ADB:Otto II. (Herzog von Bayern)
H. Ludwig’s I. und der Ludemia oder Ludmilla von Böhmen. Der Beiname „der Erlauchte“, den ihm neuere Historiker aufgebracht haben, beruht nur auf Mißverständniß des allgemeinen fürstlichen Standesprädicats „illustris“. Otto’s historische Bedeutung liegt vor allem darin, daß durch sein Ehebündniß die Verbindung Baierns und der Pfalz begründet wurde: nachdem er sich mit Agnes, der Schwester des rheinischen Pfalzgrafen Heinrich II. verlobt hatte, belehnte K. Friedrich II. den damals noch minderjährigen Prinzen zu Anfang October 1214 mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein und den dazu gehörigen Reichslehen. Es war der Lohn für den Uebertritt seines Vaters zur staufischen Partei, die erste und zugleich die dauerndste Erwerbung der Wittelsbacher außerhalb Baierns. 1220 feierte O. seine Hochzeit, erst 1228 zu Straubing unter großem Festgepränge seine Schwertleite. Seit dem letzteren Jahre führte er die Regierung der Pfalz und nach der räthselhaften Ermordung seines Vaters (15. Sept. 1231) vereinigte er damit die baierische. Da er den allgemeinen Verdacht theilte, daß [648] der Mörder seines Vaters von Kaiser Friedrich gedungen war, hielt er sich die nächste Zeit sowol von dessen als von König Heinrichs Hofe fern und bei allen Schwankungen seiner Reichspolitik, bei seinem wiederholten Parteiwechsel gegenüber den Staufern dürfte neben unverkennbarem dynastischem Ehrgeiz mitgewirkt haben, daß dieser Verdacht in seiner Seele bald erstickt, bald wieder angefacht wurde. Seine ersten Regierungsjahre erfüllten Streitigkeiten und Fehden mit den Bischöfen des Landes. Alle diese Kirchenfürsten, die nicht minder als der baierische Herzog ihre Landeshoheit festzustellen und zu entwickeln strebten, konnte O. 1233 auf einem Landtage zu Regensburg um sich versammeln, aber schon im folgenden Jahre lag er wieder mit Salzburg und Regensburg, Augsburg und Freising in Fehde. Bei seiner Versöhnung mit Regensburg und Freising im Frühjahr 1237 blieb dem Papste die Entscheidung über die Rechtskraft einiger von beiden Parteien gefällten Urtheile vorbehalten. Mittlerweile hatte den Herzog ein Zerwürfniß mit dem letzten Babenberger, Friedrich dem Streitbaren von Oesterreich, im Frühling 1233 an der Spitze eines starken Heeres nach Oberösterreich geführt, wo er die Stadt Wels besetzte, Kloster Lambach niederbrannte. Dagegen rückte im Sommer König Heinrich mit 6000 Mann durch das westliche Baiern nach Regensburg vor. Er beschuldigte den Herzog der Widersetzlichkeit gegen den Kaiser, während man auf baierischer Seite vielmehr behauptete, O. habe sich geweigert, auf einen hochverrätherischen Plan des jungen Königs gegen seinen Vater einzugehen. Von zwei Seiten bedroht, unterwarf sich O. dem Könige und stellte seinen Sohn Ludwig als Geisel. Eben dieses Zerwürfniß mit dem Sohne des Kaisers aber gab den Anstoß zu Otto’s Annäherung an den Kaiser selbst; denn als dieser erfuhr, was geschehen, befahl er sofort die Freilassung des Prinzen; gänzlich gelang es ihm dann O. auf seine Seite zu ziehen auf dem Regensburger Reichstage von 1235, indem er seinen zweiten Sohn Konrad mit einer Tochter Otto’s verlobte, die jedoch vor der Vermählung starb. Otto’s ältester Sohn erhielt eine Braut unter Vermittlung des Kaiser. Der abgesetzte König Heinrich ward der Obhut Otto’s übergeben, der ihn einige Zeit zu Heidelberg in Haft hielt. Im Juni 1236 ward gegen den Babenberger Friedrich das Urtheil der Reichsacht verkündet und unter anderen Fürsten O. mit der Vollstreckung betraut. Ohne Erfolg belagerte dieser mit dem Bischofe von Passau Linz, rückte aber dann, mit dem Böhmenkönige vereint, leichten Kaufs in Wien ein. Dort nahm er in den ersten Monaten des Jahres 1237 noch Theil an der vom Kaiser geleiteten Fürstenversammlung, aber die getäuschte Hoffnung auf eigenen Gewinn im Osten, vielleicht auch die Furcht, daß der Kaiser die