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ADB:Mynsinger von Frundeck, Joachim

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Artikel „Münsinger von Frundeck, Joachim“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 22–25, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mynsinger_von_Frundeck,_Joachim&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:15 Uhr UTC)
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Münsinger: Joachim M. von Frundeck (er selbst schrieb sich meist Münsinger, seltener Minsinger; die Form Mynsinger erscheint wol nur in seinen lateinisch geschriebenen Druckwerken), geboren zu Stuttgart am 13. August 1517, † 1588, stammte aus einem Adelsgeschlechte der Schweiz, das nach der Schlacht bei Sempach (1386) die Heimath verließ und nach Schwaben auswanderte, wo es vom Kaiser mit dem einst am Neckar gelegenen, jetzt verschwundenen Schlosse Frundeck belehnt wurde. Sein Vater, Joseph M., war im Dienste des Kaisers, während Herzog Ulrich des Landes vertrieben war (1519–34), würtembergischer Kanzler († 1560); seine Mutter, Agnes Breuning, gab außer ihm noch 6 Söhnen und 7 Töchtern das Leben. In dem Umstande, daß Joachim bei der Geburt einen Zahn mit auf die Welt brachte, erblickte man ein Anzeichen künftigen Ruhmes, und auch er selbst legte sich davon gern den Beinamen Dentatus bei. Er genoß in Stuttgart den Unterricht des Humanisten Märklin (Alexander Marcaleon) und machte bald so bedeutende Fortschritte, daß er schon im 13. Jahre zur Fortsetzung seiner Studien nach Dole in Burgund geschickt wurde. Anfangs der Dichtkunst zugewandt, der er auch im späteren Leben nicht untreu wurde, widmete er sich bald mit ganzer Kraft der Rechtswissenschaft, zu deren Studium er sich am 5. Mai 1532 in Tübingen immatriculiren ließ. Bald darauf ging er nach Padua, wo er insbesondere den Unterricht des berühmten Rechtsgelehrten [23] Ulrich Zwichem aufsuchte. Nach Schwaben zurückgekehrt verheirathete er sich mit der reichen Barbara Cellarius, verließ aber, wol durch die Rückkehr Herzog Ulrichs veranlaßt, die Heimath bald wieder und ließ sich am 28. October 1534 in Freiburg immatriculiren, wo er besonders mit Ulrich Zasius in näheren Verkehr trat, dessen Werke er später in Gemeinschaft mit Zasius’ Sohne herausgab. Nach dem Tode dieses berühmten Juristen († Nov. 1535) übernahm M. die Professur der Institutionen und ward um dieselbe Zeit zum Doctor promovirt; 1543 las er auch über den Codex und das kanonische Recht. Sein selbstbewußtes, freies Auftreten, seine Thätigkeit in Proceßsachen u. a. verwickelten ihn in allerlei Streitigkeiten mit der Universität, welche ihm sogar zeitweise sein Lehramt entzog, bis er sich dazu verstand, seine Stellung als Rath des Abts von Murbach aufzugeben. Sein Ansehen als Jurist war so bedeutend, daß ihn der schwäbische Kreis 1541 zu der durch Justinian Mosers Tod erledigten Stelle eines Assessors beim Reichskammergerichte in Speier in Vorschlag brachte. Da man ihn aber der Hinneigung zum Protestantismus beschuldigte, so ward er zurückgewiesen. Nichtsdestoweniger ernannte ihn der Kaiser 1548 selbst zum Beisitzer für den oberrheinischen Kreis. M. blieb in dieser Stellung bis 1556, wo er einem Rufe Herzog Heinrichs des Jüngern zu Braunschweig und Lüneburg folgte, als Kanzler in seine Dienste zu treten. Hier nahm er an den von dem Herzoge begonnenen Reformen zumal im Gerichts- und Verwaltungswesen thätigen und erfolgreichen Antheil. So ist vor Allem die bereits im Nov. 1556 erschienene, 1559 und 1571 verbessert herausgegebene Hofgerichtsordnung im Wesentlichen sein Werk; ihr folgten andere auf das Steuerwesen und die Landesverwaltung bezügliche Verordnungen. Auch an der Durchsicht der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. zum Zweck der Anpassung derselben an die braunschweigischen Zustände war er vorzugsweise betheiligt. Im Jahre 1563 wurde