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ADB:Oertel, Wilhelm

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Artikel „Oertel, Wilhelm“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 435–437, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oertel,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:57 Uhr UTC)
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Band 24 (1887), S. 435–437 (Quelle).
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Oertel: Friedrich Wilhelm Philipp Oe. wurde am 15. August 1798 zu Horn, im Kreise Simmern der jetzigen Rheinprovinz, geboren. Sein Vater, Prediger daselbst, wurde 1804 als Präsident des Localconsistoriums nach Bacharach berufen und 1812 als Pfarrer nach Manubach[1][WS 1] im Kreise St. Goar versetzt, und an diesen Orten verlebte der Knabe seine Jugendzeit. Von Jugend auf schwächlich und infolge von Krankheit an dem linken Bein etwas gelähmt, empfing O. seinen Unterricht im elterlichen Hause, theils von seinem Vater, theils von Elementarlehrern, bis er im 15. Jahre gänzlich der Leitung eines älteren Bruders übergeben ward, der in dem benachbarten Oberdiebach als Pfarrer stand. Von diesem zur Universität entsendet, studirte Oe. seit dem Herbst 1815 in Heidelberg Theologie. Mit rastlosem Fleiße suchte er hier zunächst die Lücken seiner Vorbildung auszufüllen und empfing darin besonders durch den Lycealprofessor Lauter und den Kirchenrath Dr. Schwarz die förderndste Anregung. Nach Beendigung seiner Studien kehrte er zur Unterstützung seines leidenden Vaters nach Manubach zurück, erhielt hier nach Absolvirung des ersten theologischen Examens am 15. August 1819 die Weihe zum geistlichen Amte, trotzdem er das für dieselbe nach altkirchlicher Sitte festgesetzte Alter von 25 Jahren noch nicht erreicht hatte, ja er wurde, als sein Vater am 19. December 1819 starb, schon im Januar des folgenden Jahres zum Pfarrverwalter in Manubach bestellt und im Juli 1822, nachdem er auch seine zweite Prüfung ehrenvoll bestanden, zum wirklichen Pfarrer daselbst ernannt. Sein Amt in der kleinen Gemeinde ließ ihm viel freie Stunden und Oe. benutzte dieselben zu ortsgeschichtlichen Forschungen, die er später in ein novellistisches Gewand kleidete und dann unter dem Namen F. W. Lips in der „Didaskalia“, dem Beiblatte des „Frankfurter Journals“, zum Abdrucke brachte. Nachmals erschienen sie gesammelt als „Sämmtliche historisch-romantische Erzählungen und Geschichten“ (III, 1833 bis [436] 1834). Zu Anfang des Jahres 1835 wurde Oe. zum Prediger und Superintendenten nach Sobernheim berufen. Die Uebernahme neuer Pflichten, besonders als Ephorus und Kreisschulinspector, deren Erfüllung sich Oe. mit der peinlichsten Gewissenhaftigkeit unterzog, ließen ihm in den ersten Jahren wenig Zeit zu schriftstellerischer Thätigkeit, so daß außer kleinen Erzählungen und sonstigen Beiträgen zur Didaskalia, zum Rheinischen Taschenbuch und zu den Mannheimer Abendblättern nur die „Bilder aus dem Nahethale“ (1837) erschienen, ein Büchlein, das den Kurgästen des eben erblühenden Kreuznacher Bades ein Wegweiser für ihre Ausflüge werden sollte, und worin er mit den Schilderungen der schönsten Punkte des herrlichen Thales die schönen Sagen verknüpfte, die daran hafteten. Erst mit dem Jahre 1845 gab er sich wieder mit erneutem Eifer seiner Lieblingsbeschäftigung hin, verließ aber das bisher von ihm gepflegte Gebiet der Romantik und wandte sich der Volkserzählung zu. Bei den vielfachen Berührungen, in welche ihn sein Amt mit dem Volke brachte, hatte er nämlich eingesehen, daß, wer auf das Volksleben einwirken und zur Erhellung seiner dunklen Schattenseiten beitragen wolle, auch für eine veredelnde Volkslectüre sorgen müsse. Die miserablen Kalender, die er als einzige Unterhaltungslectüre in den Häusern der Dorfbewohner fand, erschienen ihm je mehr und mehr als die eigentliche Quelle vieler Uebelstände und beklagenswerther Erscheinungen, von denen er von Amtswegen Notiz nehmen mußte. Er kam daher der Aufforderung