österreichischen Lande für sich behalten werde, verstimmten ihn neuerdings gegen den Staufer. Auf zwei Zusammenkünften zu Passau trat er nun mit dem Babenberger, den er eben bekämpft hatte, und mit dem Böhmenkönige, dem er vorher nach Böhmen entgegengereist war, in ein gegen Friedrich feindliches Einverständniß. Dieser erfuhr Otto’s Schwankung nicht sogleich und nahm sich in einer Fehde, in welche der Wittelsbacher als Rheinpfalzgraf mit Erzbischof Sigfrid von Mainz geraten war, des ersteren an, indem er Sigfrid Verlängerung des Waffenstillstandes gebot. Mittlerweile hatte Bischof Konrad von Freising, der dem Herzoge Verletzung des jüngst abgeschlossenen Friedensvertrages vorwarf, über ihn den Kirchenbann, über seine Lande das Interdict verhängt. Schon aber weilte an Otto’s Hofe in Landshut als päpstlicher Legat ein ihm (vielleicht als Firmpathe) persönlich nahestehender Passauer Erzdiakon, Albert Beham von Kager (nicht von Possemünster), den der Papst bestimmt hatte, in Otto’s Streit mit Freising den Herzog zu unterstützen, der vielleicht auch Otto’s Abfall vom Kaiser beeinflußte. Dieser hob nun die Excommunication gegen O. auf, verhängte dasselbe Urthei1 vielmehr über den [649] Freisinger Bischof und, da seine Erlasse fast nirgend Gehorsam fanden, allmählich über eine ganze Reihe von Prälaten, Clerikern und Laien. Als Papst Gregor IX. zum zweiten Male den Bannfluch über den Kaiser aussprach und die Unterthanen vom Eide der Treue entband, erlebte die Welt das seltsame Schauspiel, daß der baierische Episcopat wie ein Mann auf Seite des Kaisers stand, während der Baiernherzog, von seinem clerikalen Berather geleitet, dem Papste sich willfährig erwies. Er und der Böhmenkönig Wenzel beschlossen auf einer Zusammenkunft in Elnbogen den machtlosen Herzog Abel von Schleswig als Gegenkönig aufzustellen und kündeten dem Könige Konrad Fehde an. Auch der Babenberger war mit ihnen im Bunde, fiel aber ab, sowie er mit Hilfe dieser Verbündeten seine Lande zurückerobert hatte. Um für die neue Königswahl zu wirken, zog O. im Sommer 1240 mit Heeresmacht nach Bautzen, als ihn die entmuthigende Botschaft traf, daß auch der Böhmenkönig zum Kaiser übergegangen sei. Vergebens versuchte er diesen umzustimmen, er konnte nur Aufschub seines formellen Bündnisses mit dem Kaiser erlangen. Ein Schreiben des Kaisers gebot ihm, des päpstlichen Legaten Wirksamkeit zu hemmen und erinnerte ihn daran, welchem Hause die Wittelsbacher ihr Emporsteigen verdankten. Otto’s innerste Gesinnung aber trat damals zutage, als er dem Legaten auf dessen Drohung: die Kirche werde, da die deutschen Wähler ihr Wahlrecht nicht rechtzeitig ausgeübt, in Frankreich oder der Lombardei nach einem römischen Könige Umschau halten, ruhig und ohne Umschweife seinen Wunsch gestand, daß der Papst längst so gehandelt hätte; für diesen Fall erklärte er gern, auf seine beiden Wahlstimmen zu verzichten und der Curie für sich und seine Erben hierüber eine öffentliche Urkunde auszustellen. Unverblümter hat sich der Mangel eines nationalen Sinnes und das eigennützige Streben der Fürsten kein mächtiges Oberhaupt über sich aufkommen zu lassen, wol nie ausgesprochen als in diesen von Albert Beham selbst der Nachwelt überlieferten Worten. Indessen hatte der einmüthige Widerstand des baierischen Clerus gegen den päpstlichen Sendling doch nicht verfehlt, beim Herzoge ein gewisses Schwanken hervorzurufen, das auf den Landtages: des Jahres 1240 zu Straubing und München Ausdruck fand. Kriegsdrohungen König Konrad’s und des Freisinger Bischofs veranlaßten ihn dann zur Annäherung an den letzteren und an den Bischof von Regensburg, endlich aber zwang ihn der Einbruch der Mongolen zu engem Anschluß an seine Nachbarn und, um diesen zu erkaufen, zur Preisgebung des päpstlichen Legaten. Er entzog Albrecht seinen Schutz und verwies ihm den Aufenthalt auf seinen Burgen. Ein gänzlicher Umschwung in seiner