ADB:Oldendorp, Christian Georg Andreas
Wolfischen Philosophie getrübt werden, da O. auch in Hildesheim in regem Verkehr mit den Erweckten seines Heimathsdorfes verblieb. Im J. 1741 siedelte er nach Jena über, in der Absicht, sich dem Studium der Theologie zu widmen. Durch den Umgang mit dem der Brüdergemeine nahestehenden Magister Johann Sebastian Brumhard und namentlich durch die Vorlesungen dieses Mannes erwuchs in O. bald der Wunsch, die Brüdergemeine kennen zu lernen und unter die Zahl ihrer Mitglieder aufgenommen zu werden. Er schlug daher eine ihm angetragene Pastorstelle im Hildesheimischen aus und trat am 24. April 1743 zu Herrnhag in der Wetterau zur Gemeine über. Drei Jahre hindurch war er darauf als Lehrer an den Erziehungsanstalten der Brüder zu Marienborn und Lindheim thätig, bis er 1746 als Informator für die Söhne des Herrn v. Schweinitz nach Herrnhut berufen wurde. Von 1749–1753 wirkte er an dem damals in Hennersdorf befindlichen Pädagogium. Während der Jahre 1753–1759 bekleidete er die Stelle eines Hauslehrers und Hauspredigers bei dem Baron v. Campenhausen zu Orellen in Livland. In gleicher Eigenschaft diente er während des Jahres 1761 dem Herrn v. Alvensleben auf Isenschnibbe bei Gardelegen. Erst im folgenden Jahre trat er wieder in den eigentlichen Dienst der Gemeine zurück, da er einen Ruf als Lehrer an das nunmehr nach Nisky bei Görlitz verlegte Pädagogium erhielt. Seine reich gesegnete Wirksamkeit an dieser Anstalt gab er aber im J. 1766 wieder auf. Er hatte den Auftrag erhalten, die Geschichte der Brüdermission auf den caraibischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jean zu bearbeiten, und zugleich die Weisung, sich durch den Besuch derselben persönlich über den Gegenstand seiner Aufgabe zu unterrichten. So reiste er denn im September 1766 von Nisky ab, langte aber erst nach einer langen, beschwerlichen Seereise im Mai des folgenden Jahres in St. Croix an. Von hier aus besuchte er auch die beiden anderen Inseln St. Thomas und St. Jean und kehrte über Nordamerika, wo er die neu entstandenen pennsylvanischen Gemeinen besichtigte, nach Europa zurück. Im Juni 1769 war er wieder in Marienborn und wurde von der gerade damals daselbst tagenden Synode zum Prediger dieser Gemeine berufen, in welcher Stellung er bis zur Aufhebung derselben im J. 1773 thätig war. Hierauf nach Neuwied am Rhein beordert, mußte er bereits im September [264] 1777 wiederum den Wanderstab ergreifen, um kurze Zeit in Amsterdam und bald darauf in Kleinwelka bei Bautzen der Gemeine zu dienen. Aber weder an diesen Orten noch in Gnadau (bei Magdeburg) und in Barby sollte er Ruhe finden, da er noch einmal im J. 1783 nach Ebersdorf im Fürstenthum Reuß versetzt wurde. Hier ist er am 9. März 1787 gestorben. – Seit seinem Eintritt in die Brüdergemeine bis zum letzten Tage seines Lebens führte O. ein Tagebuch, welches bei der Abfassung des hier zu Grunde gelegten und im Archive zu Herrnhut aufbewahrten handschriftlichen Lebenslaufes (R 22 Nr. 20°) benutzt wurde. Der erste Theil desselben, welcher eingehend die Erweckungsgeschichte Oldendorp’s behandelt, ist von ihm selbst zur Mittheilung beim Begräbnisse niedergeschrieben worden. Das Hauptwerk Oldendorp’s, das ihm auch außerhalb der Gemeine ein dauerndes Andenken sichert, ist seine obenerwähnte Missionsgeschichte, die er im October 1776 zu Neuwied beendete. Die Herausgabe derselben besorgte Johann Jakob Bossart aus Basel (geb. 1721), welcher von 1766 bis 1789 Lehrer an dem theologischen Seminar der Brüdergemeine zu Barby war. Da Bossart ungemein schnell, aber auch flüchtig arbeitete, erschien das Werk bereits im J. 1777 zu Barby bei Christian Friedrich Laux in zwei Bänden unter dem Titel „C. G. A. Oldendorp’s Geschichte der Mission der evangelischen Brüder auf den caraibischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jean. Herausgegeben durch Johann Jakob Bossart. Theil 1. 2.