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ADB:Paris Graf von Lodron

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Artikel „Lodron, Paris Graf von“ von Franz Valentin Zillner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 80–83, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Paris_Graf_von_Lodron&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:05 Uhr UTC)
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Lodron: Paris Graf von L., Herr zu Castellnovo und Castellan, stammte aus einem Geschlechte der wälschen Confinen, die man heute unter dem Namen Südtirol begreift. Sein Vater Niklas war Landeshauptmann in Tirol, seine Mutter, Dorothea, eine Freiin von Welsperg. Geboren am 13. Hornung 1586 zu Villa Lagarina im Lägerthale, studirte er unter andern auch auf der hohen Schule zu Ingolstadt, wo er 1604 unter dem Vorsitze des Jesuiten Paul Laymann aus der Philosophie eine Disputation hielt. Im J. 1606 wurde er Domherr zu Salzburg und 1614 zum Priester geweiht. Als er 1616 auf ausdrücklichen Wunsch des Erzbischofs wegen seiner Kenntnisse in Verwaltungssachen und Gewandtheit bei Sendungen vom Kapitel einstimmig zum Dompropste gewählt wurde, war er, wie es damals häufig der Fall war, zugleich schon Domherr zu Trient, Regensburg, Probst zu Maria Sal in Kärnthen und salzburgischer Hofkammerpräsident. Ungeachtet der auf fürstliche Personen abzielenden Rathschläge Oesterreichs und Baierns am 13. Novbr. 1619 im ersten Wahlgange zum Erzbischof erwählt, beschwor er die fünf Punkte der Wahlcapitulation, welche Förderung des Priesterseminars, Beitritt zur katholischen Liga, Wiederaufrichtung der ständischen Verfassung, gerichtliches Verfahren in Angelegenheiten des Fiskus und Beschränkung seiner persönlichen Bezüge auf jährlich 24 000 fl. verlangten und nicht ohne Einfluß des bairischen Herzogs Maximilian verfaßt worden waren. Obwol das päpstliche placet schon im December 1619 eingelaufen war, so erfolgte doch die Bestätigung mit der Verleihung des Palliums sowie die Belehnung durch den Kaiser erst im Mai und Juni 1621, weil inzwischen Klagen eingelaufen waren, daß der neue Erzbischof an der katholischen Liga nur lauen Antheil nehme und man ihn zu größerer Gefügigkeit zu stimmen gedachte. Dieser charaktervolle und entschlossene Mann begann seine langjährige Regierung, die zum Glücke des Erzstiftes die ganze Zeit des dreißigjährigen Krieges überdauerte, mit der Wiedererrichtung der Landstände. Er versprach „für sich und seine Nachkommen alle und jede von Zeit zu Zeit fürfallende Sachen, so das ganze Erzstift und Land in gemain betreffen, der gemeinen Landschaft oder dem verordneten Ausschusse zu communiciren und hierinnen mit deren Rath und Zuthun [81] zu handeln“. Desgleichen erklärte er, „wann in den Reichs-, Pundt-, Craiß- oder anderen dergleichen Versammlungen irgend was das ganze Erzstift beruerend geschlossen wird, und so viel anders die conclusa gestatten und zulassen, dasselbe der Landschaft oder deren anwesendem Ausschuß zu communiciren“. Er wolle keine Steueranlagen ohne Landtag oder Ausschuß vornehmen, überlasse ihnen die Steuergefälle gegen Verrechnung und gebe die Versicherung, daß die zu seiner Kammer gelieferten Summen allein zu des Landes Nothdurft und Wohlfahrt und sonst zu keinem anderen Zwecke angewendet und darüber den Ständen jederzeit gebürlich der Nachweis geliefert