Zum Inhalt springen

ADB:Meienburg, Michael

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Meienburg, Michael“ von Gustav Kawerau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 286–288, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meienburg,_Michael&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:34 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Meibom, Viktor von
Nächster>>>
Meier, Ernst Julius
Band 52 (1906), S. 286–288 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Michael Meyenburg in der Wikipedia
Michael Meyenburg in Wikidata
GND-Nummer 130378453
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|286|288|Meienburg, Michael|Gustav Kawerau|ADB:Meienburg, Michael}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=130378453}}    

Meienburg: Michael M. (Meyenburg), Bürgermeister von Nordhausen, † 1555. M. war kein Nordhäuser Kind. Sein Geburtsjahr war, nach seinem Epitaphium zu schließen, 1491. Geburtsort und Familienherkunft sind aber unbekannt; auch Corp. Ref. IX, 412, wo Melanchthon erwähnt, den Geburtsort Meienburg’s auf der Rückreise von Worms passirt zu haben, gibt keinen genügenden Anhalt. Der Versuch E. G. Förstemann’s, seine Heimath nach Gotha zu verlegen, ist von ihm wenig einleuchtend begründet worden. Unbekannt ist zur Zeit auch noch, auf welcher Universität M. seine humanistische und juristische Bildung erworben hat; denn es wird kaum angehen, ihn mit dem in Erfurt 1506 inscribirten Michael Morgenberg de Steina zu identificiren. Seit 1520 ist er in Nordhausen zunächst als Stadtschreiber nachweisbar. Auch wird er hier 1522 einmal erwähnt als „von päpstlicher Gewalt offenbarer Notar Mentzer Bisthums und Clerik“ (Ztschr. des Harzvereins XX, 550), wobei „Clericus“ nicht auf priesterlichen Charakter des Notars hinweist, sondern nach den von du Cange-Henschel II, 394 angeführten Stellen zu verstehen sein wird. Mindestens seit 1523 ist er im Besitze des stattlichen Hauses vor dem Hagen, das als eine Sehenswürdigkeit Nordhausens wegen seines Schmuckes mit Gemälden berühmter Zeitgenossen einst berühmt gewesen ist. Er heirathete die Tochter des Jugendfreundes Luther’s, des Hüttenmeisters Hans Reinecke in Mansfeld (vgl. Janus Cornarius, Marcelli de medicamentis liber, Basileae 1536, Widmung). Schon diese Verbindung läßt erkennen, daß er sich mit Entschiedenheit der evangelischen Sache angeschlossen hatte, die in Nordhausen frühzeitig durch den Augustiner Lorenz Süße und seit 1524 durch Johannes Spangenberg, den Pfarrer zu St. Blasii, vertreten wurde. Der Stadtschreiber rückte bald zum Syndikus der Reichsstadt auf und wurde etwa 1540 Bürgermeister, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode verblieb. In diesen Aemtern vertrat er seine Stadt auf Reichstagen (Worms 1535, Regensburg 1541, Speier 1542), Städtetagen und Kreistagen, bemühte sich auch in den schweren Zeiten des Interims durch ziemlich dunkle und zweideutige ausweichende Erklärungen an den Kaiser, dessen gewaltsames Eingreifen zu verhüten, ohne doch den evangelischen Charakter der Stadt preiszugeben (vgl. v. Druffel, Briefe u. Acten zur Gesch. des 16. Jhrhts. III, 1, S. 116, Corp. Ref. VI, 949; VII, 9. 81. 192). Bekannt ist er geworden durch seine Freundschaft mit den Reformatoren, besonders mit Justus Jonas, dem geborenen Nordhäuser, und wol durch diesen vermittelt mit Luther (seit 1527, Enders VI, 146) und mit Melanchthon, mit dem er von 1530 an bis zu seinem Tode in lebhafter Verbindung gestanden hat. Besonders die Erziehung seiner Söhne veranlaßte einen regen brieflichen Verkehr mit dem Praeceptor Germaniae, der ihm Pädagogen für seine Söhne beschaffte, dann, als sie zur Universitätsstadt zogen, ihnen geeignete Pensionen besorgte, persönlich um die Studien und die Sitten der jungen Leute fortgesetzt sich kümmerte, einzelne von ihnen [287] auch ins eigene Haus aufnahm. M. erwies sich dankbar durch wiederholte reiche Geschenke, besonders aber dadurch, daß er, als der Schmalkaldische Krieg ausbrach, sein Haus als Zufluchtsstätte Melanchthon und den Seinen anbot, der auch wirklich im Sommer 1548 dort eine Zeitlang Unterkunft gefunden hat. Auch bei den Kriegsunruhen des Jahres 1555 bot er wieder Melanchthon bei sich Aufnahme an. Diese Verbindung beider Männer wurde auch dadurch für Nordhausen bedeutsam, daß M. bei den Besetzungen an den Kirchen und an der Lateinschule regelmäßig Melanchthon’s Rath einholte. Das gastliche Haus des wohlhabenden und kunstsinnigen Bürgermeisters – Johann Spangenberg nennt ihn omnium studiosorum hospitem et patronum, Briefw. des Jonas II, 252 – diente den Wittenberger Reformatoren bei ihren Besuchen in der Stadt wiederholt als Herberge (Enders VI, 146. 