ADB:Mandt, Martin Wilhelm von
C. F. Gräfe zu Düsseldorf unter die Zahl der Lazarethchirurgen aufgenommen und nach Aachen zur Behandlung der dort noch befindlichen Verwundeten gesandt. Er blieb daselbst auch während des Jahres 1817, wurde dann nach Thionville geschickt und that im dortigen preußischen Militärlazareth zwei Jahre lang Dienste. Zu Anfang des Jahres 1819 wurde er nach Berlin zu einem dortigen Regimente versetzt und besuchte die Universität daselbst, bis er auf Anregung Rudolphi’s, dessen besonderer Gunst er sich erfreute, und mit einer Staatsunterstützung versehen, vom März bis September 1821 von Hamburg aus mit dem Schiffe „Blücher“, einem Wallfischfänger, unter dem englischen Capitän John Rose eine Reise nach Grönland und Spitzbergen in der Eigenschaft eines Schiffsarztes unternahm, die ihn bis zum 81° n. Br. führte und deren zoologische Resultate, namentlich die arktischen Säugethiere betreffend, er, nachdem er Assistent des anatomischen Museums geworden, in seiner Rudolphi und Lichtenstein gewidmeten Inauguraldissertation (22. Juli 1822) „Observationes in historiam naturalem et anatomiam comparatam in itinere Groenlandico factae“, Berolini 1822, niederlegte. Im Winter 1823/24 absolvirte er die medicinische Staatsprüfung und konnte, da er dieselbe mit dem Prädicate „vorzüglich“ bestanden, daran sogleich die Physikatsprüfung schließen, die bis Ende 1824 ebenfalls mit der besten Censur zurückgelegt war. Bereits im Februar 1825 erhielt er das Kreis-Physikat in Küstrin und damit einen sehr ausgedehnten Wirkungskreis. Seine litterarischen Arbeiten in der Zeit seines Küstriner Aufenthalts waren einige Aufsätze in Rust’s Magazin (Bd. 19, 22, 1825, 1826) und eine „Praktische Darstellung der wichtigsten ansteckenden Epidemien und Epizootien, in ihrer Bedeutung für die medicinische Polizei“, Berlin 1828. – 1829 wurde ihm von der Greifswalder medicinischen Facultät durch seinen Amtsvorgänger Berndt, der dorthin von Küstrin aus berufen worden war, der Antrag gemacht, an Stelle des seit zwei Jahren verstorbenen Sprengel, die ordentliche Professur der Chirurgie zu übernehmen. Er siedelte daher im Frühjahr 1830 nach Greifswald über, woselbst er in der medicinischen Facultät, außer Berndt, nur noch 2 Docenten und 7 Studenten vorfand, indem namentlich die anatomisch-physiologische Professur unbesetzt war. Nachdem diese durch eine Berufung besetzt, von M. eine chirurgisch-augenärztliche Klinik eingerichtet und damit ein regelmäßiger Unterricht ermöglicht war, vermehrte sich auch die Zahl der Studirenden und gelang es im folgenden Jahre dem Einflusse Mandt’s zu erreichen, daß in Greifswald auch, wie in Breslau, eine Chirurgenschule errichtet wurde. Er wurde zum Director derselben ernannt und ertheilte nebst seinen Collegen aus der Facultät den Unterricht in diesem Institut, das in kürzester Zeit 40 Zöglinge zählte. Im Jahre 1832 machte er eine 6monatliche wissenschaftliche Reise durch Deutschland, Italien, Frankreich und England und erstattete danach einen sehr detaillirten Bericht, namentlich über die Irrenanstalten, denen er auf seiner Reise besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Es erschienen von ihm in dieser Zeit (1832–34) in Rust’s Magazin (Bd. 37, 42) mehre Abhandlungen, wie „Exarticulatio humeri. Würdigung ihrer Historie, [181] nebst einer neuen Operationsmethode“, „Ueber Fungus haematodes und andere Parasiten“, „Der Kropf, Geschichte und Exstirpation desselben“, „Resection eines Theiles des Intestini recti“ und als Universitätsprogramm: „Kurzer Umriß der Geschichte der Chirurgie bis zum Anfange unseres Jahrhunderts“, Greifswald 1833. – Mit dem Jahre 1835 trat aber ein vollständiger Wechsel des Schauplatzes seiner Thätigkeit ein. Nachdem er auf Rust’s Empfehlung die Großfürstin Helene von Rußland auf einer Reise in die Bäder begleitet hatte, wurde er von derselben veranlaßt, ihr als ihr Leibarzt nach St. Petersburg zu folgen und wurde ihm zu diesem Zwecke ein längerer Urlaub von Seiten der preußischen Regierung bewilligt. Diese provisorische Stellung ging jedoch 1838 in eine definitive über, indem ihm auf sein Ansuchen der Abschied aus preußischen Diensten mit dem Titel eines Geh. Medicinal-Rathes ertheilt wurde, der im folgenden Jahre, um ihn im Range seinen russischen Collegen gleichzustellen, in den eines preußischen Geh. Ober-Medicinalrathes umgewandelt wurde. Es konnte nicht ausbleiben, daß der ausgezeichnete Arzt auch von dem Kaiser Nicolaus, dem er wichtige Dienste geleistet hatte, 1840 zum Leibarzt ernannt wurde und als solcher in den russischen Militärdienst