werden solle. Als auf dem ersten Landtage von 1620 zur Verzinsung der unter den Vorfahren aufgelaufenen Schulden und zur Bestreitung der kriegerischen Erfordernisse die Sechs-Schilling-Steuer erhöht und Fürsten, Prälaten, Ritterstand, Geistliche, Kirchen und alle milden Orte mit dem zehnten Theile ihres Einkommens besteuert wurden, entzog er sich keinswegs dieser Decimation und entrichtete selbst den Vieh- und Fleischaufschlag von dem Bedarfe seiner Hofhaltung. Während des dreißigjährigen Krieges hoben die Stände über 61/2 Millionen Steuern unter verschiedenen Namen ohne Widerstand ein; nur in den letzten Jahren wurden einige Bezirke des Gebirgslandes zahlungsmüde und schwierig. Wenn Herzog Maximilian von Baiern, der selbst während seiner 56jährigen Regierung nur zweimal Landtage einberufen hatte, die Absicht hegte, durch Wiedereinführung der Verfassung zwischen Fürsten und Ständen Mißhelligkeit zu stiften und das Erzstift zu schwächen, so knüpfte dagegen L. in jenen drangvollen Zeiten durch rückhaltlosen Vollzug seiner Versprechungen, umsichtigen Haushalt mit den Steuern, Entschlossenheit bei herannahenden Gefahren und Klugheit in Benutzung von Umständen das Band zwischen sich und der Landschaft um so enger. Er hatte Ursache am Ende seines Lebens, auf dem Landtage von 1652 der Landschaft zu danken „für die Beihülfe in den schweren Kriegsleuffen und gefährlichen, unterschiedlichen Anstößen, daß sie ihm nicht nur mit Treue und Liebe beigestanden und die Schuldigkeit erwiesen, sondern auch dem gemainen Wesen zu guten von Zeit zu Zeit mit erforderten Gutachten als auch behörigen Mitteln nach Gestalt eines jeden Vermögens an die Hand gegangen“. Zuerst begann der Fürst seine Hauptstadt und das Erzstift in kraftvollen Vertheidigungszustand zu setzen. Im J. 1620 wurden drei, später noch ein Fähnlein Knechte zur auswärtigen Verwendung geworben, hundert „wohlstaffirte Reiter“ um die Hauptstadt in Bereitschaft gehalten und die „Landfahne“ oder Landwehr, fünf Fähnlein im Gebirge und acht außerhalb aufgestellt, bewaffnet und eingeübt „zur Beschützung des Vaterlandes“. Die Vertheidigungswerke der Pässe, der Veste Werfen, der Städte Titmaning, Radstadt wurden ausgebessert und verstärkt, die zwei Stadtberge um Salzburg durch Herstellung senkrechter Wände, Mauern und Bollwerke unersteiglich gemacht und an offenen Stellen die Stadt mit einem Gürtel von Mauern und Gräben umgeben, die bis in die Jahre 1860–1870 fortbestanden. Der Fürst sorgte für Kanonen, Wehr, Waffen und Proviant. Binnen 12 Jahren war die Hauptstadt in einen festen Platz umgeschaffen. Der bairische Herzog flüchtete damals Schätze und Archive in die Veste Werfen, seine Gemahlin verblieb acht Monate mit dem Oettinger Marienbild in Salzburg, ja kurz vor Ende des Krieges, 1648, suchte der Kurfürst selbst bei dem Einfalle Türennes in Baiern den Schutz der erzstiftischen Hauptstadt auf. „Der König von Schweden“, so lautet ein Bericht an den Landtag von 1633, „habe zwar so viel man von unterschiedlichen Orten glaubliche Nachrichten empfangen, ein sonderbares Aug auf die Stadt und Pässe gehabt, aber sich wieder gewendet und seinen Weg zurück nach München und weiter genommen“. Diese Kriegsverfassung [82] des Erzstiftes diente ebenso sehr zur Sicherung des eigenen Landes wie der dahinter liegenden Provinzen Innerösterreichs, und L. brachte diesen Umstand, sowie