Politik ward entschieden, als der Kaiser, der durch Briefe und Gesandte mit ihm in Verbindung trat, eine Verlobung des Königs Konrad mit einer zweiten Tochter Otto’s in Aussicht stellte. Trotz der Gegenbemühungen und Drohungen eines päpstlichen Legaten und wiewol O. noch im letzten Augenblicke schwankte und sogar bei dem vertriebenen Passauer Erzdiakon sich Rath erholte, kam das Verlöbniß und am 1. Sept. 1246 die Ehe zwischen Konrad und Elisabeth von Baiern zustande, eine Verbindung, die sofort für O. die päpstliche Excommunication, für seine Lande das Interdict nach sich zog. Die Erhebung des dem Wittelsbacher nicht genehmen Landgrafen Heinrich Raspe zum Gegenkönige und das drohende Umsichgreifen der böhmischen Macht nach dem Tode des letzten Babenbergers werden mitgewirkt haben, den Herzog in seinem folgenschweren Entschlusse zu bestärken. Mit dem Babenberger war vorher aufs neue Krieg entbrannt, da dieser (1244) das mit einer Tochter Otto’s geknüpfte Eheverlöbniß gebrochen hatte; die Feindseligkeiten blieben aber, wie es scheint, auf Kämpfe um den Besitz der Burg Obernberg bei Passau beschränkt. Für die territoriale Entwicklung Baierns ist O. nicht nur als Erbe der Pfalz bedeutungsvoll, sondern auch wegen der großen [650] Fortschritte, welche die Abrundung und Vergrößerung des unmittelbaren herzoglichen Hoheitsgebietes unter ihm und durch ihn gemacht hat: eine ganze Reihe von baierischen Grafschaften und Herrschaften ist theils auf friedlichem Wege der Erbschaft, theils aber nicht ohne harten Kampf diesem Herzoge zugefallen. Der Tod des letzten Grafen von Vallei verschaffte O. 1238 die Güter dieser scheirischen Seitenlinie, der Tod des letzten Grafen von Bogen 1242 die Grafschaft Bogen. Hier war ein Waffengang vorausgegangen; in Verbindung mit dem Passauer Bischof hatte O. im Sommer 1241 die Grafen Albert von Bogen und Heinrich von Ortenburg bekriegt, Vilshofen und den Natternberg eingenommen. Dann folgte der Anfall der Herrschaft oder kleinen Grafschaft Deggendorf und 1247 der Grafschaft Wasserburg und[WS 1], wie es scheint, auch des vom Wasserburger eingezogenen Erbes des Grafen Siboto von Neuenburg und Hademarsberg. Graf Konrad von Wasserburg war früher dem Herzoge sehr nahe gestanden. Dem Papste willfährig, hatte er dann das Kreuz gegen ihn genommen, aber von O. in seinen eigenen Besitzungen angegriffen, verlor er Wasserburg und sein ganzes Gebiet. Auch von den Gütern des Pfalzgrafen Rapoto III. von Ortenburg fielen einige (1248) an O. Mit dem Herzoge Otto VIII. von Meranien, dem letzten des mächtigen Hauses Andechs, führte O. seit 1238 wiederholte Kämpfe, vornehmlich um den Besitz der Grafschaften Neuburg am Inn und Schärding. Zuletzt gewann der Wittelsbacher sowol die Oberhand im Felde als durch Verleihung des Kaisers einen Rechtstitel für die beiden streitigen Grafschaften. Aber auch außer diesen war, als der Meranier am 19. Juni 1248 starb, der größte Theil von den reichen baierischen Besitzungen des Hausess Andechs durch Eroberung in Otto’s Hände gefallen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1248 ernannte der Kaiser O. zum Reichsverweser in Oesterreich, worauf Papst Innocenz den Kirchenbann gegen den Baiern erneuerte. O. hat in Oesterreich keine große Thätigkeit entfaltet und sich wenig Geltung erworben. Brachte er auch auf einem Feldzuge bis an die Enns einige Ministerialen zum Gehorsam, so kümmerte sich doch niemand mehr um ihn, sowie er den Rücken gewendet hatte, und in schrecklicher Weise nahmen in dem thatsächlich herrenlosen Lande Zuchtlosigkeit und Unsicherheit überhand. Sonst war es nicht Otto’s Art, den Schirm des Landfriedens zu vernachlässigen; es wird erzählt, daß er 1234 eine Anzahl Geächteter, die im Kloster Formbach Zuflucht gesucht hatten, unbeirrt durch die Weihe des Ortes, überfiel und mit Galgen und Schwert das Urtheil an ihnen vollziehen ließ. Unsere Quellen sind zu