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ADB:Pantaleon, Heinrich

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Artikel „Pantaleon, Heinrich“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 128–131, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pantaleon,_Heinrich&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:39 Uhr UTC)
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Pantaleon: Heinrich P., Historiker des 16. Jahrhunderts. Am 13. Juli 1522 als der Sohn eines der evangelischen Lehre zugethanen Bürgers zu Basel geboren, erregte er schon früh durch seine Begabung die Theilnahme des Schulmeisters Anton Wild und des Rathsherrn Rudolf Frey. Doch schien es seinem Vater gerathener, den vierzehnjährigen Knaben das Buchdruckerhandwerk erlernen zu lassen, da er hier ja nebenbei den Wissenschaften obliegen könne. Da dies sich aber bald als unmöglich erwies, sandte er den Lernbegierigen nach Freiburg, [129] wo er ein Jahr unter Johann Pedius zubrachte. Ein ferneres Jahr durfte er in Basel studieren, dann aber ging er, dem Drängen des Vaters folgend, im Herbst 1539 nach Augsburg, um in die Werkstatt seines Verwandten, des Buchdruckers Melchior Krießstein, einzutreten. Dem drückenden Zwange entriß ihn bald Sixt Bircks (s. A. D. B. II, 656) Vermittlung, der ihn einem italienischen Arzte Cäsar Delphinus als Schreiber und Dolmetscher empfahl. So besuchte er mit diesem Ingolstadt und Wien und wandte sich dann mit dem ersparten Lohne nach Heidelberg, wo er am 14. October 1540 immatriculirt und im Juni 1541 Baccalaureus wurde. Ein Jahr später kehrte er in die Vaterstadt zurück und erhielt durch die Verwendung seines Studiengenossen Konrad Lykosthenes freie Wohnung im Collegium, hielt auch schon Vorlesungen über die Satiren des Persius. Nachdem er dann am 25. April 1544 die Magisterwürde erhalten, wurde er am 22. Juli desselben Jahres als Professor an dem neugegründeten Pädagogium, einer Mittelstufe zwischen der Schule und der Universität, angestellt und gründete 1545 (22. Januar) mit Cleophe Kösin seinen Hausstand. Um dieselbe Zeit trat er auch mit schriftstellerischen Arbeiten an die Oeffentlichkeit und suchte, nachdem er am 25. Juni 1545 als Diakon zu St. Peter bestellt worden war, durch Vorlesungen und theologische Disputationen Schüler um sich zu sammeln, 1547 wurde er Decanus Artium, 1548–1551 bekleidete er noch die Professur der Dialektik. Diese emsige Thätigkeit konnte aber nicht verhindern, daß ihm 1552 bei der Erledigung der Pfarrstelle zu St. Peter ein andrer Bewerber vorgezogen wurde, obwohl er sich kurz zuvor zum Licentiaten der Theologie hatte promoviren lassen. Als Grund dieser Zurücksetzung gibt er selbst an, er habe „in seinen Predigen gar zu schnell geredt, also das fromme gelehrte Leüt vermeinet, er were zu anderen Empteren tauglicher“; in Wirklichkeit wurde ihm wohl seine häufige Theilnahme an allerhand Volkslustbarkeiten – „denn er was von natur frölich“ – als ein Mangel an geistlicher Würde angerechnet. Er legte seine Predigerstelle nieder und nahm seine medicinischen Studien wieder auf. Auf einer Reise durch Südfrankreich, auf der er mit Felix Platter zusammentraf, ließ er sich am 21. September 1553 in Valence zum Doctor Medicinä promoviren, und prakticirte dann daheim ohne öffentliches Amt drei Jahre lang. Erst 1556 erfolgte sein Wiedereintritt in die Universität, er erhielt die Professur der Dialektik, 1557 dann die der Physik und verwaltete 1558 das medicinische Decanat. Von da ab scheint sein Leben ohne weitere Veränderungen verflossen zu sein. Er starb am 3. März 1595 an der Wassersucht, ein Vierteljahr nachdem er mit seiner Frau, die ihm zwölf Kinder geboren, die goldene Hochzeit gefeiert hatte. –

