ADB:Nagel zu Aichberg, Ludwig von
Feodor Dietz (s. A. D. B. V, 309) zu München, der damals seine „Schlacht bei Leipzig“ begonnen hatte. – Den Krieg 1866 machte er als Oberlieutenant mit, zog 1870 als Regimentsadjutant und Rittmeister nach Frankreich, wurde zum Generalcommando in Würzburg placirt, trat aber infolge körperlichen Leidens 1877 als Major in den erbetenen Ruhestand.
Nagel: Ludwig von N. zu Aichberg, bair. Major, Pferdezeichner und Maler, geboren am 29. März 1836 zu Weilheim, Sohn eines kgl. bair. Landgerichtsassessors, † am 8. September 1899 in seinem Sommerfrisch-Atelier zu Krailing (nächst Planegg bei München), zeichnete schon auf der Schule zu Regensburg und Amberg als Autodidact Caricaturen und Porträts seiner Mitschüler und Professoren, trat 1852 als Cadett bei den Chevauxlegers in die militärische Laufbahn, 1858 als Junker und dann Lieutenant bei den Cürassieren, wo er den Grund legte zu seinen Pferdestudien; damals schon ein Liebling der Officiere ob seiner originellen Zeichnungen. Nagel’s autographirte „Skizzen“ zum neuen Reitsystem (32 Tafeln in Fol., Landshut 1862–63), welche der zu Landshut auf kurzen Besuch weilende Meissonier sah, fanden bei dem Maler solches Interesse, daß er dem jungen Autor ernstlich den Rath ertheilte, sich ganz der Kunst zuzuwenden. Dem Wunsch seiner Familie folgend, blieb N. dem erwählten Stande treu, hospitirte aber, freilich nur kurze Zeit, den Unterricht im Oelmalen bei dem Schlachtenmaler[572] Eine Auswahl seiner zahlreichen, vom Kriegsschauplatze eingeheimsten Studien und Skizzen war in Hanfstängl’s photographischem Verlag 1872 erschienen. Nun warf er sich auf die Malerei, legte aber bald Palette und Pinsel nieder, um dafür den ihm mehr zusagenden Stift des Zeichners und Illustrators immerdar festzuhalten. Als Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter“ und der „Münchener Bilderbogen“ errang er ein höchst dankbares Publicum. Anfangs erschienen seine heiteren Beiträge unter dem Pseudonym eines „Van Oos, welches N. in der von ihm gegründeten Rittergesellschaft der „Niederländer“ führte: Zuerst „Die militärischen vier Jahreszeiten“ (humoristische Bilder aus dem Soldatenleben im Frieden) mit 65 Illustrationen, der unübertreffliche „Major Kreuzschnabel“ von Karl Zastrow, mit den famosen Felddienstübungen, den Unterabtheilungen von dem schwerhörigen Major, dem Rekruten in der Klemme und Lust und Leid in der Soldatenküche, nebst der Fortsetzung „Wie es dem Oberstleutnant von Kreuzschnabel im großen Generalstab erging“. Dann die „Heiteren Scenen aus dem Leben der Reiter und Fahrer“: viel Schneidiges „Aus der guten alten und der allerneuesten Zeit“ und als Quintessenz das „Nagel-Album“ – die Krone seines Schaffens – insgesammt in Buchform, mit zahllosen Holzschnitten und Auflagen im weltbekannten Verlag von Braun & Schneider. N. schilderte nicht die hetzende Noblesse des hohen Sport mit dem Totalisator-Schwindel, sondern das im Dienste des Menschen mit redlicher, fleißiger, mühevoller Arbeit, als Zug- und Lastthier, aber auch zur Freude, zum vergnüglichen Schmucke des Lebens verwendete Thier. Darin hatte N. viel Aehnlichkeit mit dem verwandten Radirer Johann Adam Klein (1792–1875), der freilich des Humors ermangelte. Dazu präcisirte N. den unabsehbaren Troß der Pferdehändler und Roßtäuscher mit ihren Praktiken, die Zwischenglieder der Zigeuner und Hebräer; das Pferd im Militärdienst und unter der bäuerlichen Faust, das Ackerpferd und den gequälten Karrengaul, das Thier an der Droschke und beim Train, am stattlichen Fuhrmannswagen und der Sandfuhre, am Wasserfasse des Straßenspritzers wie unter der leichten Last des Sonntagsreiters, die Freuden, Leiden und lächerlichen Accidenzen der Manège – kurz die Hippologie mit allen Varianten. Und diese zwei- und vierbeinigen, ernsten und burlesken Geschöpfe brachte er, wie Heinrich Heine seine Verse, mit einer anscheinenden Nonchalance aufs Papier, daß den erheiterten Beschauer nicht die leiseste Ahnung überkam von der vielen Mühe und dem vorausgehenden beobachtenden Studium; so kam es, daß er sogar Fachgenossen verblüffte, die ihn nur als Dilettanten gelten ließen. Seiner flüssigen Darstellung wegen hat man N. mit dem Erzähler Hackländer auf die Waage gebracht; dabei bewährte sich wieder das alte Wort, daß trotz großer Familienähnlichkeit doch alle Vergleiche hinken.
Mit derselben Equilibristen-Leichtigkeit handhabte N. die Caricatur, wobei er, wie ein echter Bohemien und Virtuos, sich selbst am wenigsten verschonte. Diese Prachtleistungen cursirten sachgemäß nur im engem Kreise, gleichsam als Xenien, beispielsweise bei den „Pappenheimern“ und in seiner Domäne der „Niederländer“, wo N. als die verkörperte Heiterkeit und unversiegbare Quelle der fröhlichen Laune und burlesken Satire verehrt und gefeiert wurde (vgl. Fritz v. Ostini im 15. Heft der „Kunst für Alle“, 1892). Auf den Kunstausstellungen erschien er nie als Maler, bisweilen als Aquarellist, meist als Zeichner, z. B. in München 1879 (Cavallerie-Attaque), 1883 (Kroaten in Baiern), Wien 1884 (Unteroffizier-Rennen, General mit Suite), Berlin 1886 (Pferdetypen), München 1888 (Allerlei Reiter aus vergangener Zeit), München 1890 und Berlin 1891 (Mustangs bei Buffalo Bill). Seine Freunde [573] überraschte er ziemlich regelmäßig mit autographirten Neujahrkarten, Menus und bei anderen Gelegenheiten, z. B. mit einem Plakat zum ersten Münchener-Pferdemarkt 1883. Fünf Blätter schildern den uraltherkömmlichen „Georgi-Ritt“ zu Stein im Chiemgau, auch allerlei „Manöver-Pech“ (in Nr. 1 „Ueber Land und Meer“ 1883). Ein treffliches Reliefporträt modellirte Otto Lang als Erinnerungs-Plakett an den Stifter der „Niederländer“.
- Vgl. Singer, 1898. III, 280. – Fr. v. Bötticher, 1898. II, 123. – Nr. 251 d. Allgem. Zeitung v. 10. Septbr. 1899. – „Kunst für Alle“, 1899. XV, 68 (m. Bildniß). – Kunstvereins-Bericht f. 1899, S. 76. – Bettelheim’s Jahrbuch 1900. IV, 140.