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ADB:Spangenberg, August Gottlieb

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Artikel „Spangenberg, August Gottlieb“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 33–37, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spangenberg,_August_Gottlieb&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:17 Uhr UTC)
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Spangenberg: August Gottlieb S., Bischof der Brüdergemeine, geb. am 15. Juli 1704, † am 18. September 1792, der jüngste von vier Söhnen des Pfarrers Georg Spangenberg von Klettenberg im Hohensteinischen und der Elisabeth Nesen. Der Vater erzog seine Kinder in frommem Geiste. Schon nach einem Jahre verlor S. seine christlich gesinnte Mutter und nach dreizehn Jahren auch noch den Vater, ein Schlag, der den jüngsten am härtesten traf. Die Schule der Armuth lernte er frühe kennen, besonders da eine Feuersbrunst Hab und Gut der Knaben verzehrte. Beim Rückblicke auf sein inneres Leben rühmt S. in seiner von ihm geschriebenen Biographie, daß der gute Hirte ihm unaufhörlich nachgegangen sei, um ihn zu gewinnen. Nachdem er das Gymnasium von Ilefeld absolvirt hatte, bezog er die Universität Jena, um die Rechte zu studiren. Aber als er einst als Gast einer Vorlesung des damals berühmten Theologen Buddeus beiwohnte, sattelte er um. Buddeus nahm den armen, reichbegabten Studenten in sein Haus und an seinen Tisch auf. Wie wohl geschah ihm! Während ein wilder, wüster Geist damals unter den Studenten in Jena herrschte, blieb S. davon unberührt. Dafür erfuhr er zwar manchen Spott, meinte aber, „es sei ihm eine Freude, um Jesu willen für einen Narren gehalten zu werden, und diese Ehre widerfuhr mir reichlich“. Damals war Graf Zinzendorf, der Erneuerer der Brüdergemeine, bereits ein berühmter Mann geworden. Was für eine Freude war daher im Kreise der durch Buddeus Erweckten, als der Graf nach Jena kam und dort eine kurze Rede hielt. „Ich war dabei stille“ schreibt S. „doch freute ich mich.“ Als der Graf im Juli 1728 mit mehreren Brüdern abermals Jena besuchte und sechs Wochen daselbst blieb, wurde S. mit denselben innig vertraut. Die gläubigen Studenten vereinigten sich, Freischulen in [34] den Vorstädten von Jena zu errichten. Namentlich die Kinder in den Armenschulen bediente S. Im April des folgenden Jahres konnte er den lang gehegten Wunsch ausführen, Herrnhut selber zu sehen. „In Ewigkeit werde ich nicht vergessen, wie mir unter den Brüdern gewesen“, schreibt er. Schon im Jahr 1726 war er Magister geworden und hatte das Recht erlangt, Vorlesungen zu halten. Dieses Recht übte er treulich und hielt Predigten und Privatversammlungen. Einen Ruf als Hofprediger nach Kopenhagen lehnte er ab. Auch in Halle dachte man an den eifrigen und wissenschaftlich tüchtigen S. Als der König von Preußen die Genehmigung des Rufes aussprach, nahm S. ihn an. An seinen Bruder Georg schrieb er: „Ich habe mich nicht entziehen können, nach Halle zu gehen, weil ich daselbst den meisten Widerspruch, die meiste Arbeit, den geringsten Lohn und die größte Gelegenheit, meinem Heiland zu dienen, vor mit sah.“ Ein schöner Wirkungskreis sowohl in den Schulen, als auf der Universität lag vor ihm. Freilich die hallischen Lehrer waren nicht gut auf Zinzendorf und Herrnhut zu sprechen, und hierin lag auch der Anfang zu einem Zwiespalt, der ihn schließlich aus Halle vertrieb. Späterhin hat er selber eingesehen, daß er nicht mit der nöthigen Weisheit gehandelt habe. Als man von Seite der theologischen Facultät von ihm verlangte, er solle mit Zinzendorf und den Herrnhutern brechen, erklärte er rundweg, das könne er nicht thun. Bald erfolgte der königliche Beschluß, er sei seines Dienstes enthoben. Noch vor Ostern mußte er Halle