er vom Herzoge zur Visitation des Kammergerichts abgeordnet. Dasselbe erhob Einspruch gegen seine Zulassung, da er durch Veröffentlichung seiner observationes iudicii imp. cam. die „Heimlichkeit seiner Pflicht“ verletzt habe, jedoch ohne Erfolg. Zur Belohnung seiner vielfachen Verdienste ward M. 1565 von Herzog Heinrich mit dem Erbkämmereramte beliehen, auf das er schon früher die Anwartschaft erhalten hatte. Nach dem Tode dieses Fürsten behielt er auch unter dessen Sohne, dem Herzoge Julius, das Amt des Kanzlers bei. Als solcher war er besonders bei der sofort von Julius durchgeführten Kirchenreformation beschäftigt; er war ein einflußreiches Mitglied der zur allgemeinen Kirchenvisitation des Landes eingesetzten Commission und Mitarbeiter an der 1569 herausgegebenen Kirchenordnung. Auch für das Zustandekommen der Concordienformel, das Herzog Julius zeitweise auf das Lebhafteste betrieb, zeigte sich M. eifrig bestrebt; er pries in einem an J. Andreä gerichteten lateinischen Gedichte dieses Werk, von dem er sich völlige Einigung der verschiedenen Lutherischen Lehren versprach; gegen die Calvinisten verhielt er sich schroff ablehnend. Auch in der auswärtigen Politik war sein Rath von großer Bedeutung. – Im Anfange des Jahrs 1573 bat M. ihn vom Hofdienste und Kanzleramte zu entbinden, erklärte sich aber bereit als Rathgeber auch ferner noch seine Kräfte nach Gelegenheit dem Herzoge zu widmen. Als offenen Grund für dieses Gesuch gab er nur sein Alter an, das ihm jene Arbeit zu beschwerlich mache, aber er ließ durchblicken, daß noch andere Umstände hinzukamen, die ihm seine Stellung verleideten. Wir irren wohl nicht, wenn wir hierin den unheilvollen Einfluß der alchemistischen Abenteuerer erkennen, die gerade in diesen Jahren das blinde Vertrauen des Herzogs sich zu erschwindeln und auch auf die Regierungshandlungen nicht unbedeutenden Einfluß sich zu verschaffen wußten. Es ist auch nicht zu bezweifeln, daß sie den Kanzler, der ihnen wol unbequem [24] sein mochte, bei dem Herzoge anzuschwärzen suchten; denn jener vertheidigte sich in einem ausführlichen Schreiben gegen die von Seiten „unruhiger Leute“ und seiner „Mißgönner“ bei dem Herzoge wider ihn vorgebrachten Verleumdungen. Der Fürst ging auf Münsinger’s Vorschläge ein, entließ ihn zu Pfingsten als Kanzler, behielt sich aber vor, da er der Dienste des tüchtigen Mannes nicht ganz entrathen wollte, ihn als „Hofrichter und Rath von Haus aus“ aufs Neue zu bestallen. Diese Anstellung verzögerte sich einige Jahre; doch wurde M. auch in dieser Zwischenzeit mit Erledigung auswärtiger Angelegenheiten betraut. Er zog sich nach Helmstedt zurück, wo er den damals zum Erbkämmereramte gehörigen Burghof bezog. Hat eine Spannung zwischen dem Herzoge und dem Kanzler bestanden, so verschwand sie jedenfalls, nachdem das freche Treiben der Alchemisten am Hofe zu Wolfenbüttel 1575 ein jähes Ende gefunden hatte. Denn als Herzog Julius das in Gandersheim bestandene Paedagogium illustre in Helmstedt zu einer Universität erweitern wollte,[WS 1] ließ er M. bitten, das Vicerectorat und das Kanzleramt der neuen Hochschule zu übernehmen, zugleich auch mitunter juristische Vorlesungen an derselben zu halten. Ersteres lehnte M. ab; gelegentlich auf der Universität zu lesen erklärte er sich bereit, aber er wollte zu nichts verpflichtet sein. Bei der feierlichen Eröffnung der Hochschule übergab er als Vertreter des Kaisers dem zum Rector ernannten Herzoge Heinrich Julius den Purpur, den Scepter und die kaiserlichen Privilegien. In derselben Zeit trat er als „Vicehofrichter und Rath von Haus aus“ wieder förmlich in die Dienste des Herzogs; daneben übernahm er auch als Vicekanzler der Universität gewisse Verpflichtungen, wie Abhaltung der Promotionen usw. Obwohl der Herzog zur Hebung seiner Lieblingsschöpfung sehr gern gesehen hätte, daß M. an ihr Vorlesungen eröffnete, so hat er diesen