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ADB:Müller, Karl Wilhelm (Philologe)

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Artikel „Müller, Karl Wilhelm“ von Gustav Emil Lothholz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 522–524, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Karl_Wilhelm_(Philologe)&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:45 Uhr UTC)
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Band 52 (1906), S. 522–524 (Quelle).
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Müller: Dr. Karl Wilhelm M., ein vielseitiger und gründlicher Gelehrter, stammte aus einer Handwerkerfamilie der Fabrikstadt Apolda, wurde geboren 1801 (?), besuchte die Schule seiner Vaterstadt und erhielt seine akademische Vorbildung auf dem Gymnasium zu Weimar, welches damals unter der Leitung des ausgezeichneten Directors Gotthilf Gernhard (s. A. D. B. IX, 37) stand, der einer der ersten Schüler des großen Leipziger Philologen Gottfr. Hermann und Becks sich um die Herausgabe Ciceronischer Schriften und des Quintilianus Verdienste erworben hat. Besonders schloß sich M. an den Professor der griechischen Litteratur E. Weber an. – Im J. 1821 bezog er die Universität Jena, um Philologie zu studiren. Eichstaedt, Hand, Goettling, Luden, Osann (s. A. D. B. XXIV, 459), der später nach Gießen berufen wurde, waren seine trefflichen Lehrer; auch in das philologische Seminar trat M. ein. Ostern 1824 siedelte er nach Berlin über, wo er vor allem die Vorlesungen des berühmten Philologen August Böckh hörte. Schon im Herbst dieses Jahres wurde er am Gymnasium in Weimar als Hülfslehrer angestellt, wo er in den mittleren und oberen Classen Lateinisch und Deutsch unterrichtete. Besonders verdient machte sich M. durch Einführung der Turnübungen. In Weimar veröffentlichte er seine erste, seinem Lehrer Karl Goettling gewidmete Schrift: „De cyclo Graecorum epico et poetis cyclicis Lipsiae“, 1829; später (1835) ist diese Schrift durch den epischen Cyclus des um die Alterthumswissenschaft so hochverdienten Friedrich Gottlieb Welcker in Schatten gerückt worden. Im folgenden Jahre schrieb er ein Programm: „Nonnulla ad interpretandum carmen Simonidis Amorgini de mulieribus cett“. Vimariae. 1831 und 1832 gab er heraus: „Goethe in seiner letzten Thätigkeit und seinem Scheiden“ (Jena). Außerdem betheiligte sich der strebsame Gelehrte durch Recensionen an verschiedenen philologischen und pädagogischen Zeitschriften und schrieb Beiträge zu der zweiten Abtheilung der großen Encyklopädie von Ersch und Gruber. Obwohl seine Schrift über den epischen Cyclus von G. Hermann und Aug. Böckh Anerkennung fand und er hoffte, durch seine philologischen Arbeiten eine besser ausgestattete Stellung an einem anderen Gymnasium zu finden, so gelang ihm trotz vieler Verwendung zunächst doch nicht, seinen Wunsch zu erreichen. Endlich im J. 1833 folgte er einem Rufe an das neu errichtete Gymnasium in Zürich, und trat als Privatdocent der Philologie an der neu gegründeten Universität ein. Zugleich sollte ihm die Stelle eines Aufsehers der Turn-, Schwimm- und Waffenübungen der Gymnasiasten übertragen werden, aber aus besonderen Gründen nahm er das ihm angebotene Amt nicht an. Noch im Herbste des Jahres ging M. als Director des obern Gymnasiums und Privatdocent der Philologie an der Akademie nach Bern. Da man damals damit umging, das ganze Erziehungswesen des Kantons zu reorganisiren, so wurde ihm der Entwurf des Unterrichtsplanes des höheren Gymnasiums übertragen. Im Herbst 1834 wurde er [523] zum außerordentlichen Professor der Philologie an der neu errichteten Hochschule und zum Lehrer der griechischen Sprache am neu organisirten höheren Gymnasium ernannt, und das Zutrauen der Collegen erwählte ihn zum Director dieser Anstalt. In den letzten zwei Jahren hat M. auch den Unterricht in der deutschen Sprache und Litteratur ertheilt. Bis zum 12. December 1846 stand M. im Dienste der Republik Bern und hat sich durch Herausgabe von vier Heften „Analecta Bernensia“ um die classische Alterthumswissenschaft Verdienste erworben. Die werthvolle Berner Bibliothek ist von Philologen, namentlich von dem trefflichen Berner Professor Herm. Hagen später viel benutzt worden. In der Schweiz hatte M. manche Erfahrung gemacht, so daß er dem Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt sehr dankbar