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ADB:Meierotto, Johann Heinrich Ludwig

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Artikel „Meierotto, Johann Heinrich Ludwig“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 213–215, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meierotto,_Johann_Heinrich_Ludwig&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:33 Uhr UTC)
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Meierotto: Johann Heinrich Ludwig M., Schulmann (1742–1800). Er wurde in Stargard in Pommern am 22. August 1742 als der Sohn des Rectors der dortigen reformirten Lateinschule Joh. Heinr. M. geboren; sein Großvater väterlicherseits, Heinrich M., war Rector des Friedrich-Werder’schen Gymnasiums, dann Professor am Joachimsthal’schen Gymnasium in Berlin gewesen. M. ist unter sehr engen Verhältnissen aufgewachsen; auch durch Kränklichkeit war seine Jugendzeit vielfach getrübt. Den ersten Unterricht genoß er in der kleinen väterlichen Schule, wurde hier besonders im Lateinischen gut gefördert, erhielt aber auch nach anderen Richtungen vielfache Anregung, namentlich für Naturgeschichte und Mathematik. Im September 1760 wurde er als Alumnus und Mitglied des (reformirten) theologischen Seminars in das Joachimsthal’sche Gymnasium aufgenommen; es wurde bemerkt, daß der Rector Heinius in Anerkennung des günstigen Ausfalles der Prüfung ihn sogleich in die erste lateinische Classe setzte. Nach anderthalbjährigem Besuche verließ M. zu Ostern 1762 das Joachimsthal; in seiner Abschiedsrede sprach er „de commodis humanae societatis“. Anscheinend wegen seiner durch übertriebenes Arbeiten geschwächten Gesundheit bezog er erst im August 1762 die Universität zu Frankfurt a. d. Oder in der Absicht, Theologie zu studiren. Von seinen dortigen Lehrern werden Töllner, E. A. Schulze, Stosch, vornehmlich aber der ehrwürdige [214] Dr. Causse als die genannt, welchen er am meisten Förderung verdankte. Schon im zweiten Jahre seiner Universitätszeit wurde er zum Unterbibliothekar der Universitätsbibliothek ernannt, eine auch in finanzieller Beziehung für ihn sehr günstige Wendung, zumal sein Vater um diese Zeit starb. Seine Absicht war damals, sich für eine theologische Professur vorzubereiten; ein überaus vortheilhaftes Anerbieten jedoch, welches ihm der Berliner Banquier Schickler machte, veranlaßte ihn 1765 zunächst auf seinen Plan zu verzichten und in das Schickler’sche Haus als Erzieher der Söhne einzutreten. In dieser glücklichen und nach den verschiedensten Seiten bildenden Stellung blieb er über fünf Jahre, mit philologischen und theologischen Studien eifrig beschäftigt, durch den anregenden Verkehr mit Sulzer, Merian und anderen bedeutenden Männern gefördert. Mehr und mehr trat der Wunsch, sich ganz dem Lehrfache zu widmen, in den Vordergrund: zwar predigte er öfter, aber man machte doch die Bemerkung, daß er „mehr für die gebildeteren Stände, als für ein gemischtes Auditorium“ zu sprechen verstehe. So begrüßte er es denn mit großer Freude, als er durch Sulzer’s Vermittlung auf Ostern 1771 zum Professor der Beredtsamkeit am Joachimsthal’schen Gymnasium berufen wurde; am 29. Mai trat er das neue Amt mit einer feierlichen Rede „De eloquentiae studio publice nec unquam locuturis profuturo“ an, – Das Joachimsthal’sche Gymnasium befand sich damals in dem Zustande fast völliger Anarchie. Sulzer hatte in seiner Eigenschaft als Visitator der Anstalt die Wiederbesetzung der durch den Weggang des Rector Stosch 1771 erledigten Rectorstelle zu verhindern gewußt und die Leitung der Anstalt der Gesammtheit der fünf Professoren, dem „Concilium Professorum“ übertragen: allwöchentlich führten zwei gemeinschaftlich die Direktion, alle einigermaßen wichtigen Dinge sollten – meist unter Sulzer’s Vorsitz – in den oft sehr stürmischen Sitzungen des Conciliums erledigt werden. Die Folgen blieben nicht aus; vornehmlich trat der Verfall der Schulzucht in einer Weise zu Tage, daß eine Aenderung erforderlich war. Als Sulzer im J. 1773 sein Amt als Visitator niederlegte, ernannte der König den damaligen Director der philologischen Klasse der Akademie der Wissenschaften, Joh. Bernhard Merian, zum Visitator, der die Wiederbesetzung der Rectorstelle sogleich in die Hand nahm und durch die energische Unterstützung des Ministers v. Zedlitz auch durchsetzte. Merian’s Wahl fiel auf M., obwol dieser der jüngste der fünf Professoren war. Er hatte als solcher die Protokolle des Conciliums zu führen gehabt; es war nicht unbemerkt geblieben, welchen maßgebenden Einfluß auf die Beschlüsse des Concils er hierbei gewonnen hatte; die Kassenvermaltung hatte er in Ordnung gebracht – auch die Begründung der Wittwenkasse verdankt das Joachimsthal ihm – , besonders aber sich als Lehrer und Erzieher eine ganz hervorragende Stellung geschaffen. In den Wochen, in denen er die Leitung der Anstalt hatte, herrschte