Frau, am 22. December folgte das einzige Töchterlein der Mutter im Tode nach, in demselben Jahr verlor P. auch seine Mutter. Am 18. März 1836 heirathete er Adèle Simon aus Lignières in Neuenburg, die fromme, begabte und feingebildete Tochter eines Uhrmachers dort (geb. am 18. März 1807); sie war 1827 als Lehrerin der französischen Sprache nach Gnadenfrei (Niederschlesien) gekommen. 1834 trat sie als Erzieherin in das Haus von P. ein; nach dem Tode der Frau hatte sie die Erziehung des Töchterchens bis zu deren Tod geleitet. 4 Kinder entsproßten der Ehe, 2 Söhne und 2 Töchter. Sommer 1847 zog die Familie nach Halle; mit den dortigen theologischen Kreisen, besonders mit Tholuck, den P. schon früher kannte, trat er und seine Frau in enge Verbindung, die reichen Bildungsmittel der Universität waren ihm bei seinen litterarischen Studien ganz unentbehrlich. P. hatte durch Tiecks bekannte Novelle „Der Aufruhr in den Cevennen“ angeregt, die Geschichte dieser merkwürdigen Bewegung zu schreiben begonnen, als ihn das unterdessen erschienene Buch von J. C. K. Hofmann[WS 1], Geschichte des Aufruhres in den Sevennen unter Ludwig XIV., Nördlingen 1837, zu dem Entschlusse brachte, eine umfassende Geschichte des französischen Calvinismus bis zur Nationalversammlung 1789 zu schreiben. Ein längerer Aufenthalt in Paris erschloß ihm viele, auch handschriftliche Quellen und brachte ihn in Verbindung mit den bedeutendsten französischen Protestanten, welche sich der Erforschung der Geschichte ihres Glaubens widmeten, z. B. den Coquerel, Charles Read, den Gebrüdern Haag und Andern. Das Werk, von Anfang an ziemlich großartig angelegt, blieb die Arbeit seines Lebens, auf welche er alle Sorgfalt und unendlichen Fleiß verwandte; auch bedeutende Opfer an Geld brachte er für sie. 1857 erschien der erste Band: „Geschichte des französischen Calvinismus in seiner Blüthe bis 1560“; 1869 der fünfte und letzte, den Faden der Erzählung bis zum Gnadenedict von Nîmes 1629 fortführend; noch auf seinem Todtenbette beschäftigte ihn der Gedanke, daß er das Werk, zu dessen Fortsetzung er viele Materialien schon bereit hatte, als Bruchstück zurücklassen müsse. Das Werk gibt, der Eigenart des Verfassers entsprechend, neben der Schilderung der äußeren Ereignisse, besonders eine solche der verschiedenen Parteien und des Geistes, der in ihnen herrschte, es fehlt nicht an philosophischen und theologischen Reflexionen, oft von ziemlichem Umfange; es ist eine großartige, doch nicht einseitige Apologie des Calvinismus und trotz stilistischer Schwächen das bedeutendste deutsche Werk [387] über diesen Gegenstand. 1861 verlieh deßwegen die evangelisch-theologische Facultät in Breslau dem Verfasser die theologische Doctorwürde h. c. Von sonstigen Schriften von ihm ist mir nur bekannt: „Georg Müller, ein hallischer Student, und der englische A. H. Francke“, Halle 1865, die warm geschriebene Biographie des bekannten Menschenfreundes. Manche Beiträge seiner Feder enthält Marriott’s Zeitschrift „Der wahre Protestant“, ebenso die evangelische Kirchenzeitung (z. B. Jahrgang 1846 die Camisarden und die Kirchen der Wüste, 1860 die Brüdergemeinde von „einem Idioten“ unterzeichnet), ferner die reformirte Kirchenzeitung (Jahrgang 1864). Schwere Schicksalsschläge trafen den älter werdenden Mann, am 30. August 1858 starb seine innigst geliebte Frau, am 31. August 1864 folgte die jüngste Tochter, die mit ihm seine Studien getheilt, in demselben Jahr starb auch der einzige noch lebende Sohn Georg, welcher durch eine ansprechende Biographie eines bekannten Ahnen, des Bischofs Georg von Polentz (Halle 1858) sich litterarisch bekannt gemacht hatte. Die letzte Zeit seines Lebens brachte P. im Hause des Professors Bindseil zu, als er am 21. April 1870 starb, überlebte ihn nur eine Enkeltochter. P. war eine interessante eigenthümliche Natur, offen und gerade, ein uneigennütziger und treuer Freund; bis ins hohe Alter bewahrte er eine große Lebhaftigkeit des Geistes und Gefühls, die sich hier und da in etwas wunderlicher Weise kund gab. Eine tiefe innerliche Natur war er in seinen religiösen Ueberzeugungen dem Formalismus in der Kirche ebenso abhold, wie einer starren Orthodoxie; durch die Erziehung Lutheraner, war er durch seine Studien den Reformirten sehr nahe getreten, aber sein Herz hing an der Brüdergemeinde.

Quellen: Kurze Nekrologe in der Evangelischen und Reformirten Kirchenzeitung. – Adèle von Polenz, als Manuscript für Wenige.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: J. C. H. Hofmann