177). Das hinderte freilich nicht, daß Luther auch einmal in heftigem Zorn gegen M. entbrannte, als Johann Crusius, ein ehemaliges Glied des Cistercienserklosters Walkenried, jetzt ein alter und erblindeter Mann, sich um Unterstützung in bitterer Noth an ihn als den Decan der Wittenberger theologischen Facultät gewendet und dabei behauptet hatte, der lutherisch gewordene Abt des Klosters Holtegel verprasse gemeinsam mit dem Bürgermeister von Nordhausen die Stiftsgüter und lasse ihn hungern und betteln. Da schrieb Luther am 23. Juli 1542 einen zornigen Brief an Jonas über M. und den Abt, die gleich dem reichen Manne schmausten und den armen Lazarus Noth leiden ließen, und schloß das Schreiben mit dem Fluche: maledicat eorum opes deus et egrediatur ignis ex Walkereda et devoret etiam simul ea, quae alias iuste possidere possent (de Wette V, 486). Als hernach im J. 1612 eine Feuersbrunst das stattliche Haus Meienburg’s vernichtete, sahen die Zeitgenossen darin die Erfüllung dieses Fluches. Melanchthon aber redete damals zum Frieden und appellirte an Meienburg’s „Klugheit und Mäßigung“, die wol Mittel wissen werde, die Klagen des blinden Alten aus der Welt zu schaffen, von dem er übrigens eine sehr üble Schilderung entwarf, indem er ihn als einen böswilligen Querulanten charakterisirte (Corp. Ref. IV, 883 u. 900). Wir sind nicht mehr im Stande, zu entscheiden, wie weit Luther’s Zorn sachlich berechtigt war. Doch klagt 1542 auch Jonas über M. als πανουργότατος und δοῦλος μέγιστος τῶν ϰρημάτων, Briefw. d. Jonas II, 61 f. – Wie in der Stellung zum Interim, so hielt M. auch in den nachfolgenden theologischen Streitigkeiten treu zu Melanchthon: „der Meyenburger hieng ganz und gar ex crepitu Philippi“, so beschreibt Ratzeberger drastisch seine Haltung (ed. Neudecker, S. 210); vgl. auch Corp. Ref. VII, 797. Im März 1555 berieth Melanchthon noch den Freund wegen des Besuches eines Bades zur Stärkung seiner Gesundheit. Am 24. Juni und wieder am 28. August desselben Jahres ertheilte er dem Schwerkranken noch brieflich seelsorgerlichen Zuspruch; am 13. November schied dieser aus dem Leben. Ein Condolenzbrief Melanchthon’s an seinen Sohn Michael, der Corp. Ref. VIII, 539 um 2 Monate zu früh angesetzt ist, und besonders noch ein späteres Schreiben an denselben Sohn (Corp. Ref. IX, 412) zeigen uns, wie hoch er diesen Freund geschätzt hatte: „Profuerunt eius labores urbi vestrae, cui magna pericula saepe non solum consilio sed etiam patientia depulit; curavit recte doceri ecclesiam. Fecit igitur praecipua officia boni gubernatoris. Domestica vita ipsius et familia honesta et dulcis fuit ipsi, honestissimae matri et filiis. Haec bona cum ei tribuerit Deus, gratias Deo agamus et retineri apud homines honestos gratam ipsius memoriam gaudeamus.“ Noch enger wurde die Verbindung Melanchthon’s mit seines Freundes Hause, als dessen Sohn Michael 1558 seine Enkeltochter, des Sabinus’ Tochter, die in des Großvaters Hause wohnte, zur Gattin wählte [288] (vgl. Corp. Ref. IX, 530 u. 608). Die Angabe, daß Meienburg’s Frau, Ursula, schon am 12. September 1529 gestorben sei, ist angezweifelt worden, da Melanchthon’s Briefe zeigen, daß die Mutter seiner Söhne bei seinem Tode ihn noch überlebte, aber Reinecke’s Tochter wird die zweite Frau gewesen sein. Zwei Gemälde in der Kirche St. Blasii, als deren Maler früher der ältere Cranach bezeichnet wurde, die aber jetzt dem jüngeren Cranach beigelegt werden, ein Ecce homo und ein großes Familienbild Meienburg’s, das auch die Personen der Reformatoren zur Darstellung bringt (Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen XI, 144), sind dem Andenken der Ehegattin (1529? und 1555) gewidmet. Auch sein Schwiegervater Reinecke starb bei einem Besuche in Nordhausen und wurde dort in St. B1asii begraben (1539). Von den Söhnen Meienburg’s ist außer dem schon genannten Michael besonders der älteste, Christoph, bekannt geworden, der sich dem Rechtsstudium widmete, zu diesem Zwecke dem Wittenberger Juristen Schneidewin anvertraut wurde, dann in Speier beim Reichskammergericht und in Padua seine Studien fortsetzte und unter Joachim II. Kurfürstl. Rath in Brandenburg wurde. Ihm widmete 1564 Manlius die erste Ausgabe der Briefe Melanchthon’s (Corp. Ref. I, XXIX ff.). Er veröffentlichte nach dem Tode der Gebrüder Joachim II. und Hans v. Küstrin eine Gedächtnißrede, die noch im Jahre 1621 in Magdeburg unter dem Titel: „Peplum Minervae seu oratio continens historiam Joachimi Electoris et Johannis Marchionum Fratrum“ einen Neudruck erfuhr. Eine Tochter Meienburg’s, Ursula, heirathete den Brandenburgischen Rath Thomas Matthias.

Corp. Ref. II–IX; Briefwechsel des Justus Jonas Bd. I u. II. Ferner vgl. Kindervater, Nordhusia illustris, Wolfenbüttel 1715, S. 103 ff. – Lesser, Histor. Nachrichten von der Kaiserlich. Stadt Nordhausen, 1740, S. 320 ff. – E. G. Förstemann, Kleine Schriften zur Gesch. der Stadt Nordhausen I, 1855, S. 53 ff. – Th. Perschmann, Die Reformation in Nordhausen, Halle 1881, S. 37 ff.