verlassen. Am Charfreitag hielt er unter großem Zulaufe in einem Privathaus seine letzte Erbauungsstunde. Der Abschied war ein schmerzlicher. Sein Ziel war nun Herrnhut. Der Graf Zinzendorf nahm ihn alsbald als seinen Gehilfen an. Er fand aber auch bald Arbeit genug. Eben hatte man beschlossen, vier Ehepaare und zehn Brüder nach der dänisch-westindischen Insel St. Croix abzusenden, um den armen Negersklaven das Evangelium zu predigen. S. sollte diese Kolonne begleiten. Ihr Weg ging nach Kopenhagen. Der Oberkammerherr v. Plessen hatte nämlich die Brüder zur Aufsicht über die von ihm anzulegenden Plantagen verlangt. Die Brüder reisten ab und er kam gegen Ende des Jahres 1733 in Herrnhut wieder an. Bald erhielt er einen neuen Auftrag. Er sollte die sogenannten Schwenkfelder, die bisher in Berthelsdorf gewohnt hatten, aber jetzt auswandern mußten, nach Georgien in Nordamerika begleiten. Plötzlich änderten diese ihren Plan und wollten nach Pennsylvanien. Er mußte also von seinem Auftrage abstehen. dagegen vermittelte er für andere Freunde Herrnhuts, die schon auf dem Wege nach Georgien waren, von der englischen Regierung die Ueberlassung eines schönen Stück Landes an dem Savannahfluß. Die Colonie entwickelte sich erfreulich. Hier erhielt er einen Ruf nach St. Thomas, wo die Mission der Brüder unter den Negern guten Fortgang gewonnen hatte. Nur fehlte es den Missionaren zur Verwaltung der Sacramente an der kirchlichen Ordination. Der selbst ordinirte S. ertheilte ihnen dieselbe. Er selbst hatte die Freude, die drei ersten Neger taufen zu dürfen. Nachdem seine Aufträge vollzogen waren, kehrte er nach Deutschland zurück. Bei seinen vielen, besonders auch häuslichen Geschäften, befand er es für nöthig, in den Ehestand zu treten. Im März 1740 vermählte er sich mit der Wittwe Eva Maria Immig. Es war eine glückliche Ehe, obwohl nicht mit Kindern gesegnet. Sie trat mit ihrem Manne in volle Thätigkeit bei der sogenannten Pilgergemeine in der Wetterau. Hier hatte das Ehepaar die ganze Haushaltung zu besorgen. S. war wie dazu gemacht, da er von Jugend auf an Armuth gewöhnt war. Ebenso tüchtig erwies er sich bei Synoden, die im Jahr 1740 in Gotha und in Marienborn abgehalten wurden. Und weil das Werk der Brüdergemeine sich immer mehr ausdehnte, so war seine Betheiligung dabei eine außerordentlich lebhafte und gesegnete. Das erfuhren die Anstalten der Brüder namentlich in England, wohin er im Jahr 1741 mit einer Anzahl [35] Brüder berufen wurde. Die Direction der Brüdersache lag dort ganz auf seinen Schultern. Daselbst hatte sich eine Gemeine Namens Fullneck gebildet. Aber auch in London, sowie in Yorkshire hatte sich das Werk ausgedehnt. In jener Zeit hatte er eines seiner schönsten und tiefsinnigsten Lieder verfaßt: „Heil’ge Einfalt, Gnadenwunder.“ Er war fast immer unterwegs. So sollte er die Aufsicht und Leitung der Brüdersache in Amerika übernehmen. Ehe dies geschah, wurde er am 15. Juni 1744 feierlich zum Bischof der Brüderkirche vor der versammelten Gemeine in Herrnhaag geweiht. Noch im August reiste er in Gesellschaft einiger Brüder nach Amerika. Die Brüdergemeine Bethlehem daselbst war der Ort, wo er gewöhnlich seinen Sitz hatte. Von hier und von der Gemeine Nazareth aus arbeitete er mit unermüdlichem Eifer an dem großen Werke, und suchte die Gemeinen zu treuer Arbeit aufzumuntern. Freilich die innere Pflege blieb ihm die Hauptsache. Schon im folgenden Jahr 1745 machte er mit dem bekannten Missionar Zeisberger eine höchst beschwerliche Reise zu den Indianern. Es waren die Irokesen, die er aufsuchte. Er sagt von den christlich gewordenen, daß man sie wie Kinder behandeln müsse, aber dennoch sind es „allerliebste Leute, an denen sich unser Herz erfreut“. Das Reich Christi drang siegreich vorwärts unter vielfacher Anfeindung und Verfolgung. Es kam vor, daß als er predigte, mit Steinen nach ihm geworfen wurde, er blieb ganz ruhig dabei und betete sogar für die Feinde. „Unser Stillesein und Dulden“, sagte er „rechtfertigt uns in den Gewissen der Menschen. Wenn wir das Gegentheil thun von dem, was man uns Schuld gibt, so erhalten wir einen Sieg nach dem andern.