die darauf verwendeten Kosten wiederholt zur Geltung, wenn er zu „unerträglichen Bürden, denen gegenüber sich das Erzstift in terminis impossibilitatis befinde“, aufgefordert, oder im Weigerungsfalle „mit verschiedenen practicirlichen Mitteln“ bedroht wurde. Der Erzbischof schickte „vier Fähnlein Knechte“ dem Erzherzog Leopold in Tirol 1620 und 1621 gegen die Graubündtner zu Hülfe, ließ 1623 gegen den Mannsfelder „ein Regiment Arquebusier-Reiter“ zu den Truppen der „katholischen Bundesarmada“ stoßen, sandte 1631 „drei Fähnlein Kriegsvolk à 300 Mann und eine Compagnie Reiter“ dem General Aldringen gegen Horn und Baner zu Hülfe und befriedigte die Forderung des Generals Ossa betreffs 200 Centner Pulver und 120 Pferde. Als Wallenstein 200 Proviantfuhren zu vier Pferden nach Regensburg zu stellen verlangte, „verehrte er ihm, da gewöhnlich ein gut Theil davon zurückbleiben, 100 gute Pferde, meist aus seinem Marstalle, welche ihm zu sonderbaren angenehmen Gefallen geraicht und bedankt“. In Folge der Beschlüsse von Prag 1636 und im Fürstencollegium 1636 zu Regensburg mußten vom Erzstift 240 Römermonate im Belaufe von 438 720 fl. unter Versicherung „alsogleicher parition und Androhung der poena dupli“ an den Kaiser entrichtet werden, was auch nach vielfältigem Schriftenwechsel auf dem Landtage von 1637 zu leisten beschlossen worden ist. Der Liga gegenüber, deren Feldherr „die Pfaffen zu schweren Beisteuern anhalten“, die Bundeskasse in München haben und diktatorisch alles allein anordnen wollte, betonte der Erzbischof wiederholt die Kreisverfassung, die Ueberbürdung des Erzstifts und befolgte die Regel, die zu stellenden Truppen selbst zu werben und zu besolden. Zur Zeit des Bauernaufruhrs in Oberösterreich 1626, beim Herannahen des Schwedenkönigs 1632 und Torstenson’s 1645 ließ L. die Grenzen von den Schützen der Landfahne besetzen, besuchte 1632 allein in der Nacht die Wachen und erklärte, „daß er für seine Hauptstadt Leib und Leben aufzuopfern bereit sei und auf keinen Fall daraus weichen wolle“. Als der Kaiser 1632 vom Erzbischof begehrte, 600 Mann zur Dämpfung des Bauernaufstandes nach Ob der Enns abzusenden, entschuldigte sich der Fürst, daß der König von Schweden zu Neuburg an der Donau stehe, „dessen intention man nicht penetriren könne“, daß von den Franzosen ein Einfall in Tirol zu besorgen sei, und daß, „wann die Sach mit den rebellischen Bauern widerwärtig ausschlagen sollte, dieselbigen verbitterten Leute dann Ursach hätten, herein in das Erzstift zu rucken und dasselbe in Gefahr zu stürtzen“. Im Januar 1634 wollte Wallenstein „per amor oder per forza“ Truppen ins Erzstift in die Winterquartiere verlegen, allein durch die Zögerung des Feldmarschalls Aldringen und dessen Bedenken bei der entschiedenen Weigerung des Erzbischofs, endlich in Abgang directer Befehle des Kaisers mißlang die Absicht, sich „des Erzstiftes zu impatroniren“. Auch das bedrohliche Ansinnen 1649 einen Theil der bairischen Kriegsvölker in sein Land zur Verpflegung zu übernehmen, wies der Fürst standhaft zurück, indem er erklärte auf der Wasserburger Kreisversammlung das zu leisten, was Gebühr und Billigkeit verlangen und dann darüber das Nöthige mit dem Kaiser vereinbarte. In Mitte dieser militärischen und diplomatischen Leistungen des geistlichen Fürsten blieb seine vollste Aufmerksamkeit den inneren Angelegenheiten des