Wunsch dennoch nicht erfüllt, da er sich durch Alter, lange Entfernung vom Lehrstuhle usw. dazu unfähig fühlte. Doch ist er im Spruchcollegium sehr thätig gewesen, und hat auch sonst, so viel er konnte, zur Förderung der Anstalt beigetragen. Die folgenden Jahre verlebte M. meist in stiller Zurückgezogenheit und emsiger wissenschaftlicher Thätigkeit. Er arbeitete seine schon früher herausgegebenen juristischen Werke, wie auf Anregung Arnolds von Reyger die Scholien zu den Institutionen, nicht unwesentlich um; ferner ertheilte er nach verschiedenen Seiten juristischen Beirath; auch die Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten nahm ihn vielfach in Anspruch, da er nicht unbedeutenden Güterbesitz mit der Zeit erworben hatte. Außer den mit dem Erbkämmereramte verknüpften Gütern besaß er vom Kaiser seit 1571 die Burgtorfischen Reichslehen im Hildesheimischen; vom Domcapitel zu Magdeburg hatte er Stadt und Amt Möckern zu Lehen erhalten. Er starb am 3. Mai 1588 auf seinem Pfandschlosse Groß-Alsleben an der Bode; seine Leiche ist in Helmstedt feierlich beigesetzt worden. – M. war zweimal verheirathet. Seine erste Frau starb nach kinderloser Ehe am 29. November 1556. Er verheirathete sich schon im folgenden Jahre aufs Neue mit Agnes von Oldershausen, der Tochter des braunschweigischen Erbmarschalls Heinrich von Oldershausen. Er hinterließ zwei Söhne: Heinrich Albrecht und Sigmund Julius. Der letztere trat 1591 in braunschweigische Kriegsdienste und ist 1596 kinderlos verstorben. Der Erstere, welcher 1607 als Stiftshauptmann zu Quedlinburg verschied, hinterließ einen Sohn, mit dessen Tode um 1640 das Geschlecht Münsingers im Mannsstamme erlosch. Seine drei Töchter sind an Angehörige der Familien von Mahrenholz, von Stammer und von Steinberg vermählt worden. Münsingers wissenschaftliche Bedeutung liegt vornehmlich auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft, auf welchem er eine hervorragende Stellung einnimmt. Sein erstes Werk sind die Scholien zu den Institutionen, die aus seinen Vorlesungen entstanden und seit 1544 in zahlreichen Ausgaben [25] erschienen sind. Noch wichtiger sind seine „observationes iudicii imperialis camerae“, die zuerst 1563 herausgegeben wurden. Er machte mit diesem Werke den ersten erfolgreichen Versuch durch Vorführung der kammergerichtlichen Urtheile der Praxis eine sichere Grundlage zu bieten. Daß dieser Zweck erreicht ward, beweisen die zahlreichen Auflagen des Werkes, das große Ansehen, das es überall genoß. „M. gilt mit Recht für den Begründer der cameralistischen Jurisprudenz“ (Stintzing). – Auch in der Dichtkunst ist er mit einer Anzahl von lateinischen Gedichten hervorgetreten, die noch bei seinen Lebzeiten (1585) von Heinrich Meibom, welcher auch die Gedichte von Münsinger’s jüngerem Sohne 1602 veröffentlichte und einen Panegyricus auf M. verfaßte, gesammelt und herausgegeben sind. Das umfangreichste derselben ist ein Lobgedicht auf das Haus Oesterreich (Austriados libri duo), von welchem er die Vernichtung des türkischen Reichs und die Wiedereroberung Jerusalems erhoffte. Andere behandeln persönliche Erlebnisse, wie das Naufragium Venetum die auf dem Meere bei Venedig bestandene Lebensgefahr, oder patriotische Fragen, wie die Exhortatio ad bellum contra Turcas usw. Zuletzt rührt von ihm auch noch ein Gebetbuch her, dessen erste Ausgabe bislang noch nicht hat festgestellt werden können.

Vgl. insbesondere über die Bedeutung Münsingers als Rechtsgelehrten Stintzings Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft I S. 485–95, der auch manche Angaben über Münsinger’s Leben entnommen; sonst Meibom’s Panegyricus; Dan. Hoffmans Leichpredigt; Juglers Beiträge II, 1 ff.; Du Roi in Hagemann’s u. Günther’s Archiv II, 97 ff. und die dort angeführten Schriften.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Universität Helmstedt bestand von 1576 bis 1810.