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ADB:Pohl, Johann Emanuel

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Artikel „Pohl, Johann Baptist Emanuel“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 369–370, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pohl,_Johann_Emanuel&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:50 Uhr UTC)
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Pohl: Johann Baptist Emanuel P., Botaniker und Forschungsreisender, geb. am 23. Februar 1782 zu Böhmisch-Kamnitz, † am 22. Mai 1834 zu Wien. P. wuchs bei seinem Oheim in dem nahen Politz auf und empfing von diesem, einem eifrigen und sachkundigen Dilettanten, die Anregung zum Studium der Pflanzenwelt, welchem er sich schon auf der Schule mit ganzem Herzen hingab. Als Prager Student legte er sich bereits ein werthvolles Herbarium an und seit 1803 begann er die Ergebnisse seiner Excursionen in der Regensburger Botan. Zeitung zu veröffentlichen; auch bemühte er sich schon in jungen Jahren um die Herstellung von Pflanzenabdrücken nach Kniphof’scher Manier. Wesentlich gefördert wurde P. in seinen Arbeiten durch den Umstand, daß ihm die Fürstin Kinsky die Aufsicht über ihre Bücher- und Naturaliensammlung anvertraute. Im J. 1808 promovirte P. als Doctor der Medicin und bald darauf wurde er zum Supplenten der Lehrkanzel für Technologie und allgemeine Naturgeschichte an der Prager Universität ernannt. Schon damals trug er sich mit den Plänen zur Abfassung großer pflanzengeschichtlicher Werke, allein weder die „Flora Pragensis“ noch die „Flora ruralis“ kamen, obwohl die Materialien für beide bereits gesammelt waren, wirklich zustande, theils materieller Hindernisse halber, theils auch, weil der junge Gelehrte sein ärztliches Wissen in jener Zeit immerwährender Kriege vielfach in den Spitälern zu verwerthen veranlaßt war. Einige Abhandlungen in verschiedenen Zeitschriften stammen gleichwol aus jener Periode; sodann ließ er bald nach dem Abschlusse des Friedens zwei Bände von „Tentamen Florae Bohemiae“ (Prag 1814; mehr ist nicht herausgekommen) erscheinen, und auch auf mineralogischem und zoologischem Gebiete bethätigte er sich als Schriftsteller, wie die strenge nach Werner gearbeitete Schrift „Systematischer Ueberblick der Reihenfolge der einfachen Fossilien“ (Prag 1816) und die „Expositio generalis anatomica organi auditus per classes animalium“ (Wien 1819) darthun. Einen Wendepunkt in Pohl’s Leben bezeichnet das Jahr 1817. Damals freite der brasilianische Kronprinz Dom Pedro die Erzherzogin Leopoldine, und deren kaiserlicher Vater Franz II. ordnete an, daß die Braut von einer wissenschaftlichen Expedition nach ihrer neuen Heimath begleitet werden solle. P. erhielt in dieser Expedition fürs erste nur die Vertretung des mineralogisch-geologischen Faches, mußte sich aber später auch der Botanik annehmen, nachdem deren ursprünglicher Vertreter, Professor Mikan (Prag), mit einem ersten Transporte gesammelter Naturgegenstände nach Oesterreich zurückgereist war. Fünf Jahre lang, 1817–21, verweilte P. in Südamerika, leider durch andauernde Kränklichkeit [370] an der Lösung mancher Aufgabe behindert; er durchforschte insbesondere die Provinzen Minas Geraes und Rio bis zum Districte von Ilha Grande. Als er 1821 seine Rückreise antrat, begleiteten ihn die ersten Repräsentanten des viel besprochenen Botokudenstammes, welche indessen das gemäßigte Klima nicht lange zu ertragen vermochten. Nach seiner Heimkehr wurde P. zum Custos der botanisch-mineralogischen Abtheilung an dem wesentlich durch seine aufopfernde Thätigkeit begründeten „Brasilianischen Museum“ in Wien ernannt und beschloß in dieser Stellung seine Tage.

Die Resultate der Reise legte P. in dem von den Fachmännern hoch geschätzten Werke „Plantarum Brasiliae hucusque ineditarum icones et descriptiones“ (8 Hefte, Wien 1827–31), sowie in der „Reise im Innern von Brasilien in den Jahren 1827–31“ (Wien 1832) nieder. Allein diese Reisebeschreibung ist nach mehrseitigem Urtheile Pohl’s mindest gelungene Leistung; er war zu sehr systematischer Naturforscher alten Stiles, als daß er sich zu jenen großartigen zusammenfassenden Naturanschauungen hätte erheben können, wie wir sie etwa bei L. v. Buch, A. v. Humboldt, M. Wagner, F. v. Richthofen bewundern, und so dürfen wir uns nicht wundern, daß die Thätigkeit der Oesterreicher in Brasilien nicht in gleichem Maße fruchtbringend für die vergleichende Erdkunde sich erwiesen hat, wie diejenige der beiden ihr erst nachträglich noch beigegebenen baierischen Expeditionsmitglieder, Martius und v. Spix. Pohl’s Arbeitsfeld war die rein naturwissenschaftliche Specialforschung, wo er noch später wirkliche Triumphe errang; so ward z. B. von der Züricher Naturforschenden Gesellschaft seine Schrift: „Ueber die Lebensdauer der Insekten“ mit dem Preise gekrönt. P. war auch Mitglied sehr vieler gelehrter Gesellschaften, so u. a. der kaiserl. leopold.-karolin. Akademie mit dem Beinamen „Marggraf“. Sehr zu beklagen ist, daß ein im Manuscripte hinterlassenes Lexikon der Pflanzen bei der Versteigerung von Pohl’s litterarischer Hinterlassenschaft verschleudert wurde und verloren ging.

Weitenweber, Biographische Skizzen böhmischer Naturforscher, Lotos, 3. Jahrgang (1853). – v. Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 23. Theil, Wien 1872, S. 28 ff.