Erzstiftes zugewandt. Es ist kaum eine Redeblume zu sagen, er vollendete, in der einen Hand das Schwert, mit der andern den Dombau 1628, den sein Vorfahrer kaum zu halber Höhe emporgeführt hatte, denn derselbe Baumeister, der die Stadt mit Festungswerken umgab, leitete zu gleicher Zeit den Kirchenbau, während die Schützen der Landfahne in den Waffen geübt wurden, oder gegen den Mansfelder an den Grenzen des Stiftlandes bereit [83] standen. Er erhob das Salzburger Gymnasium zur Universität (1620), veranlaßte die Errichtung der Benedictiner-Congregation, um für jene Lehrer zu gewinnen (1635) und erneuerte und erweiterte die Universität gegen Ende des Krieges 1651, indem er die Rechtsfacultät durch eine Geldstiftung in den Stand setzte, angesehene Lehrer zu berufen. Er gründete 1645 das Collegium Marianum und 1653 das Rupertinum, zwei Erziehungsanstalten für Studirende, die sich dem Staatsdienste oder dem seines Geschlechtshauses widmeten. Er wies der Bildungsanstalt für Weltpriester das von den barmherzigen Brüdern verlassene geräumige Kloster an (1624), stiftete für den Dienst in der Domkirche 1631 die Canonicate der dreizehn „Schneeherrn“ (Canonici B. V. Mariae ad nives) und erbaute den aus Landshut geflüchteten Loretto-Nonnen ein Kloster 1636. Durch Errichtung des „immerwährenden Statutes“ 1636 steuerte er den Mißbräuchen während der Erledigungsfälle des erzbischöflichen Stuhles, erwarb mit vieler Mühe die von seinem Vorgänger veräußerten stiftischen Herrschaften zurück (1629) und ordnete durch Recesse 1645 die Grenzen zwischen der landesfürstlichen und grundherrlichen Gerichtsbarkeit des Prälaten- und Ritterstandes und der vier Erbämter. Weil in den Jahren 1625, dann 1634 bis 1636 in der Stadt Seuchen herrschten, ließ er durch holländische Sachverständige in nächster Nähe der Stadt 2700 Morgen Moorboden trocken legen und in Ackerland umschaffen (1631–1643), wozu er Soldaten und Landwehr verwendete. In Folge des Münzprobationtages zu Augsburg, schaffte L. 1623 das Kippergeld ab, ließ eine neue durch Wasserkraft betriebene Münzwerkstätte eröffnen und schloß mit den Nachbarstaaten und den Städten Augsburg und Nürnberg die Münzabrede zu Füssen. Nachdem er vom Papste die Erlaubniß erhalten, über sein Vermögen frei zu verfügen, gründete er für seine Familie eine Primo- und Secundogenitur und erwarb zur erzbischöflichen Kammer die Berg- und Hüttenwerke Großarl und Flachau. Er erließ 1621 ein die Sitten charakterisirendes Mandat gegen den Luxus bei Hochzeiten und verbot Trauungen, die ohne Einwilligung der Eltern oder Vorwissen der Obrigkeit stattfinden sollten. Von der gesetzgeberischen Thätigkeit unter seiner Regierung geben noch Zeugniß die Mandate gegen die Unzucht, gegen das tolle Spielen, Saufen und Fluchen, die Feuerordnungen für Städte, Märkte und Landorte, eine Handwerkerordnung, die Vorschriften zur Viehbeschreibung und eine Spielgrafen- und Spielleuteordnung. Der von der Universität bei der Friedensfeier im J. 1651 mit Recht als „Vater des Vaterlandes“ gepriesene Fürst starb am 15. December 1653. Bekannt ist, daß der Geschichtschreiber Johannes von Müller den Erzbischof L. in zwei Schreiben an den Kronprinzen Ludwig von Baiern vom 9. August 1808 und 10. April 1809 der Ehre, in die Walhalla aufgenommen zu werden, würdig erachtete.

Zauner’s Chronik. – Landtagsakten. – Archiv der salzb. Landesregierung.