“ Er sollte wieder nach Deutschland zurück. Der Abschied von Bethlehem erfolgte unter viel Thränen. Im Februar 1750 kam er mit seiner Frau auf dem Festlande an. Hier überreichte er eine Vertheidigungsschrift, die er im Auftrag der Brüder übernommen hatte. Sie führt den Titel: „Declaration über die seither gegen uns ausgegangtnen Beschuldigungen, sonderlich die Person unseres Ordinarius (Zinzendorf) betreffend.“ Diese Schrift war gegen die Angriffsschriften gerichtet, deren damals bereits 600 erschienen waren. Die ruhige, sachliche Behandlung von diesem Melanchthon der Brüdergemeine, wie man ihn mit Recht nennen kann, machte überall einen guten Eindruck. Die Direction des Seminars in Barby, in welcher die Theologen der Brüder gebildet wurden, wurde ihm übertragen. Damit war er ganz an seinem Platz, doch nicht zu lange, denn er erhielt den Auftrag, die Mission in Grönland zu visitiren, aber es kam nicht dazu, denn er hatte den tiefen Schmerz, seine geliebte Ehefrau am 21. März 1751 durch den Tod zu verlieren. Aus der Reise nach Grönland ward nun nichts mehr, denn er sollte nach Amerika, wo seine Anwesenheit so außerordentlich nöthig war. Die brüderliche Einheit war dort gestört und ein Geist der Trennung eingerissen. Es gelang ihm, die Eintracht zwischen beiden Parteien wieder herbei zu führen, so daß er an Zinzendorf schreiben durfte: „Die Parteilichkeit verzieht sich wie der Nebel, wenn die Sonne mit Macht drein schaut.“ Auch jetzt zeigte es sich, daß die Brüdergemeine gleich im Anfang ihres Entstehens eine Missionsgemeine war. So wollte sie in Nordkarolina ein Stück Land erwerben, um daselbst eine Colonie anzulegen und den Indianern jener Gegenden das Evangelium zu predigen. Das war mit großen Schwierigkeiten verknüpft, doch meinte er, es sei nicht so schwierig, als wenn man 600,000 Mann mit Weib und Kindern durchs rothe Meer führen solle. Nach monatlanger Reise gelangten sie in die Gegend, die hernach Wachau hieß. Erst im Januar 1753 waren sie mit dem Aufmessen von 100,000 Acker fertig. Schon im Mai treffen wir S. wieder in London mit Zinzendorf zusammen. Die Geldangelegenheiten der Brüder waren sehr zerrüttet. Hier war er der Mann des rechten Rathes. Im folgenden Jahre segelte er mit einer Seegemeine von 51 Personen als Vorsteher der sämmtlichen amerikanischen [36] Brüdergemeinen nach Amerika. Amerika war seine zweite Heimath. Seine ganze Stellung machte es ihm gradezu zur Nothwendigkeit, wieder in den Ehestand zu treten. Die Wittwe Maria Elisabeth Micksch war die Auserwählte. Mit ihr bestand er bei den Gemeinen auf der gemeinschaftlichen Haushaltung, auf der ein besonderer Segen ruhte. Viel Noth und Schmerz verursachten ihm die Indianer mit Sengen und Brennen, mit Rauben und Morden. Namentlich bedrohten und überfielen sie die Indianergemeine Gnadenhütten. Sie steckten das Haus an, in welchem die Brüder waren, und nicht bloß alles Vieh, Hausrath und Vorräthe wurden ein Raub der Flammen, sondern 11 Personen hatten auf schreckliche Weise ihren Tod gefunden. Die Indianer von Gnadenhütten, deren es 600 waren, mußten anderwärts untergebracht werden. Hier trat so recht die christliche Liebe herzerhebend zum Vorschein. Auf einer seiner Reisen im August 1760 nach Philadelphia erhielt S. die schmerzliche Nachricht, daß Graf Zinzendorf am 9. Mai selig entschlafen sei. Schon der Heimgang von Zinzendorf’s Sohn Christian Renatus, sowie der Gräfin Erdmuthe Dorothea hatte ihn erschüttert, wie viel mehr der Tod des Grafen. In mehreren Briefen an den Schwiegersohn des Grafen Johannes von Watteville lieh er seinem Kummer Worte. In einem schreibt er von dem Grafen: „Er war das größte Kleinod unserer Zeit, ein schöner Diamant in dem Ringe an der Hand unseres Herrn, ein Diener Jesu ohne Gleichen, eine Säule in dem Hause des Herrn, der Mund des Herrn an sein Volk. Ich danke ihm, der ihn uns geschenkt und so lange gelassen hat. Er tröste euch und uns mütterlich!