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ADB:Pertsch, Johann Georg (Kirchenhistoriker)

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Artikel „Pertsch, Johann Georg jun.“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 403–405, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pertsch,_Johann_Georg_(Kirchenhistoriker)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 03:58 Uhr UTC)
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Pertsch: Johann Georg P. jun., Canonist und Kirchenhistoriker, geb. zu Wunsiedel am 10. Mai 1694, † zu Helmstädt am 19. August 1754. – Johann Georg P. jun. stammt aus einer angesehenen Theologenfamilie des Fürstenthums Bayreuth. Der Urgroßvater Johann, der Großvater Friedrich, wie auch der Vater Johann Georg sen. waren Superintendenten, letzterer überdies kaiserlicher gekrönter Poet, Doctor der Theologie und geschätzter Fachschriftsteller (geb. am 14. December 1651, † 1718). Unser Johann Georg kam 1704 infolge Beförderung seines Vaters zum Consistorialrath nach Gera, verbrachte dort seine Jugend und bezog um Ostern 1713 die damals blühende Universität Halle, wo Thomasius, Böhmer und Gundling, Freih. v. Wolf und Heineccius gleichzeitig lehrten. Von diesen Männern wurde P. in das Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft eingeführt, worauf er im December 1716 unter Böhmers Decanat mit einer Disputation: „Ueber das Recht einer Kirchhofsanlage“ die Doctorwürde erwarb und sodann in Gera, 1719 in Bayreuth zum Regierungsadvocaten ernannt wurde. In letzterer Stadt verheirathete er sich in dieser Eigenschaft im Novbr. 1720 mit der Kaufmannstochter Roth aus Gera. – 1722 finden wir ihn als Proceßrath des Markgrafen Georg Wilhelm von Bayreuth und nach des Markgrafen unerwartetem Tode gegen Ende des Jahres 1726 als Hofrath bei dessen Tochter, der Prinzessin Christine Wilhelmine, welcher er bei Geltendmachung ihrer Erbschaftsforderung durch Erzielung eines Vergleiches sehr vortheilhafte Dienste leistete. Der Uebertritt der Fürstin zum Katholicismus und der Wegzug einiger Freunde, bewogen ihn zur Aufgabe seiner [404] bisherigen Stellung. Er ging im Herbst 1728 nach Jena mit dem Entschlusse, sich von nun an der akademischen Laufbahn zu widmen, und begann zu Michaeli seine Vorlesungen über canonisches Recht, welche trotz mancher Neider – unter den Studirenden großen Beifall und wachsende Theilnahme fanden, da er über hundert Zuhörer zählte. In Anerkennung dessen erhielt er 1729 den Titel eines Hofgerichtsadvocaten und den Rang eines Professors der Philosophie; wurde indessen bezüglich einer ordentlichen Lehrstelle an der Hochschule mit bloßen Versprechungen hingehalten. Dessen überdrüssig nahm er 1732 (nach Meusel und Fikenscher 1731) die erledigte Stelle eines ersten Syndikus der Reichsstadt Hildesheim an. Es gelang ihm nach gründlichen Studien in den reichhaltigen Archiven der Stadt mehrere ebenso wichtige als verworrene Processe der Commune Hildesheim siegreich durchzuführen und den schon unter Kanzler Zimmermann 1691 begonnenen Streit, daß die Stadt unter bischöflicher Herrschaft stehe, zu deren Gunsten beizulegen. – Diese glänzenden Erfolge, verbunden mit gediegenen schriftstellerischen Leistungen mehrten seinen Ruf als Jurist und Sachwalter, so daß ihn im folgenden Jahre (1733) der König von England als Kurfürst von Hannover zugleich zum Hofgerichtsassessor in Hannover und 1738 nach Niederlegung dieser Stelle der Herzog von Braunschweig zum Assessor am Hofgerichte in Wolfenbüttel ernannte, welche Aemter er „von Haus aus“, d. h. von Hildesheim, verwaltete, während er wegen Vorliebe zur letzteren Stadt andere Anerbietungen ausschlug. Trotz dieser guten Beziehungen zu den Bewohnern und Behörden Hildesheims gerieth er dort wegen Ungültigkeitserklärung einer Predigerwahl 1742 mit den maßgebenden Persönlichkeiten in Zwist und war ihm daher sehr willkommen, daß ihn der Herzog von Braunschweig 1743 als vierten ordentl. Professor der Rechte mit Hofrathscharakter nach Helmstädt berief, wo er im October desselben Jahres mit einer feierlichen Rede: „de Jure Imperatoris exigendi a Judaeis aurum coronarium, annuumque censum etc.