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ADB:Oem van Wyngaerden, Floris

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Artikel „Oem van Wyngaerden, Floris“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 345–346, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oem_van_Wyngaerden,_Floris&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 21:01 Uhr UTC)
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Oem: Floris O. (spr. Um, wird auch Oom geschrieben) van Wyngaerden, niederländischer Staatsmann, ist eine jener hervorragenden Persönlichkeiten, die so ziemlich unbekannt sind, weil es an Quellen über ihre Zeit fast eben so sehr fehlt, wie das Studium derselben mangelhaft ist. Das gilt in mehr als gewöhnlichem Maße von der inneren niederländischen Geschichte zur Zeit der burgundischen und österreichischen Herrschaft. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Dordrecht aus hochangesehenem Geschlechte geboren, verbrachte er seine Jugend an der Löwener Universität, wo ihm sämmtliche juristische Würden, so viele es nur geben konnte, zu Theil wurden. Erst nach einem Aufenthalt von fünfzehn Jahre kehrte er nach Holland zurück, wo er um das Jahr 1495 eine Rathsstelle im provinziellen Rath oder Hof von Holland erhielt. So in die Verwaltung und die Rechtspflege zugleich eingeführt, denn die niederländischen Gerichtshöfe übten beide zusammen mit dem Statthalter aus, erwarb er sich bald einen großen Ruf und Einfluß. 1500 wurde ihm unter dem Titel eines Superintendenten von Regiment und Polizei, als königlicher oder besser als gräflicher Commissarius die Oberaufsicht der Verwaltung der Stadt Leiden anvertraut, die damals so arg zerrüttet war, wie kaum die einer anderen Stadt des von Krieg und Unruhen seit Jahren schrecklich mitgenommenen Holland. In jenen Jahren war eine solche Einmischung der Regierung in die städtischen Verwaltungen nicht so ganz unerhört, wie sie den späteren Regenten wol erschienen ist. Und es gelang Meister Floris, wie er gewöhnlich hieß, wirklich, die Finanzen der Stadt so zu heben, daß dieselbe in den zehn Jahren seiner Verwaltung nicht allein die Interessen ihrer Schulden sondern auch die von der Regierung geforderten Lasten zu zahlen vermochte, was weder vorher noch später der Fall war. Indessen versah er zu gleicher Zeit seine Rathsstelle und noch dazu die eines Empfängers oder Verwalters der außerordentlichen Beiträge zur Vertheidigung Hollands im geldrischen Krieg. In allen jenen Functionen kam es natürlicherweise fortwährend zu Zusammenstößen mit den Interessen von anderen Städten und namentlich von hochstehenden Regenten und Beamten, die er gewiß durch sehr kräftiges und, wie gesagt wurde, eigenmächtiges Auftreten öfters beleidigt hat. Dieselben haben im J. 1510 zu seiner Entlassung aus sämmtlichen Aemtern geführt, ohne daß ihm seine Besoldung voll ausgezahlt wurde, aber auch ohne daß die Regierung sich seiner Dienste begab. Denn in den nächsten drei Jahren hat er mehrere wichtige Aufträge bei den Staaten Hollands nicht allein, sondern auch bei denen von anderen Provinzen erledigt, bis ihn endlich 1513 der Haß der Regenten, namentlich des Landesadvocaten oder Pensionärs van Loo veranlaßte, den ihm wenig Vortheil bringenden Staatsdienst ganz zu verlassen. Da baten ihn seine Mitbürger in Dordrecht, als ihr Pensionär, den schwierigen und für die Stadt sich ungünstig gestaltenden Streit über den Antheil derselben in der Quotisation über ihre Privilegien und ihre Herrschaft im Quartier (Kreis) von Südholland zu führen. Der, wie es scheint, durch die Zurücksetzung tief erbitterte Mann nahm gewiß gerne eine Stelle an, in welcher er hoffen konnte, sich an seinen Gegnern, den Regenten der anderen holländischen Städte, zu rächen, und die ihm dazu einen ehrenvollen Lebensunterhalt sicherte, weil er schon der vielen