Zum Inhalt springen

ADB:Nauck, August

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Nauck, August“ von Albert Reichardt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 782–784, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nauck,_August&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:38 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Meißner, Alfred
Band 52 (1906), S. 782–784 (Quelle).
August Nauck bei Wikisource
August Nauck in der Wikipedia
August Nauck in Wikidata
GND-Nummer 11689816X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|782|784|Nauck, August|Albert Reichardt|ADB:Nauck, August}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11689816X}}    

Nauck *): Johann August N., Philolog, geboren am 18. September 1822 in Auerstedt bei Eckartsberga als Sohn des dortigen Pfarrers, † am 3. August 1892 in Terijcki bei Petersburg. Er verlebte eine sehr trübe Kindheit. Acht Jahre alt verlor er seinen Vater und kam in das Haus seines Oheims, des Predigers Johann Friedrich Müller in Mühlberg bei Erfurt. Ostern 1836 fand er Aufnahme in die Landesschule Pforta. Hier bestimmte hauptsächlich der Epigraphiker Karl Keil die Wahl seines Berufs. Bei seiner Begabung und seinem großen Fleiß erreichte er das Ziel der Schule schon nach 51/2 Jahren und bezog Michaelis 1841 die Universität Halle, um Theologie zu studiren. Aber bald wandte er sich der Philologie zu, die damals in Halle durch Bernhardy und M. H. E. Meier vertreten war. Besonders schloß er sich an Bernhardy an, für den er anfanges schwärmte. Auf seinen Rath beschäftigte er sich mit Aristophanes von Byzanz. Diesen behandelte Nauck’s erste gedruckte Arbeit, „Aristophanis Byzantii fragmentum Parisinum“, die er 1845 Bernhardy zum Geburtstag überreichte. In ihr wies er die Echtheit eines Pariser Excerpts aus dem genannten Alexandriner nach. Zwei Jahre später folgte die Untersuchung „Ueber die glossographischen Studien des Aristophanes von Byzanz“ und 1848 die Sammlung „Aristophanis Byzantii grammatici Alexandrini fragmenta“. Inzwischen aber hatte sich N. von den Hallischen Philologen mehr und mehr abgewendet und an seine Freunde Meineke und Schneidewin angeschlossen. Er wurde einer der ersten Mitarbeiter an dem 1846 von Schneidewin begründeten „Philologus“. In demselben Jahre erfolgte seine Promotion zum Doctor. In materieller Beziehung befand er sich damals in ziemlich bedrängter Lage. Nachdem er als Student auch die Mutter verloren, war er ganz auf sich selbst angewiesen. Durch Ertheilung von Privatunterricht mußte er sich die Mittel zur Fortsetzung seiner Studien verschaffen. Da erhielt er eine Hauslehrerstelle bei dem Pastor Albans in Dünamünde bei Riga. Anfangs war er hierüber ziemlich mißvergnügt, weil er nicht nur den Sohn des Pastors und einige andere Knaben, sondern auch die Tochter des Hauses unterrichten sollte. Aber er sah sich durch die Verhältnisse gezwungen die Stelle anzunehmen; und nach drei Jahren verlobte er sich mit seiner Schülerin.

Die Bearbeitung des Aristophanes v. B. führte N. zur Sammlung der Fragmente der griechischen Tragiker. Nebenbei sammelte er die Bruchstücke der griechischen Historiker, Komiker und Epiker, die griechischen Orakel und die Ueberreste der sicilisch-italischen Komödie. Auch finden sich Ansätze zu einer Ausdehnung dieser Thätigkeit auf die griechischen Räthsel, Sprichwörter und die ohne Autornamen überlieferten Bruchstücke. Zuerst wurde von N. auch die verhüllte Ueberlieferung in großem Umfange herangezogen. 1851 ging N. nach Berlin, um sich dort zum Staatsexamen vorzubereiten. Nachdem er dieses 1852 in Königsberg absolvirt hatte und in Prenzlau kurze Zeit als Lehrer thätig gewesen war, erhielt er durch Meineke 1853 die Stelle eines Adjuncten am Berliner Joachimsthalschen Gymnasium. Da wurde er aufgefordert für die Bibliotheca Teubneriana den Euripides mit den Fragmenten zu bearbeiten. Dies gab den Ausschlag zur Vollendung der mustergültigen Sammlung: „Tragicorum Graecorum fragmenta recens. A. N.“, Lipsiae 1856. Von seiner Ausgabe „Euripidis tragoediae superstites et deperditarum [783] fragmenta“ waren die ersten zwei Bände schon 1854 erschienen, fast gleichzeitig mit dem Euripides Kirchhoff’s, seines Collegen im Lehramte. Bereits 1857 kam die 2. Auflage des Nauck’schen Euripides heraus. Die „Euripideischen Studien, Theil I. II, St. Petersburg 1859, 1862“ gaben zu neun Tragödien einen überaus reichhaltigen kritischen Commentar. Von neuem sah N. den Euripides 1868 bis 1870 durch, nachdem Kirchhoff’s editio minor und die Weil’sche Ausgabe erschienen war. Dann kam N. erst im Alter noch einmal auf Euripides zurück, als er die Recension der Herakles-Ausgabe von Wilamowitz schrieb. Mit Sophokles hatte er sich schon in Halle eingehend beschäftigt. Nachdem er 1852 Schneidewin’s Antigone angezeigt hatte, erkor ihn dieser zum Fortsetzer der Haupt-Sauppe’schen Sammlung. 1858 kamen die ersten Stücke der Bearbeitung von N. heraus, welcher von da an dem Sophokles bis zum Ende seines Lebens treu blieb. Diese Sophokles-Ausgaben, in denen der kritische Commentar fast ganz und der sprachliche zum großen Theil von N. herrührt, waren es hauptsächlich, die seinen Namen populär machten.