des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, für diese einen Volkskalender zu schreiben, um so bereitwilliger nach, als seine Volkserzählung „Friedel“ (1845), für welche er zum ersten Male sein neues Pseudonym W. O. v. Horn gebrauchte, ungetheilten Beifall und schnelle Verbreitung gefunden hatte. So erschien denn seit 1846 sein bekanntes Volksbuch „Die Spinnstube“, das seinen Beruf zum Volksschriftsteller unzweifelhaft festgestellt und seinem Namen in Millionen deutscher Herzen diesseit und jenseit des Oceans ein sicheres, warmes Plätzchen bereitet hat. Da die ersten Jahrgänge der Spinnstube rasch vergriffen waren, so veranstaltete Oe. einen besonderen Abdruck der darin enthaltenen Erzählungen, die unter dem Titel „Des alten Schmiedjakobs Geschichten“ (III, 1853–1854) ausgegeben wurden. Daneben begann er seit 1849 die Herausgabe seiner bisher gedruckten „Gesammelten Erzählungen“ (XIII, 1850–1859), wovon er dann auch eine billige Volksausgabe unter dem Titel „Rheinische Dorfgeschichten“ (IV, 1854) veranstaltete, und seit 1850 die Herausgabe mehrerer kleiner Schriften, wodurch er noch unmittelbarer auf das Volk zu wirken gedachte, so den „Nothpfennig“ (1850), worin er durch volksthümliche Auslegung der besten deutschen Sprichwörter ernste Anweisung für die verschiedensten Lebensverhältnisse ertheilte, „Lehrgeld, oder Meister Konrads Erfahrungen im Jungen-, Gesellen- und Meisterstande“ (1850) und „Franz Kerndörfer“ (1851), beides Schriften, zur äußeren und inneren Hebung des Handwerkerstandes geschrieben, „Hand in Hand, eine Reihe von Geschichten für reich und arm in jedem Stande“ (1852), worin er einen Beitrag zur Lösung der socialen Frage geben wollte, u. e. a. Im J. 1852 hatte Oe. zur Kräftigung seiner geschwächten Gesundheit eine Reise nach Tirol unternommen und im Sommer 1853 das Seebad Ostende besucht. Heimgekehrt, wandte er sich einem neuen Unternehmen zu, das ihm von dem Buchhändler Niedner in Wiesbaden vorgeschlagen war, eine Reihe kleiner „Jugend- und Volksschriften“ herauszugeben, von denen in jedem Jahre fünf Bändchen erscheinen sollten. Mit diesen Schriften, die von 1853 an in regelmäßiger Folge bis zu seinem Tode erschienen, so daß ihre Zahl auf 75 stieg, hat Oe. ohne Zweifel am eingreifendsten auf die Bildung der Jugend und des Volkes gewirkt. Es sind nicht Erzeugnisse seiner Phantasie, sondern Erzählungen rein thatsächlichen Inhalts, Lebensbilder großer Männer und berühmter [437] Frauen, Bilder aus der Länder- und Völkerkunde, naturgeschichtliche Schilderungen, und alles in jener anziehenden Form, welche an dem Faden einer kleinen Geschichte allerlei Perlen der Erkenntniß anzureihen weiß. Alle Jugend- und Volksschriften stehen auf dem Boden einer wahrhaft christlichen Frömmigkeit, die ebenso weit vom verwässerten Humanismus wie vom engherzigen Confessionalismus entfernt ist. Im J. 1858 begründete Oe. eine Monatsschrift „Die Maje. Ein Volksblatt für alt und jung im deutschen Vaterlande“, die mit dem 8. Jahrgang schloß. Die darin enthaltenen Erzählungen erschienen später gesammelt unter dem Titel „Aus der Maje“ (VI, 1879–1881) und enthalten die vier ersten Bände die von Oe. verfaßten Erzählungen. Von sonstigen Schriften Oertel’s sind noch zu erwähnen „Johannes Scherer oder Tonsor, der Wanderpfarrer“ (1857), „Silberblicke“ (1859), worin er Züge aus dem Leben edler, ausgezeichneter Menschen zum Exempel für jung und alt zusammengetragen hat, „Der Rhein. Geschichten und Sagen seiner Burgen, Abteien, Klöster und Städte“ (1866). Im J. 1863 war Oe. in den Ruhestand getreten und nach Wiesbaden übergesiedelt; hier starb er plötzlich an einem Gehirnschlage am 14. October 1867.

W. O. v. Horn, ein wahrer Freund des Volkes. Ein Lebensbild, für das deutsche Volk gezeichnet. Wiesbaden 1868.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 435. Z. 23 v. u. l.: Maunbach statt Mannbach. [Bd. 26, S. 832]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Manubach war richtig, da im Original nichts von Mannbach steht.