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ADB:Petzl, Ferdinand

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Artikel „Petzl, Ferdinand“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 36–38, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Petzl,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:41 Uhr UTC)
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Petzl: Ferdinand P., Architekturmaler, geboren am 19. October 1819 in München, † am 15. September 1899 ebendaselbst. Der Vater war ein Geometer bei der k. Steuercatastercommission. In dessen, heute durch die Piloty-Straße verbauten Gartenwohnung sammelte sich damals ein lebhafter, meist aus norddeutschen Elementen bestehender Künstlerkreis um den ältesten Sohn Joseph Petzl (s. A. D. B. XXV, 545), welcher sich frühzeitig in Dresden, Berlin und Hamburg, auch in Dänemark und Schweden, am Rhein und zu Düsseldorf, aber auch in Italien, Griechenland und Constantinopel umgethan und eine Menge fremdländischen Materials eingeheimst hatte, welches er in ebenso gut gezeichneten wie trefflich gemalten Bildern mit bestem Erfolg verarbeitete; er genoß durch sein leutseliges, tonangebendes Wesen, seine fröhliche, sarkastische Laune und als Arrangeur der damaligen Künstlerfeste großes Ansehen. In dieser Luft erhielt der jüngere Ferdinand P. die ersten Eindrücke, zeichnete bei dem seit 1834 in München weilenden Fr. Ant. Wyttenbach (geboren am 26. Februar 1812 in Trier, † am 9. November 1845 daselbst) zuerst nach Gyps, erhielt aber auch durch denselben Einblick in die Architektmalerei, frequentirte die Polytechnische Schule und Akademie, malte aus nahe liegenden Gründen eine Menge von kleinen, aber bestmöglichst ausgeführten Bildnissen, oblag aber bald nach dem Vorgange von Wyttenbach, Wilhelm Gail, Michel Neher, Quaglio u. A. der Architektmalerei. Deshalb zeichnete P. auf vielen Ausflügen durch Altbaiern und auf fortwährenden Studienfahrten nach Franken, Schwaben und Niederbaiern. Die Mittel zur Fortsetzung der Wanderung ergaben meist Porträte – der Ertrag jener zu kleinen Bildern verarbeiteten „Studien“ ermöglichte dann die weitere Ausdehnung zu neuer Stoffeinsammlung aus den Rheinlanden, der Schweiz, Tirol und Oberitalien. Die merkwürdigsten Rathhäuser und Kirchenbauten, mit ihren Interieurs und Façaden, die Marktplätze mit ihren Wahrzeichen, die Vorhöfe alter Paläste, die Kreuzgänge mit allerlei plastischem Schmuck: das gab Alles erquickliche Ausbeute zu sorgfältig ausgeführten Oelbildern und Aquarellen. Manches erschien auch in Stahlstich, z. B. die Städte-Ansichten von Donauwörth und Nördlingen in dem (von Georg Franz herausgegebenen) „Malerischen Baiern“. [37] Fast alljährlich brachte P. kleine anziehende Bilder in den Kunstverein: Eine Partie aus der Martins-Kirche zu Landshut (1845); den kleinen Rathhaussaal in München (1846), die „Georgencapelle“ auf der Trausnitz (1847), nachmals auch als Farbendruck in dem Prachtwerk des Freiherrn K. M. v. Aretin: „Alterthümer und Kunstdenkmale des Bairischen Herrscherhauses“; die Pfarrkirche zu Dinkelsbühl (1848); aus dem Allerheiligenstift zu Schaffhausen (1849), Maria Einsiedel in der Schweiz (1850), St. Ulrich in Augsburg (1852); das Stadthaus zu Ueberlingen; die Stiftskirche zu Ellwangen, das Münster zu Ulm (1854), die Jakobskirche zu Rothenburg (1859), die stattlichen Rathhäuser zu Lindau (1862), Konstanz, Nördlingen (1863) und Wetzlar; eine Partie aus Insbruck; Stein am Rhein (1864), Stiftskirche zu Aschaffenburg (1865), das Rathhaus zu Bamberg (1868) und der „Obstmarkt zu Bozen“ (als Holzschnitt in Nr. 44 der „Gartenlaube“, 1873, S. 719) mit der Ansicht jenes Gasthauses, woselbst Goethe auf seiner italischen Reise 1876 wohnte – eine jetzt doppelt dankenswerthe Leistung, da bald nach Petzl’s Aufnahme dieses anheimelnde Stück der Altstadt total niedergerissen und umgebaut wurde! Von seinen wiederholten Ausflügen nach Oberitalien brachte P. immer reiche Ausbeute: die Pescheria (Fischmarkt) in Venedig (1870), eine Seitencapelle in San Marco mit dem altbyzantinischen Madonnabilde und dem säulengetragenen Tabernacolo darüber; eine Ansicht der Maria della Salute (1872) und Palastbauten am Canale Grande; Erinnerungen an Riva und Torbole, den Domplatz in Trient und andere Scenerien aus Cadore, Tizians Heimath (s. Nr. 1788 d. „Illustr. Ztg“. Lpz. 6. Octbr. 1877), aus Verona, Belluno und Feltre. Ebenso reizten ihn die Erinnerungen an Alt-München mit den allgemach verschwindenden Thoren, Thürmen, Stadtmauern und dem ehemaligen malerischen aber holperigen Terrain, den fabelhaften Häuserfaçaden und Winkelwerk der Straßen; behauptete ja beispielsweise die Sendlingerstraße ihren ländlich kleinstädtischen Typus bis in die Mitte des vorigen Saeculums! Petzl’s Bilder mit den culturhistorischen, oft höchst bidermaierschen, an den liebenswürdigen Humor Spitzweg’s streifenden Staffagen erwarb bereitwillig der deshalb doppelt hochwohllöbliche Magistrat und vereinte sie nebst den Ansichten, Bildern und Veduten von Dillis, Lebschée, Michel Neher, Anton Höchl u. A. in dem neugegründeten, historischen Museum, welches fortwährend noch an Bedeutung und Zuwachs gewinnt. Ebenso reizte ihn das stattliche, vierhundertjährige Bauwerk der Frauenkirche mit ihrem freilich oft recht bunten und gegen den ursprünglichen Stil pietätlos und aufdringlich sich breitmachenden Capellenschmuck, welcher bei der folgenden Restauration gar zu unbarmherzig, neue Unbilden zu den alten häufend, wieder beseitigt ward. P. zeichnete und malte oft grimmigen Herzens diese pastosen Renaissance- und Zopfgebilde, wie ein gewissenhafter Biograph, alle diese malerischen Zuthaten mit Stift und Pinsel festhaltend: Zwei große Tableaux, welche König Ludwig II. (1867) für die Neue Pinakothek erwarb, geben treue Zeugschaft für die „verschwundene Pracht“. Diese Wahrheitsliebe und Gewissenhaftigkeit gehörte überhaupt zur Signatur seiner Kunst, die, trotz aller Diplomatik, durch coloristische Wirkung keine Einbuße erlitt. Eine ähnliche Vorliebe hegte P. für das alterthümliche Meran, das Schloß und die Stadtburg mit den Fürstenzimmern (s. Tiroler-Kalender für 1881); die Ruhestätte des Erzherzog Johann auf Burg Schönna hatte P. schon 1869 für die „Gartenlaube“ (S. 581) gezeichnet. Noch größere Anhänglichkeit bewies er für das freilich gar geringe artistische Ausbeute bietende Lana, wo er durch zwei Decennien die Sommerfrische und Traubencur zu genießen pflegte, bis ein leichter Schlaganfall diesem harmlosen Vergnügen und der Ausübung seiner [38] Kunst ein Ziel setzt. Ohne Berggigerl zu sein, trieb den Zweiundsiebzigjährigen noch die Wanderschaft mit dem üblichen Rucksack, mit Malkasten, Skizzenbuch und Bergstock auf die Spitze des Wendelstein. Dann ging es langsam aber stetig abwärts, bis sein Leben ohne eigentliche Krankheit, mit seniler Versagung der Kräfte, der süßen Gewohnheit des Daseins den Dienst kündete und seine Freunde um die Freude brachte, dem nahe bevorstehenden Achtziger ihre Huldigung zu erweisen.