“ Bossart gab aber, was weder aus dem Titel, noch aus der Vorrede klar zu ersehen ist, nur einen Auszug aus Oldendorp’s Werk und machte von der ihm zugestandenen Erlaubniß einer freien Bearbeitung in so ausgedehntem Maße Gebrauch, daß O. sich veranlaßt sah, in einem ausführlichen und in scharfen Ausdrücken sich ergehenden Memorandum gegen das Verfahren Bossart’s Einspruch zu erheben. Am meisten zeigt er sich in demselben erregt über die Aenderung der „geistlichen Sprache“ – sozusagen seines Originals –, die mit der älteren Herrnhutischen Ausdrucksweise übereinstimmte. Ursprünglich sollte O. selbst den Auszug aus seinem Werke liefern, da aber der alternde Mann zu umständlich und langsam war, so beauftragte die Missionsdirection Bossart mit dieser Arbeit, wohl mehr oder weniger ohne Wissen Oldendorp’s. Wenigstens läßt ein Originalbrief Spangenberg’s an Bossart darauf schließen. Glücklicherweise hat sich das Originalmanuscript Oldendorp’s, sowie eine Copie, deren gegenseitiges Verhältniß noch festzustellen ist, im Archive zu Herrnhut erhalten. Es umfaßt mehr als 3000 Seiten und ist mit „großer, fast peinlicher Gewissenhaftigkeit nach den 1767 und 1768 von ihm an Ort und Stelle gesammelten Notizen und Schriftstücken geschrieben und bis 1768 fortgeführt“. Auch die reichlich vorhandenen Berichte und Briefe der Missionare aus jener Zeit im Archive zu Herrnhut wurden von O. in ausgiebigster Weise zu Rathe gezogen, sodaß eine spätere Nachlese ohne nennenswerthe Resultate blieb. Außerdem sah sich O. durch mündliche Berichte des ältesten Missionärs Johann Böhner und durch die Erzählung verschiedener alter gläubiger Neger unterstützt, so daß sein Werk nach der historischen Seite hin an Gründlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Wichtiger aber erscheint noch der erste Theil desselben, welcher der eigentlichen Geschichte der Brüdermission unter den Negern vorausgeschickt ist. O. hat in demselben das Ergebniß seiner Studien über die Geographie, Naturgeschichte und Geschichte der drei Inseln niedergelegt und in ihnen Erhebliches für die nähere Kenntniß derselben geleistet. Besonders werthvoll sind seine Untersuchungen über die Heimath und den Culturzustand der Neger in Afrika, die auf Erkundigungen zurückgehen, welche O. von Negersclaven aus beinahe dreißig verschiedenen Stämmen einzog. Seine Forschungen erstreckten sich auch auf die Sprache der Neger in ihrer Heimath. Das Werk enthält Wörterverzeichnisse von [265] mehr als zwanzig Negersprachen. Auf diese Weise ist es zu einer unentbehrlichen Quelle für alle Studien über die Geschichte der Neger in Afrika und ihre Ueberführung durch die Sklavenhändler nach Amerika geworden. – Als Dichter geistlicher Lieder kann O. keinen Anspruch auf Beachtung machen. Er bewegte sich ganz in den Bahnen der pietistisch-überschwänglichen Dichtung seiner Zeit. Das Brüdergesangbuch des Jahres 1778 enthielt noch vier seiner Lieder (Nr. 216, 265, 5. 6, 865 und 983). In das gegenwärtig gebräuchliche „Kleine Gesangbuch der evangelischen Brüdergemeine“, Gnadau 1876, ist davon nur eines aufgenommen worden: „Herr Jesu! Dein freundliches Angesicht scheine stets über Deiner Kreuzgemeine“ (Nr. 716). O. soll noch eine Menge anonymer Aufsätze und Dichtungen veröffentlicht haben; doch kennt man selbst in Herrnhut nichts mehr davon. Dagegen befindet sich in dem dortigen Archive noch ein Convolut von Originalpapieren Oldendorp’s, welche nähere Angaben über sein Werk und dessen Drucklegung enthalten.
Oldendorp: Christian Georg Andreas O., Prediger und Liederdichter der Brüdergemeine, war am 8. März 1721 in dem Dorfe Groß-Lafferde bei Hildesheim als der Sohn des dortigen Pfarrers geboren. Da er seine Eltern in frühester Kindheit verlor, wurde er von seinem Onkel Johann Christoph O., welcher seinem Vater im Amte folgte, erzogen. In seinem 11. Jahre bezog er das Gymnasium zu Hildesheim, wo er bald durch seine poetischen Versuche Aufsehen erregte. Das von Jugend auf in ihm erweckte religiöse Leben konnte nur für kurze Zeit durch die Bekanntschaft mit den Lehren der- Nach brieflichen Mittheilungen des Herrn Missionsdirectors A. v. Dewitz in Nisky; mit denen zu vgl. die Vorrede zu dessen Werk: „In Dänisch-Westindien“. Nisky 1830. Ferner; (E. W. Cröger,) Geschichte der erneuerten Brüderkirche, Thl. III, Gnadau 1854, S. 170 ff. – (Christian Gregor,) Historische Nachricht vom Brüder-Gesangbuche des Jahres 1778, 2. Aufl. Gnadau 1851, S. 212, Nr. 254. – Ersch und Gruber, 3. Sect., 3. Thl., Leipzig 1832, S. 29. – Biographie universelle. Tome XXXI, A. Paris 1822, S. 552–553. - Hirsching, Historisch-litterar. Handbuch etc., Bd. 6, Leipzig 1804, S. 55 ff. Die einzelnen Daten der drei zuletzt genannten Werke sind nach dem angezogenen Lebenslauf zu berichtigen.