1858 wurde N. an das Gymnasium zum Grauen Kloster versetzt. Nun konnte er seine Braut heimführen. Aber er sollte nicht in Deutschland bleiben. Auf den Vorschlag Stephani’s ernannte ihn die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Petersburg zu ihrem außerordentlichen Mitglied. Im Frühjahr 1859 siedelte er für immer nach Petersburg über. Neben seiner Thätigkeit an der Akademie, deren ordentliches Mitglied er 1861 wurde, gab er auch kurze Zeit Unterricht an der Wiedemann’schen Privatschule und wirkte dann von 1869 an als Professor der griechischen Litteratur an dem Petersburger historisch-philologischen Institut. Seine zahlreichen Abhandlungen veröffentlichte N. von 1859 an fast alle in den Schriften der Petersburger Akademie. So auch die „Kritischen Bemerkungen“ (in den „Mélanges gréco-romains“), aus denen vor allem sein Standpunkt in der Homerfrage zu erkennen ist. Schon in den vierziger Jahren hatte er seine Ansichten über die Behandlung des homerischen Textes durch die Alexandriner zu erkennen gegeben. Dann schwieg er lange fast ganz über diesen Gegenstand, bis er 1869 eine Textausgabe des Homer für die Weidmann’sche Buchhandlung übernahm. Der Druck der Odyssee begann 1872, der des zweiten Theils der Ilias 1879. Von Porphyrius hatte N. die codices Monacenses bereits 1846 collationirt. Aber erst 1860 erschienen dessen „opuscula tria“ (2. Ausgabe 1886). Durch das Studium des Porphyrius wurde N. dazu geführt, auch den Jamblichus herauszugeben. 1879 erschienen als Ertrag einer Reise nach Florenz die „Scholia in Jamblichi de vita Pythagorae librum“ und 1884 die Schrift des Jamblichus selbst. Ferner beabsichtigte N. die Veröffentlichung der jambischen Kanones des Johannes Damascenus; das Manuscript ließ nach seinem Tode sein Schüler Nikitin drucken.

1883 beschloß N. seine Thätigkeit am historisch-philologischen Institut, um fortan ausschließlich der Akademie anzugehören. An den Tragikerfragmenten hatte er in der Zwischenzeit unausgesetzt gearbeitet. Der 3. Ausgabe des Euripides (1871) fügte er die Fragmente bei sowie ein auctarium zu denen der übrigen Tragiker. Durch Cobet’s Studien ermuntert und mit Gomperz’ und Anderer Hülfe kam er endlich 1889 dazu, die 2. Auflage der Tragikerfragmente erscheinen zu lassen. Nach Vollendung dieses Lebenswerks ergriff ihn ein Gefühl der Mattigkeit. Aber bald darauf begann er im Vereine mit Nikitin den „Index tragicae dictionis“, der 1892 heraus kam. Diese mühevolle Arbeit zog ihm ein schweres Augenleiden zu. Halb erblindet faßte er noch immer allerlei neue Pläne. Da erlag er auf seinem Landaufenthalt [784] in Terijoki plötzlich einem Gehirnschlag. – Unter den persönlichen Eigenschaften Nauck’s tritt besonders hervor seine Liebenswürdigkeit und große Bescheidenheit. Mustergiltig als Freund, unterstützte er Andere viel mit seinen wissenschaftlichen Schätzen. In seinen Arbeiten zeigt er neben staunenswerther Gelehrsamkeit die strengste Gewissenhaftigkeit. Als Textkritiker vertrat er nicht das divinatorische Verfahren, sondern schloß sich besonders der Richtung Porson’s und Elmsley’s an. Er wollte die Textkritik zu einer exakten Wissenschaft machen. Immer mehr gerieth er auf den bedenklichen Weg, die Analogie zum leitenden Princip zu erheben. So besonders in der Kritik des Euripides und Homer; bei Sophokles dagegen vernachlässigte er auch die ästhetische Kritik nicht. Als akademischer Lehrer war N. ebenfalls äußerst gewissenhaft. Jedoch zur Bildung einer Schule besaß er nur geringe Veranlagung. Sein einziger hervorragender Schüler ist der genannte P. Nikitin. Auch dem Ansturm gegen die classische Bildung trat er nicht energisch entgegen. Für seine wissenschaftlichen Verdienste wurden ihm mannichfache Ehrungen zu Theil. So die Ernennung zum kaiserlich russischen Geheimen Rath, die Ertheilung der Mitgliedschaft gelehrter Gesellschaften, die verschiedenen von ihm abgelehnten Berufungen an deutsche Universitäten.

Th. Zielinski, August Nauck. Ein Bild seines Lebens und seiner Werke. Berlin 1894, aus dem Jahresbericht über die Fortschritte der classischen Alterthumswissenschaft Bd. 78. Hier wird auch ein Verzeichniß der Schriften Nauck’s beigefügt und auf die russische Biographie Nauck’s von Nikitin und die griechische von Papageorgiu hingewiesen. – Ecce der Königl. Landesschule Pforta gehalten am 19. November 1892, S. 9 ff.

[782] *) Zu S. 592.