“ Seine Arbeitszeit in Amerika ging jetzt ihrem Ende entgegen. Er besuchte mit seiner Frau noch die sämmtlichen Landgemeinen. Im Juni 1762 verließ er nach herzlichem Abschiede sein geliebtes Amerika. Gerade war die Gemeine zu Herrnhut am 12. November im Saale versammelt und sang das Lied: „O, Haupt voll Blut und Wunden,“ da trat die ehrwürdige Gestalt Spangenberg’s, der in Statur und Gang viel Aehnlichkeit mit Zinzendorf hatte, herein. Die Freude war allgemein. Er fand bald eine ausgedehnte Thätigkeit in der Direction. Im folgenden Jahre fand eine der wichtigsten Synoden in Marienborn statt. Man hielt aufs neue fest an dem Dogma vom verdienstlichen Leiden und Sterben Christi, und die ganze Versammlung erklärte ihre Uebereinstimmung mit sämmtlichen Artikeln der Augsburgischen Confession. S. besuchte nun die neu entstandenen Gemeinen in Schlesien. Im Sommer des Jahres 1769 begab er sich mit der Aeltestenconferenz nach Barby, wo sich die Pflanzschule der künftigen Geistlichen befand. Seine ausgezeichnete Lehrgabe und reiche Erfahrung befähigten ihn, hier richtig einzugreifen. In Barby vollendete er auch sein großes Werk, die Biographie des Grafen Zinzendorf in 8 Bänden. Ebenso wichtig, vielleicht noch wichtiger war sein kurz gefaßter Begriff der christlichen Lehre der evangelischen Brüdergemeine. Das Buch führt den Titel: Idea fidei fratrum. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt. S. war auch sonst noch ein fruchtbarer Schriftsteller, besonders bekannt durch seine lieblichen Kinderreden. Am 15. Juli 1784 trat er in sein 81. Lebensjahr. Man verband damit die Feier seines Amtsjubiläums. Die ganze Brüdergemeine nahm Antheil an dem Feste eines ihrer gesegnetsten Diener. Eine tiefe Wunde schlug ihm der Tod seiner Gattin, mit welcher er 36 Jahre Freud und Leid getheilt hatte. Ihn selber drückte das hohe Alter und doch nahm er innigen Antheil an allem, was sich auf das Reich Gottes bezog, und wohnte regelmäßig den Sitzungen der Unitäts-Direction bei. Auch die Prediger-Conferenz im J. 1790 in Herrnhut erfreute er mit einer Ansprache und leitete die Verhandlungen. Noch immer konnte er ohne Brille lesen, aber das Gehör nahm ab, die Füße schwollen, die Athmungsbeschwerden nahmen zu. Wenn man ihn fragte, wie es ihm gehe? antwortete er gewöhnlich: „Ich denke über alle die Barmherzigkeiten nach, die [37] der Heiland aus Gnaden an mir thut!“ An einem schönen Augustmorgen wünschte er noch einmal die erquickliche Sommerluft einzuathmen. Man brachte ihn auf seinem Stuhl hinaus ins Erntefeld. Die Schnitter sammelten sich um ihn, er ermunterte sie zum Dank für den reichen Erntesegen, stimmte selber das Lied an: „Nun danket alle Gott“ und ertheilte ihnen danach den Segen. Sein Leben war nun fast nur noch ein sanfter Schlummer, und wenn er zuweilen aufwachte, dankte er für die Barmherzigkeit und Treue des Herrn. Am 18. September 1792 sangen ihm seine Amtsbrüder an seinem Sterbelager Segensverse, unter denen er in der ersten Nachmittagsstunde einschlief. Auf seinem Antlitz leuchtete das Morgenroth des Himmels.

Spangenbergs Selbstbiographie. – Das Leben Spangenbergs von Jerem. Riesler, Barby 1794. – Das Leben Spangenbergs von K. F. Ledderhose, Heidelberg 1846. – Dr. Nitzsch, Spangenbergs Biographie in Pipers evang. Kalender 1855. –