weit strengere Zucht als in der übrigen Zeit; die Alumnen empfanden auch, daß er ein „geschickterer Examinator“ sei als seine Collegen. Trotz der zu erwartenden Schwierigkeiten, namentlich seitens der älteren Professoren, die zum Theil noch seine Lehrer gewesen waren, nahm M. die von Zedlitz persönlich ihm angetragene Stelle an; am 25. April 1775 wurde er von Merian in feierlicher Versammlung eingeführt, am 28. hielt er seine Antrittsrede über das Thema: Schola, quae seculi genio obsequitur, splendidissima, quae illum emendat, optima est. Die Aufgaben, welche die neue Stellung bot, griff M. mit der ganzen Energie seines Wesens an; die Disciplin unter den Alumnen herzustellen war das erste Erforderniß. Mit den kräftigsten Maßregeln schritt er gegen die völlige Zuchtlosigkeit ein, die schlimmsten Elemente wurden ausgeschieden, die Besserung aber vornehmlich durch Einführung positiver Maßregeln (Einrichtung eines wissenschaftlichen Vereins, einer Conversationsstube, eines Schulgartens, Hebung des [215] Ehrgefühls der älteren Alumnen durch würdigere Behandlung, Einführung der Anrede „Sie“ statt „Er“ etc.) angestrebt und in kurzer Zeit glücklich durchgeführt. Nicht minder schwierig war die nothwendig gewordene Umgestaltung des Lehrwesens: an die Stelle des Klassensystems setzte M. das reine Fachsystem, führte naturwissenschaftlichen Unterricht ein, beseitigte dagegen Naturrecht, Moralphilosophie, Metaphysik und Statistik, veranlaßte die Gründung eines Naturaliencabinets, die wesentliche Vermehrung der Bibliothek u. a. m.; auch die Einführung von Maturitätsprüfungen ist zuerst von ihm angeregt worden. Die Erfolge seiner Leitung traten bald so hervor, daß der König selbst davon Kenntniß bekam; als durch die berühmte Cabinetsordre vom 5. September 1779 die maßgebenden Gesichtspunkte für die künftige Gestaltung des höheren Schulwesens aufgestellt waren, hat M. im Auftrage des Ministers v. Zedlitz die Lehrordnung für das Joachimsthal’sche Gymnasium aufgestellt, welche als Vorbild für die anderen preußischen Gymnasien zu dienen bestimmt war. Der König nahm an der Entwicklung des Gymnasiums den lebhaftesten Antheil; zwar kam es nicht zu der von ihm in Aussicht gestellten Prüfung der Schüler, er berief aber wiederholt M. zu sich zum Vortrage und ging bei solchen Gelegenheiten in das genaueste Detail ein; so namentlich in einer Audienz vom 22. Januar 1783, über welche ein ausführlicher – von M. allerdings für nicht genau erklärter – Bericht veröffentlicht wurde (in Winkopp, Bibliothek für Denker und Männer von Geschmack I, St. 2). Wiederholten Versuchen auswärtiger Schulverwaltungen, M. für andere, einträglichere, geistliche oder Schulämter zu gewinnen, gegenüber hatte M. sich immer ablehnend verhalten, nur ein Anerbieten aus Gotha nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen; das unmittelbare Eingreifen des Königs gab schließlich die Entscheidung für Meierotto’s Bleiben in Berlin. 1786 wurde M. zum Kirchenrath im reformirten Kirchendirectorium ernannt, in demselben Jahre zum Mitgliede der Akademie der Wissenschaften, 1788 in das neu errichtete Oberschulcollegium berufen, 1790 auch in die Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften aufgenommen. Die sehr ausgedehnte Arbeitsaufgabe, welche diese verschiedenen Aemter ihm stellten, bewältigte er mit der ganzen Energie seines Wesens, verhehlte sich aber nicht, daß auf die Dauer wenigstens der laufende kleine Verwaltungsdienst im Joachimsthal ihm werde abgenommen werden müssen, zumal die durch seine Stellung als Oberschulrath – er hatte das Schulwesen von Pommern und Preußen speciell zu bearbeiten – bedingten langwierigen Dienstreisen ihn wiederholt von Berlin entfernten. Ehe diese von ihm verlangte Erleichterung durchgeführt werden konnte, starb er in Berlin an den Folgen der Strapazen einer Reise nach Südpreußen am 24. September 1800. Im Jahre darauf wurde seine Büste – von Schadow – im großen Hörsaale des Joachimsthal’schen Gymnasiums aufgestellt. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten verdienen genannt zu werden: „Sitten- und Lebensart der Römer“; „Ciceronis vita ex ipsius scriptis excerpta“; verschiedene Abhandlungen über Livius und Tacitus und vornehmlich das „seinen preußischen Landsleuten am Strande der Ostsee“ gewidmete „Exempelbuch für Seefahrer und Strandbewohner“. Im Allgemeinen tritt aber sein Bedeutung als Gelehrter wesentlich hinter seinen praktischen Verdiensten zurück; er war ein ausgezeichneter Lehrer, Director und Verwalter und gerade als solcher hat er sich einen unvergänglichen Namen gesichert.

Brunn, Versuch einer Lebensbeschreibung J. H. L. Meierotto’s. Berlin 1801. Zum Andenken an M., Progr. des Joachimsthal’schen Gymn. 1801. Rethwisch, Der Staatsminister Frhr. v. Zedlitz. 1881. Symbolae Joachimicae, p. 217–235. 1880. Kießling’s Artikel über M. in Schmid’s Encyklopädie IV, S. 905 ff.