Als hartgesottener Junggeselle hatte P. ebenso wie der ihm geistig vielfach verwandte Karl Spitzweg (s. A. D. B. XXXV, 226) ein theilweise wahlverwandtes Ingenium zu allerlei liebenswürdigen oder schrulligen Eigenheiten. In erster Reihe stand eine unerschütterliche Wahrhaftigkeit, die er als Mensch und Künstler zeitlebens bewährte. P. ehrte das Andenken seiner Eltern, das Vorbild seines gefeierten Bruders Joseph, seiner Vorfahren – darunter befands sich auch der illustre Physiker, Mineralog und Akademiker Joseph P. (geboren am 25. August 1764 zu Zamberg, † am 8. April 1817 in München – vielfach verwechselt mit dem Wiener „Juvenal des XVIII. Jahrhunderts“ Johann P. (Pezzl s. A. D. B. XXV, 578), dessen von Johann Georg Edlinger (1741, † 1819) gemaltes Bildniß immer im Atelier unseres Künstlers hing. – An dem unscheinbarsten Urväterhausrathsgerümpel klammerte sich seine pietätvolle Tradition fest: Alterthümliche Zunftkannen, Humpen, Gläser, Krüge, Teller, Platten, Schüsseln und anderweitiger Atelierschmuck von kostbaren Kästen mit enormer Fassungsgabe, zierliche Kästchen, Truhen, vierschrötigen Tischen und wackeligen Stühlen, deren Beinwerk ehedem vielleicht schon zu schweren Waffenthaten und Bauernkämpfen dienstbar gewesen. Kurz: ein wahres Museumsinventar und „antikes“ Mobiliar, welches bei verschiedenen Um- und Auszügen – immer ein qualvoller Exodus – als liebwerthe, unveräußerliche Last im Gefolge alter Gypsabgüsse bereitwillig mitgeschleppt wurde. Daneben erfreute er sich an einer feinen, kleinen, durch Austausch von eigenen Werken immer erweiterten Galerie von Bildern seiner liebsten Zeitgenossen und Freunde. Und er war ein mitfühlender, theilnehmender Freund. Ungezählte Zeit vergeudete er uneigennützig mit Gefälligkeiten und Commissionen für Andere. Für sich lebte er knauserig und kleinlich, um Anderen opferwillig und großmüthig zu sein. Obwohl vorsichtig und mißtrauisch in Geldsachen, vertraute er doch seine ganze, mühselig zusammengehamsterte, buchstäblich vom Mund abgesparte Errungenschaft in sicheren Verwahr, um – Alles zu verlieren! Es stand übel um seine alten Tage, doch sprang eine wohlberechtigte Künstlerpension und eine verwandte Hülfe rechtzeitig vor den Riß. P. hing treuer an der Welt, als sie an ihm; der Abschied mochte ihm demgemäß nicht leicht geworden sein.

Trotz aller Einfachheit war P. doch ein complicirter Charakterkopf: Hackländer hatte aus diesem Stoff einen ganzen Künstlerroman und Franz Trautmann einen zweiten Theil zu seinem „Peter Nöckerlein“ geschaffen! Sein schön modellirter Kopf wurde oftmals gemalt, er glich auffällig dem „Goldwäger“ Gerard Dou’s im Louvre zu Paris. Auch der Erzgießer Georg Howaldt († am 19. Januar 1883 zu Braunschweig, dessen Porträt in Nr. 2067 d. „Illustr. Ztg.“, Lpz. 10. Februar 1883) hätte als sein Zwillingsbruder gelten können.

Vgl. Das geistige Deutschland. 1898. I, 521. – Fr. v. Bötticher. 1898, II, 253. – Nr. 257 d. Allgem. Ztg. v. 16. November 1899. – Kunstvereinsbericht f. 1899 S. 78. – Bettelheim Jahrbuch, 1900. IV, 141.