Die schriftstellerische Thätigkeit, welcher P. von seinem 22. bis zum 60. Jahre neben seinen Berufsgeschäften oblag, war eine außerordentlich rege. „Er was zur arbeit erboren“, so charakterisirt er sich selber im J. 1570, „und mochte diese gantz wol erleiden, also daß er jetz in die 16 jar täglich zu morgen auff die fünff oder sechs stund ordenlich geschriben, und zwen bogen verteutschet, oder für sich selbs zusamen gestellet.“ Durch seinen Folianten füllenden Sammelfleiß erinnert er an den Züricher Polyhistor Konrad Gesner (s. A. D. B. IX, 107), mit dem er freilich hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Bedeutung nicht auf dieselbe Stufe gestellt werden kann; mit seiner raschen Productionslust hielt die Kritik nicht gleichen Schritt. Es war ihm genug, das Material zusammenzubringen und mit seinem angeborenen Ordnungssinn zu classificiren, die oft trüben Quellen genauer zu prüfen war nicht seine Sache. Immerhin hat er an der Förderung des Geschichtsstudiums und an der Belebung des historischen Sinnes im Volke einen nicht zu bestreitenden Antheil. Sein Portrait von 1565 zeigt breite, [130] arbeitgefurchte Züge, von einem dunklen Bart umrahmt. – Von seinen Werken sei zuerst seine lateinische Komödie „Philargyrus“ (1546) erwähnt, eine Jugendarbeit, welche die protestantische Rechtfertigungslehre am Beispiele des Zöllners Zachäus darlegt; die Methode der Charakteristik erinnert nach Scherers Urtheil an den Lazarus des Joh. Sapidus (1539); merkwürdig ist Felix Platters Nachricht, daß bei der Aufführung nicht blos Baseler Studenten, sondern auch Professorstöchter mitwirkten. Philologischer Art waren die für Frobens Verlag besorgten Ausgaben griechischer und lateinischer Autoren, von Homer bis auf Theodorus Metochita und Wilhelm von Tyrus. Die Beschäftigung mit den Kirchenvätem brachte ihn auf den Gedanken, eine „Chronographia Ecclesiae Christianae“ (1550, 1551, 1568) zu schreiben, d. h. eine Tabelle der Kirchengeschichte, welche die Kaiser, die großen Theologen, die Secten und Orden, die Concile und die Päpste in Columnen nebeneinander stellt. Aehnlich angelegt war sein Geschichtskalender („Diarium historicum“ 1572), in welchem er die wichtigeren Facta, Feste und astronomischen Notizen in den Rahmen eines Jahres zusammenfaßte; die Einleitung legt seine Berechnung der Daten des Alterthums dar, „id quod ob mensium et dierum varietatem admodum fuit difficile“. Unter Pantaleon’s zahlreichen Verdeutschungen historischer Werke (von Cromer, Fox, Gillet, Herberstein, Jovius, Nauclerus, Vergerius, Vives) ragt seine Uebersetzung von Sleidans Geschichte Karls V. hervor (1556, 1557, 1562); er hängte derselben zwei, dann drei neue Bücher an, die er jedoch nur als Materialsammlung für einen künftigen Fortsetzer Sleidans angesehen wissen wollte. Selbständiger ist seine „Geschichte des Johanniterordens“ (1581), für die ihm der Ordensmeister Georg Bombast von Hohenheim Material zur Verfügung gestellt hatte. Halb historischen Charakter trägt auch die Beschreibung der Stadt und Grafschaft Baden im Aargau (1578), welche, wie die medicinischen Erörterungen über den Nutzen des Bades und die diätetischen Rathschläge zeigen, besonders für Kurgäste bestimmt war; interessant ist darin die Schilderung des Badelebens; den bekannten Brief Poggios vom J. 1416 wiederholt P. mit einer zornigen Bemerkung über den frivolen Sinn des Italieners. Pantaleon’s Hauptwerk aber war die „Prosopographia heroum atque illustrium virorum totius Germaniae“, lateinisch 1565–66, deutsch 1567–1570 und 1588 erschienen. Der Plan war ein umfassender und neuer; die ganze deutsche Geschichte von der Urzeit an sollte in Form von Biographien vorgeführt werden, P. wollte hier dasselbe leisten, was Plutarch, der jüngere Plinius und Jovius für ihre Landsleute gethan hatten. Die Volkssagen von Dietrich von Bern, Hildebrand, Siegfried, Herzog Ernst scheidet er von vornherein aus, ebenso die Heiligenlegenden, während Tuisko, der Urenkel Noahs, und die fabelhaften Königsreihen der Folgezeit, natürlich auch Tell und Winkelried, als historische Personen gelten und sogar in Abbildungen vorgeführt werden. Diese Holzschnitte (die erste Auflage sagt noch vorsichtig: vivis heroum imaginibus, quantum fieri potuit, passim illustratum) sind aber auch bei den historischen Personen des 16. Jahrhunderts durchweg Phantasieportraits, die in den verschiedenen Auflagen gewechselt werden. Der erste Band beginnt mit Adam, der zweite mit Karl dem Großen, der dritte mit Maximilian I. Dieser letzte Band, der dem Verfasser seitens des Kaisers Maximilians II. die Ernennung zum Poeta laureatus und Pfalzgrafen eintrug, ist der werthvollste, da P. hierfür Mittheilungen von Zeitgenossen, die er 1565 auf einer Reise gesammelt, benutzte. Indes hat er seine Arbeit doch zu leicht genommen, wie zahlreiche Versehen beweisen, vgl. z. B. D. Jacoby, G. Macropedius, Progr. Berlin 1886 S. 7. Die Werke der Schriftsteller werden nicht aufgeführt, auch ist die chronologische Anordnung nicht streng durchgeführt; indeß muß man berücksichtigen, daß die Arbeit der erste Versuch derart in einem nicht kritisch [131] gestimmten Zeitalter war. Naiv klingt seine Mahnung an die Mitlebenden, denen er etwa zu viel Lob zugemessen, sich dieser Ehre in Zukunft würdig zu erweisen. Redlich hat er sich bemüht, unparteiisch Katholiken und Protestanten aufzunehmen und „einem jeden seine Tugend zuzueignen“.

Pantaleon’s Selbstbiographie am Schlusse der Prosopographia. - Herzog, Athenae Rauricae p. 258–261 (1778). – Rotermund’s Forts. zu Jöcher 5. – Escher bei Ersch und Gruber III, 10, 441–443 (1838). – Scherer, Wagner’s Archiv für die Gesch. d. Sprache 1, 495 f. (1874). – Thomas und F. Platter, bearb. von Boos S. 145, 211 f. (1878). – Baumgarten, Ueber Sleidan S. 101 (1878). – Töpke, Die Matrikel der Universität Heidelberg 1, 576 (1884).