“ von seinem Lehrstuhle Besitz ergriff; 1745 rückte er zum Professor juris canonici et feudalis, 1747 zum Professor Pandectarum, 1748 zum Professor Codicis und zugleich zum Ordinarius der Juristenfacultät vor, welche Würde er bis zu seinem Tode bekleidete. P. war ein sehr kenntnißreicher Jurist und ebenso fleißiger wie fruchtbarer Schriftsteller, dessen Werke und Abhandlungen über Kirchenrecht, Kirchengeschichte und die Rechtsverhältnisse von Hildesheim, s. Z. in Fachkreisen viel Aufsehen machten, und welche auch heute noch brauchbar sind. Sein Hauptwerk ist der „Versuch einer Kirchengeschichte“, welcher in fünf stattlichen Quartbänden die ersten vier Jahrhunderte christlicher Zeitrechnung behandelte. (Bd. I. Erstes Jahrh. Leipzig 1736 4°. – Bd. II. Zweites Jahrh., ebenda 1737, 4°. – Bd. III. Drittes Jahrh. Wolfenbüttel 1738. – Bd. IV. Viertes Jahrh. 1. Theil ebenda 1739, 2. Theil ebenda 1740, 4°.) Im ersten Bande folgt auf die Widmung an Herzog Karl von Braunschweig eine sehr ausführliche Vorrede, worin der Verfasser seine kirchenrechtlichen Werke, namentlich über Beichte und Bann gegenüber den herben Angriffen der Kritik sehr eingehend vertheidigt; nebenbei erfahren wir mehreres über dessen Jugend- und Gelehrtenleben (bis 1736). Den Schluß (Nr. XLIII-LIII) bildet eine Lebensbeschreibung seines Vaters, des gelehrten Doctors der Philosophie und Theologie Johann Georg P. sen., Superintendenten und Gymnasialinspectors zu Gera. (Ueber dessen zahlreiche theologischen Schriften gibt Fickenscher in seinem Gelehrten Fürstenthum Bayreuth Bd. 7, S. 43–51 unter Anführung der Litteratur (S. 43 Note 9) näheren Aufschluß.) Dieser Vorrede entnehmen wir, daß P. jun. von Jugend auf, ermuntert durch seinen Vater, zu theologischen Fragen, namentlich aber zum Kirchenrecht und zur Kirchenhistorie, besondere Neigung gehabt habe, daß ihm jedoch durch diese Studien und die Schriften [405] hierüber viele Feinde erwachsen seien. P. huldigte der freisinnigeren Richtung, und stieß hierdurch bei den orthodoxen Protestanten auf scharfen Widerspruch. Einen Beleg hierfür liefern die Recensionen in den „Unschuldigen Nachrichten von alten und neuen theologischen Sachen“ (einem zu Leipzig im vorigen Jahrhundert erschienenen Organe conservativer Tendenz), worin die tadelnden Amtsgenossen P. unter Anderem vorwerfen, daß er „hochhin fahre“, durch seine Schriften manchen Schaden stifte und irrige Behauptungen aufstelle, weshalb sie mit Gottes Beistand auf seine Umkehr hoffen! Ein Mitgrund zu den erlittenen Anfeindungen scheint auch in dem leicht erregbaren, sehr heftigen Temperamente des Gelehrten gelegen zu sein, durch welches er in seinen Proceßschriften zuweilen zu derben, ja „pöbelhaften“ Ausfällen hingerissen wurde, wozu ihn nach seiner Entschuldigung die grundlosen Angriffe der Gegner reizten. Außer der Kirchenhistorie besitzen wir u. A. von P. „Recht der Beichtstühle, Ursprung und Fortgang der geheimen Beichte etc. etc.“ (ein gründliches Werk, das bei den Einen vielen Beifall, bei Andern großen Anstoß hervorrief, Halle 1721, 2., vermehrte Ausgabe. Wolfenbüttel 1738, 2 Bände). „Recht des Kirchenbannes, dessen Ursprung und Fortgang etc. etc.“ (Halle 1721, 2., vermehrte Ausgabe. Wolfenbüttel 1738, 4°), „Elementa juris canonici et Protestantium ecelesiastici, commoda auditoribus methodo adornata“ (Francof. et Lips. 1731. Ed. II, aucta et emend. ibid. 1735. III. Ed., Vol. 1. und 2. Jenae 1741). „Kurze Historie des canonischen und Kirchenrechts, besonders zum Gebrauch akademischer Vorlesungen entworfen“ (Leipzig und Breslau 1752 gr. 8). Ein vollständiges Verzeichniß seiner zahlreichen Schriften bei Fickenscher Bd. 7, S. 54, Meusel, Bd. 10, S. 317–325; Weidlich, Geschichte der jetzt lebenden Rechtsgelehrten, Bd. 2, S. 212–224, hier mit litterarkritischen Bemerkungen. Sein Bildniß, gestochen von Haid, findet sich in Brucker’s Bildersammlung, 3. Zehend, und vor Wernsdorf’s memoria in Folio; dasselbe in verkleinertem Formate (8°) als Titelkupfer in den oben erwähnten Elementa juris canonici etc.

J. G. Pertsch in dessen Vorrede zum Versuch einer Kirchenhistorie, Band 1. – Meusel, Weidlich und Fickenscher a. a. O. nebst den dortselbst Aufgeführten.