nicht zurückerhaltenen Auslagen halber in seinem Vermögen zurückgegangen war. Seine Verwandten, die hochangesehenen und immer gut österreichisch gesinnten Egmonts, suchten ihn vergebens wieder an den Hof zu bringen. Ob er selber oder die Regierung es nicht zuließ, ist unbekannt. In der kurzen Autobiographie, die er einem von ihm zur Verantwortung seiner Handlungen als Pensionär gehaltenen Register einfügte, ward nichts darüber gefunden. Und dieses ist fast die einzige Quelle über seine persönlichen Beziehungen, sonst sind nur die officiellen [346] bekannt. Da übrigens die Dordrechter schon zwei Pensionäre in ihrem Dienste hatten, war seine Ernennung etwas außerordentliches. Sieben Jahre lang führte er von jetzt an den Kampf nicht allein gegen die Städte Hollands, sondern am Ende gegen die Regierung des Landes, den Statthalter und den Hof, mit einer Gewandtheit, Scharfsinn und Energie, welche ihn eine auch damals allgemein für schlecht geltende, wenn auch dem Buchstaben nach rechtmäßige Sache, die Bevorzugung Dordrechts und ihr Recht, den Handel Hollands, die Interessen der anderen Städte zu schädigen und namentlich die Bevölkerung der Umgebung in einer Art Botmäßigkeit zu halten, bei der dafür gewiß keineswegs eingenommenen allgemeinen Regierung und dem Großen Rath in Mecheln gewinnen ließen. Freilich geschah es nicht, ohne daß er dabei in die größten Schwierigkeiten gerieth. Graf Heinrich von Nassau, der Statthalter von Holland, trat selber gegen ihn auf. Mit dem Hof und den Staaten, achtete derselbe sich durch die Sprache, welche O. geführt hatte, beleidigt; man verwickelte diesen (1518) in eine Untersuchung vor dem Kanzlei- und Geheimen Rath von Brüssel, der allgemeinen Verwaltungs- und Justizbehörde, neben der Gouvernante, und als er dieselbe siegreich bestanden hatte, erwirkten seine Feinde bei dem spanischen Könige einen Befehl an Dordrecht, den Pensionär, der die Rechte der Stadt so ungerecht vertheidigt, und sich an der Autorität des Königs vergriffen hatte, zu entlassen. Die Stadt wagte es nicht, länger Widerstand zu leisten. Aber als im J. 1520 Karl als erwählter Kaiser nach Deutschland kam und in Brüssel verblieb, wurde Alles anders. Die Ansprüche Dordrechts wurden größtentheils aufrecht gehalten und O. als Pensionär der Stadt wieder in die Staaten zugelassen. Als solcher hat er, wie die meisten niederländischen Juristen freilich, sich von jetzt an namentlich als ein eifriger Gegner aller Neuerungen in der Religion hervorgethan; ja man sagte schon damals, als er entlassen wurde, hätten viele, deren Katholicismus verdächtig war, frohlockt. Leider ist der weitere Verlauf seines Lebens so gut wie unbekannt. Sein Geschlecht hat später eine nicht unbedeutende Rolle gespielt, namentlich sich gegen Spanien und als Patrioten hervorgethan. Es gehörte zu den vornehmen ritterschaftsfähigen Familien, deren Mitglieder auch als Gesandten u. s. w. dem Staat dienten. Zu Meister Floris Zeiten war ein Namensvetter, dem nur die Beifügung Oem fehlte, als Rath am holländischen Hofe gerade gegen Dordrecht thätig in der bekannten Information nach dem Zustand der holländischen Städte und Dörfer als Basis einer neuen Quotisation, und hatte als solcher mit O. v. W. zu kämpfen. Die Namensverwandtschaft der beiden Familien O. v. W. und v. W. kann leicht zu Verwechslungen und Irrungen führen.

v. Baelen, Beschryving v. Dordrecht. – v. d. Bergh, Gedenstukken, III. – Wagenaar, Bd. IV. – Informacie up ’t stuck der Verpondinghe, v. 1514 (Einleitung und S. 493 ff.). – Autobiographie von Floris O. v. W. in Handelingen der Maatschappij van Nederl. Letterkunde 1866. Beide letzteren von R. Fruin. – Ueber Oem van Wyngaerden’s Verhalten der religiösen Bewegung gegenüber: de Hoop Scheffer, Gesch. der Hervorming in Nederland voor 1531 in Studien en Bijdragen op ’t gebied der Hist. Theol., Bd. I.