war, daß er am 29. November 1846 zum Nachfolger des ausgezeichneten Gymnasialdirectors Christian Lorenz Sommer in Rudolstadt ernannt wurde (s. Programm Rudolphopoli, 1847 und Programm Rudolstadt, 1851; Christian Lorenz Sommer, Consistorialassessor und Professor am Gymnasium, nach seinem Leben und Charakter gezeichnet von Robert Wächter, Professor). In Bern erhielt M. am 12. December 1846 seine nachgesuchte Entlassung „in allen Ehren mit Verdankung der geleisteten Dienste“. In der Geschichte der Hochschule Bern in den Jahren 1834–1884 von Dr. Ed. Müller, Professor der Theologie, Bern, 1884 herausgegeben, heißt es S. 48: „Als Lehrer und Professor der griechischen Sprache am höheren Gymnasium und der Universität war er anregend und fördernd durch Methode, geistige Regsamkeit und beißenden Humor. Er hat sich durch eine Anzahl Universitätsprogramme einen Namen erworben. Dieselben behandeln meist Berner Handschriften, darunter mehrere Inedita, die sich auf die spätrömische und mittelalterige Litteratur beziehen. Das Bedeutendste darunter ist die in vier Gymnasialprogrammen von Rudolstadt aus erschienene erste Herausgabe der sogen. Berner Scholien zu Vergil’s Bucolica und Georgica (1847–54), wovon Herm. Hagen eine zweite Ausgabe veranstaltete“. In Rudolstadt hat er sich durch seine Berufstreue, seine Gelehrsamkeit und seine pädagogischen Erfahrungen um das Gymnasium in Verbindung mit tüchtigen Lehrern, wie Ernst Klußmann, Rudolf Hercher (später als Professor am Joachimsthal’schen Gymnasium in Berlin thätig), Berthold Sigismund, Albert Lindner, Wilhelm Dittenberger u. A. große Verdienste erworben, so daß ihm aus dem Munde des preußischen Schulraths Dr. G. Heiland, der auf Ersuchen des fürstlichen Ministeriums den Unterricht auf dem Gymnasium zu Rudolstadt einer Revision unterzog, die Anerkennung zu Theil wurde, daß in seiner Prima im Griechischen mehr geleistet werde als in den meisten Gymnasien der Provinz Sachsen (1868). Von 1847 bis 1868 hat er seines Amtes mit Treue und Geschick gewartet und es seinem Nachfolger, dem ausgezeichneten Philologen und Pädagogen C. Redantz übergeben. Nachdem er in Halle sich einer glücklichen Staaroperation unterworfen hatte, trat er in Pension und siedelte nach Weimar über, wo er mit vielen alten Freunden herzlich verkehrte. Im Sommer 1874 hatte sich Oberschulrath M. nach Bad Salzungen begeben, um sich durch einen Sommeraufenthalt gesundheitlich zu stärken. Hier wurde er am 5. August, 74 Jahre alt, von einem Nervenschlag getroffen. Sehr richtig hat ihn der Geh. Schulrath Professor Dr. Klußmann in dem Programm von Rudolstadt 1874 beurtheilt: „Nach Rudolstadt berufen, verwuchs M. bald mit der ihm untergebenen Anstalt in Geist und Herz so innig, daß er bei seinem Scheiden von uns wol sagen durfte, sein Gymnasium sei ihm Weib und Kind und das trauliche Heim seines Lebens gewesen. Mit seinem weitschichtigen Wissen, seiner Offenheit und seiner stets bereiten Schlagfertigkeit in Rede und Gegenrede [524] war er für Schule, Stadt und Land ein typischer Charakter geworden, dessen lautere Gesinnung selbst von denen nicht bezweifelt wurde, welche sich von der Form, in welcher sich dieselbe äußerte, keineswegs angezogen fühlten.“ Seinen Namen trägt die „Müller’sche Stiftung“, von ihm selbst zur Belohnung tüchtiger Turner dem Gymnasium verliehen. Im Verein mit Sigismund und noch einem Amtsgenossen begründete er die „Goethe-Schillerstiftung“ zur Aufmunterung für solche Primaner, welche sich im schriftlichen oder mündlichen Gebrauche der Muttersprache und in der Kenntniß der vaterländischen Litteratur auszeichnen. Der Schreiber dieser Biographie hatte den schriftlichen Nachlaß des Oberschulraths M. erworben und besaß so die Gelegenheit, von den umfassenden Studien des so gelehrten Mannes Einsicht zu nehmen. Mit großer Gewissenhaftigkeit hatte M. seine Vorlesungen, die er in Zürich und Bern über die alten Schriftsteller, über griechische und deutsche Litteratur, über Philosophie und Kunst u. s. w. gehalten hatte, ausgearbeitet; M. war innig befreundet mit dem trefflichen Jenenser Philologen C. W. Goettling, dem Medicinalrath Theile, dem Professor Weber und anderen ausgezeichneten Männern. Müller’s biederer Charakter und seine gründliche Gelehrsamkeit fanden überall Anerkennung. Seinen schriftlichen Nachlaß werde ich der großherzoglichen Bibliothek in Weimar zuwenden.