mit dem Range und Titel eines Wirklichen Staatsrathes eintrat und damit in eine Stellung gelangte, die mit Rücksicht auf die Persönlichkeiten des Hofes und die Anfeindungen, welche ihm von vielen Seiten zu Theil wurden, zwar mit großen Schwierigkeiten verbunden war, aber einen festen Halt in dem vollen Vertrauen besaß, welches der Kaiser sowohl als die Kaiserin ihm entgegenbrachten. In demselben Jahre konnte M. einem Lieblingswunsche dadurch Rechnung tragen, daß ihm gestattet wurde, bei der kaiserlichen medicinisch-chirurgischen Akademie eine Privatklinik für ältere Studirende und junge Aerzte abzuhalten. In dieser Klinik nun, in welche medicinische sowohl als chirurgische Fälle aufgenommen wurden, war M. in der Lage, die damals in Rußland noch wenig gebräuchlichen Hülfsmittel der physikalischen und chemischen Diagnostik und die Ergebnisse der pathologischen Anatomie in Anwendung zu bringen und dadurch eine Anzahl guter Schüler zu erziehen, die aber nicht immer das ihnen gewährte Gute durch Dankbarkeit vergolten haben. Daß der durch eine sehr umfangreiche Praxis am Hofe und in der Stadt sowie durch die eben erwähnte Hospital- und Lehrthätigkeit voll und ganz in Anspruch genommene Mann nebenbei als Schriftsteller nur in geringem Maße thätig sein konnte, ist einleuchtend und finden wir daher aus der Zeit seines Petersburger Aufenthaltes nur zwei im Jahre 1849 erschienene Werke, welche auf die Cholera Bezug haben, nämlich: „Rückenmark und Darmschleimhaut und ihr Verhältniß zur Cholera“ und „Färbung der Darmschleimhaut in Cholera- und Typhusleichen, dargestellt in 15 colorirten Tafeln nebst erläuterndem Texte, mit Hinweisung auf die Schrift: „Rückenmark und Darmschleimhaut und ihr Verhältniß zur Cholera“. – Ohne auf Mandt’s Wirken am Petersburger Hofe näher eingehen zu können, müssen wir doch anführen, daß auch dort oft große Schwierigkeiten vorlagen, die nur mit Energie und Tact zu überwinden waren, wie z. B. als die kranke Kaiserin dringend eines längeren Aufenthaltes in einem südlichen Klima bedurfte und es M. gelang, den entgegenstehenden Willen des Kaisers dahin zu bestimmen, daß dieser eine Reise nach Italien und sogar nach dem als Winteraufenthalt damals noch kaum gekannten, von M. aus eigener genauer Kenntniß in Vorschlag gebrachten Palermo gestatten. Er hatte die Genugthuung, die Kaiserin 1845 dorthin zu geleiten. 1850 erhielt er (nachdem er stufenweise die unvermeidlichen Orden erlangt hatte) die höchste Würde, die eines Geheimen Rathes und erfreute sich bis zu dem 1855 erfolgten Tode des Kaisers Nicolaus, den er auch in seiner Todeskrankheit behandelte, des unveränderten Vertrauens des Kaiserpaares. Nach dem Thronwechsel [182] verließ M., um sich der verdienten Ruhe hinzugeben, nach 20jähriger Wirksamkeit in St. Petersburg, diese Stadt und begründete sich in Frankfurt a. O. eine neue Heimath. Es war ihm jedoch nicht mehr lange vergönnt, des Lebens sich zu erfreuen, denn am 20. November 1858, nachdem er von einer Lähmung betroffen worden war, endigte sein Leben. – Bei einer Charakteristik Mandt’s muß hervorgehoben werden, daß seine großen Talente, verbunden mit einem einnehmenden, gewandten Wesen und seltener Charakterstärke es ihm ermöglicht haben, eine sehr schnelle und glänzende Carrière zu machen. Dabei ist ihm zum Ruhme nachzusagen, daß er am russischen Hofe so vielen widerstrebenden Elementen gegenüber, seine deutsche Wissenschaft und seine deutsche Nationalität stets und in erster Linie zur vollsten Geltung zu bringen verstanden hat. Was seinen Standpunkt in der Medicin anlangt, so war er Eklektiker und Empiriker im besten Sinne des Wortes. Ueber das „System“, das er sich gebildet hatte und das eine Hinneigung zur Homöopathie zeigt, ist u. A. von Walz Einiges veröffentlicht worden. – In der Zoologie tragen drei Thierspecies Mandt’s Namen, nämlich die Uria Mandtii, ein Vogel, den Lichtenstein nach einem von der grönländischen Reise mitgebrachten Exemplare so genannt hatte; in Petersburg aber wurden noch zwei andere Thierspecies Lopholitodes und Dermaturus Mandtii genannt.
Mandt: Martin Wilhelm v. M., kaiserlich russischer Geheimer Rath, Leibarzt und Professor zu St. Petersburg, war am 6. August 1800 zu Beyenburg an der Wipper (Kreis Lennep), wo sein Vater, der später nach Remscheid zog, Wundarzt war, geboren. Von 1813 an besuchte er das Gymnasium in Düren, wurde, nachdem er von seinem Vater einige Kenntnisse in der Anatomie und im Wundverbande erhalten, zu Ende des Jahres 1816 von dem Professor und Generalarzt- Walz in Allg. Med. Central-Zeitung 1854. Nr. 84; 1855. Nr. 48–50.