dürftig, um uns die Gründe seiner zurückhaltenden Unthätigkeit in Oesterreich durchschauen zu lassen; die heimischen Wirren mit den Bischöfen dürften dabei mitgespielt haben. Räthselhaft bleibt, warum der Herzog einem päpstlichen Günstlinge, der allerdings sein Verwandter war, dem Markgrafen Hermann von Baden, zur Vermählung mit der babenbergischen Wittwe Gertrud und zum Einzuge in Oesterreich seine Unterstützung lieh. Als der Badener starb (1250), ließ O. seinen Sohn Ludwig mit einem mäßig starken Heere wieder gegen die österreichischen Ministerialen ziehen. Mehr durch Geldversprechungen als Waffengewalt erreichte dieser, daß wenigstens ein Theil der Herren das wittelsbachische Regiment unter kaiserlicher Oberhoheit anerkannte. Als aber im Herbst 1251 Ottokar von Böhmen in Oesterreich einrückte, fiel das ganze Land ohne Schwierigkeit diesem klugen und energischen Fürsten zu. Dagegen eröffneten sich den Wittelsbachern nun in Steiermark günstige Aussichten. Die dortige gibellinische Partei gedachte die Herrschaft Otto’s zweitem Sohne Heinrich zuzuwenden und im Herbst 1253 setzte sich O. selbst in Bewegung, um seinem Sohne den Weg zu seinem ungarischen Schwiegervater zu bahnen, der in Oesterreich und Mähren eingerückt war. Schon in Oberösterreich aber stieß O. auf einen Widerstand, der ihn zur Umkehr [651] nöthigte. Mittlerweile hatten die Kämpfe gegen den baierischen Episcopat, der größtentheils auf die päpstliche Seite übergetreten war und O. auf eine Synode zu Mühldorf vorgeladen hatte, nicht geruht. 1250 hatte der Herzog ein starkes Heer gegen Bischof Albert von Regensburg geführt und diesen zur Räumung seiner Hauptstadt gezwungen. Mit gleichem Glücke kriegte er gegen den Administrator Berthold von Passau und dessen Bruder, den Grafen Gebhard von Sigmaringen. Seit die Ehe seiner Tochter O. mit Banden der Verwandtschaft und des Vortheils an das staufische Haus knüpfte, behauptete er als Hort und Halt der gibellinischen Partei in Deutschland endlich eine über die früheren Schwankungen erhabene Stellung. König Konrad rühmt von ihm, daß er mit wahrhaft väterlicher Zärtlichkeit ihn liebte, wie ein Vater seine Pflicht an ihm erfüllte und auf seine Entschlüsse gewichtigen Einfluß übte. Als er (im Oct. 1251) nach Italien aufbrach, ernannte er seinen Schwiegervater auf dem Augsburger Hoftage zu seinem Stellvertreter und ließ seine Gemahlin Agnes unter des Vaters Schutz in Baiern zurück. Wol ließ es die päpstliche Partei nicht an Anstrengungen fehlen, O. wieder auf ihre Seite zu bringen; bald ward das Traumgesicht eines Bauern, bald die Beredsamkeit des Bruders Berthold von Regensburg zu diesem Zwecke aufgeboten. Eben als dieser berühmte Prediger bei ihm weilte, im fröhlichen Kreise seiner Familie und seines Hofgesindes, starb O. eines plötzlichen Todes. Seiner Leiche ward erst zwölf Jahre später auf Ansuchen der Wittwe und der Söhne ein kirchliches Begräbniß gewährt, wobei Papst Clemens erklärte, der Herzog habe sterbend unverkennbare Zeichen der Reue gegeben. In O. stellt sich der Typus jener deutschen Fürsten dar, die unter der unseligen Regierung Friedrichs II., nicht ohne dessen schwere Mitschuld, von ehrgeiziger Vergrößerungssucht beherrscht, mehr auf den Ruin als auf die Macht und Erhaltung des Reiches hinarbeiteten. Seine glückliche Heirath hatte dem Hause Wittelsbach eine erhöhte Machtstellung gewonnen und so blieb auch in der Folge Heirathen durchzusetzen oder abzuwenden immer Hauptziel oder Hauptmittel seiner Politik. Sein Verhältniß zu den Staufern ward durch die Erfolge in dieser Richtung bestimmt; für ihn wie geraume Zeit für seine Nachfolger war eine Verschwägerung mit dem regierenden königlichen Hause die Vorbedingung der Reichstreue.
Otto II., Herzog von Baiern (1231–1253, † am 29. Nov.), Sohn- Böhmer, Wittelsbach. Regesten. – Riezler, Gesch. Baierns, II.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: uud